Das Kind in seinem süßen Anzug will lieber am Boden essen. Ein Klassiker.

Foto: istockphoto.com/SolStock

Vor zwei Jahren haben wir als Familie eine Hochzeitseinladung bekommen. Grundsätzlich eine sehr schöne Sache, wenn sich zwei Menschen das Ja-Wort geben und schwören, dass sie zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet. Für mich bedeutete diese Einladung damals aber puren Stress. Ich hatte gerade mein zweites Kind geboren, konnte erst seit ein paar Tagen wieder schmerzfrei sitzen – auf der weichen Couch.

Schon beim Gedanken an die Holzbank, in der bestimmt wunderschön geschmückten Kirche, spürte ich meinen Dammriss und überlegte mir, ob das sehr deppert ausschaut, wenn ich mir anstatt eines Handtäschchens einen kleinen Blümchenpolster unter die Achsel zwicke.

Die Suche nach einem Outfit

Im Wochenbett (das übrigens ganze acht Wochen dauert) bestand mein Outfit aus Leggings und Pyjamaleiberl, das wahlweise mit Babykotze, Muttermilch, Sabber oder Schlimmerem gepimpt wurde. Es war eine Mischung aus Batik-Look und Grind. Also eher ungeeignet für eine Hochzeit. Ich überlegte, ob ich aus dem Pyjamaleiberl einfach ein Kleid zaubern könnte, indem ich mir eine Kordel um die Wampe binde, ahnte aber, dass ich womöglich auch dann noch ziemlich underdressed für eine Hochzeitsfeier sein würde.

Also machte ich mich auf die Suche nach einem Kleid. Schließlich wollte ich keine blöde Nachrede haben, von wegen: "Ui, die lässt sich aber gehen. Dabei ist das Kind eh schon fünf Wochen alt." Nach einem Ausflug in die SCS, der mit Tränen, Schweiß, Streit mit meinem Mann und siebzehn Nervenzusammenbrüchen geendet hat, bin ich dann doch noch fündig geworden. Auf Willhaben. Das Kleid hatte ich, es konnte losgehen.

Meine unschlagbaren Accessoires für diesen freudigen Anlass waren graue Haare, Augenringe bis zum Kinn, die im wahrsten Sinne des Wortes der Hingucker waren, Brüste, die immer mal wieder ausrinnen und ein ausladendes Becken, das ich den ganzen Tag über versuchte unter dem Zelt, ähm, Kleid zu verstecken.

Vollgeschwitzte Outfits

Aber das war mir alles egal! Denn mir geht's schon lange nicht mehr um mein äußeres Erscheinungsbild. Ungefähr seit der Geburt meines ersten Kindes nämlich. Das Wichtigste für mich sind meine Kinder und meine Familie.

Also steckte ich mein plärrendes Baby in die Trage, die natürlich farblich so überhaupt nicht zu dem Willhaben-Kleid passte. Warum das Baby ausgerechnet bei dieser Hochzeitsfeier so plärren musste? Man weiß es nicht: Entweder war es müde oder die Zähne quälten. Vielleicht aber auch hat es in seinem supersüßen Mini-Anzug geschwitzt wie deppert. Mit der Trage umgeschnallt hopsend tröstete ich nebenher das andere Kind. Das nicht geschlafen hatte, gerade in der Autonomiephase war, schon vor dem Kirchentor alle Blumenkränze zerstören wollte und in seinem supersüßen Tüllkleid wahrscheinlich auch schwitzte wie deppert.

Als der Mann von der Agape zurückkam, fragte ich ihn, warum er eigentlich so fertig dreinschaut. Er meinte darauf nur: "Zwölf Achterln und drei Kilo Vanillekipferl! Und außerdem schwitze ich wie deppert."

Fritatten in den Schuhen

Endlich ging es dann auch irgendwann zum Essen. Betonung auf irgendwann. Wir waren alle am Verhungern und schon jetzt völlig fertig von dem Tag. Es dauerte noch einmal drei Stunden, bis wir endlich etwas zu essen bekamen, weil das Brautpaar für das Fotoshooting auf ein Schloss in die Nähe gefahren war. Das war aber eh nur 170 km entfernt. Bis dahin, hatte meine Tochter die wunderschöne Tischdekoration komplett zerstört und gerade als sie die Plastikblumen essen wollte, kam dann auch endlich die Frittatensuppe daher. Die ist aber nie in ihrem Mund, sondern auf meinem Kleid gelandet, weil das Kind lieber eine Leberknödelsuppe wollte.

Das war dann auch der Zeitpunkt, als wir uns vom Brautpaar verabschiedeten und das schönste aller Feste verlassen haben. Mit Frittaten in den Schuhen, einem angetrunkenen Mann, einem plärrenden Baby und einer Tochter, die noch schnell, als niemand hinschaute, aus einem anderen Suppenteller einen Leberknödel gestohlen hatte, bin ich dann nach Hause gefahren, habe mir mein Pyjamaleiberl angezogen und gedanklich in meinen noch schmerzenden Dammriss geatmet. So eine Hochzeit ist tatsächlich etwas ganz Besonderes, auch für uns war es das. Seither bin ich aber der Meinung: "Beim nächsten Mal lieber die Kinder daheim lassen." (Anja Buchta, 24.2.2023)