Die Ermittlungen im Missbrauchsverdachtsfall rund um einen Pädagogen in einem Kindergarten in Wien laufen seit März 2021.

Foto: Getty Images / iStockphoto / DmitriMaruta

Gegen einen Kindergartenpädagogen einer Einrichtung in Wien-Penzing wurden im März 2021 von Eltern eines Kindes schwere Missbrauchsvorwürfe erhoben. Die Staatsanwaltschaft startete Ermittlungen, der Pädagoge wurde aus dem Kinderdienst entfernt und in den Innendienst versetzt. Weitere Väter und Mütter des Kindergartens erfuhren jedoch erst mehr als ein Jahr später vom Verdacht des sexuellen Missbrauchs gegen den Pädagogen. Das Vorgehen der Stadt in diesem Fall hat im Vorjahr für große Aufregung und Konsequenzen gesorgt: So wurde etwa die bisherige Leiterin der MA 10 (Kindergärten) abgesetzt.

Ermittlungen weiteten sich aus

Knapp zwei Jahre nach der ersten Anzeige sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Das bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien auf eine aktuelle STANDARD-Anfrage. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sich die Ermittlungen nach Veröffentlichung des ersten Missbrauchsverdachtsfalls signifikant ausgeweitet haben: "Die Ermittlungen betreffen derzeit 20 Fälle", heißt es von der Staatsanwaltschaft. Weitere Details werden von der Behördensprecherin nicht genannt. Mitte vergangenen Jahres hieß es von der Staatsanwaltschaft noch, dass in vier Fällen der Vorwurf des (teils schweren) sexuellen Missbrauchs von Unmündigen geprüft werde. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In einem im Juli 2022 veröffentlichten Prüfbericht der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft wurde kritisiert, dass Eltern mehr als ein Jahr lang im Unklaren über die Ermittlungen gegen den betroffenen Pädagogen gelassen wurden. Sie seien mit "Halb- und Nichtinformationen" abgespeist worden. Im Bericht wurde zudem darauf verwiesen, dass zwölf Eltern bereits seit dem Jahr 2020 Auffälligkeiten bei ihren Kindern festgestellt und diese auch dem Kindergarten mitgeteilt hätten – davon acht Eltern schon vor der ersten Anzeige gegen den Pädagogen im März 2021. Als Beispiele wurden Albträume, Bettnässen, die vehemente Weigerung, in den Kindergarten zu gehen, sowie Angst vor dem Klo beziehungsweise Waschraum im Kindergarten angeführt.

Lange Verfahrensdauer

Der betroffene Pädagoge, für den die Unschuldsvermutung gilt, ist aktuell bei der MA 10 im Innendienst tätig, wie ein Sprecher von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) sagte. Mögliche dienstrechtliche Aspekte seien erst nach der strafrechtlichen Beurteilung ein Thema. Wiederkehr hatte bereits in der Vergangenheit die lange Dauer der Ermittlungen kritisiert. So wurde etwa bereits im Frühjahr 2021 zum ersten Verdachtsfall ein Gutachten von der Behörde in Auftrag gegeben. Das Ergebnis lag aber erst mehr als ein Jahr später vor.

Der Auftrag für eine Gutachterin lautete, die Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit des betroffenen Kindergartenkindes zu beurteilen. Die Expertise soll den Verdächtigen entlasten: Die Angaben des Kindes würden laut dem Gutachten nicht für eine Verurteilung ausreichen, wie der ORF berichtete. Zudem soll sich der Pädagoge nie allein mit dem Kind in einem Raum befunden haben. Weitere Ergebnisse von beauftragten Gutachten über andere Verdachtsfälle sind vorerst nicht bekannt.

Kinderschutzkonzepte für Kindergärten verpflichtend

Die Vorkommnisse rund um die Missbrauchscausa haben zu mehreren personellen Konsequenzen geführt: So wurde die bisherige MA-10-Leiterin abgesetzt, seit Dezember 2022 ist Karin Broukal neue Chefin der Abteilung. Auch die Kindergartenleitung in Penzing wurde ausgetauscht.

Zudem wurde im Dezember eine Reform des Kindergartengesetzes beschlossen: In allen Wiener Kindergärten muss es künftig ein verpflichtendes Kinderschutzkonzept geben. Eine für diesen Bereich verantwortliche Person pro Standort ist verpflichtend. Für die Umsetzung haben die Betreiber noch bis Dezember 2023 Zeit: Dann sind erste Kontrollen vorgesehen.

Auch Fortbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen mit Schwerpunkt Kinderrechte soll es regelmäßig geben. Und bei der für die Kindergärten zuständigen Aufsichtsbehörde MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) wird eine eigene Kompetenzstelle Kinderschutz eingerichtet. (David Krutzler, 9.3.2023)