Die legendäre Münchner Lach- und Schießgesellschaft ist bankrott.

Foto: Patrick Guyton

Die Werbeplakate für die letzten Auftritte hängen noch in den Fenstern im Erdgeschoß des Hauses in der Schwabinger Ursulastraße. Doch an der Tür ist ein Zettel aufgeklebt: "Der Spielbetrieb ist bis auf weiteres eingestellt." Zwei der drei Gesellschafter – der Kabarettist Bruno Jonas und die Konzertveranstalterin Laila Nöth – haben beim Amtsgericht München Insolvenz angemeldet. Die legendäre Münchner Lach- und Schießgesellschaft, von vielen nur "der Laden" genannt, ist pleite. Selbst die schon anberaumten Gastspiele auswärts wurden abgesagt.

Finden sich nicht neue Macher und Geldgeber, dann war es das mit dieser sehr kleinen Kleinkunst- und Kabarettbühne, die einst einen sehr großen Ruf in der ganzen deutschen Republik hatte. Gegründet worden war die "Lach und Schieß" im Jahr 1956 von dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt sowie dem Regisseur, Autor und lebenslangen BR-Sportreporter Samy Drechsel. Drechsel starb 1986 mit 60 Jahren, Hildebrandt 2013, er wurde 86.

Das Kabarett war eine Institution, weil es ebenso kunstvoll wie scharf die deutsche Politik seziert hatte. Nicht nur im Zweifel schlug das Herz links. Hildebrandt wurde Oberhäuptling des Ladens und mit seinem "Scheibenwischer" in der ARD zum größten Meister im Kabarett-Fach.

Wohnzimmerformat

Muss man nun trauern und für die Lach- und Schießgesellschaft ein paar Tränen verdrücken? Das Wohnzimmerformat mit nur 100 Zuschauerplätzen hat seine schönste und beste Zeit schon lange hinter sich. Es reicht nicht, sich nur immer und immer wieder, wie das getan wird, auf den Säulenheiligen Hildebrandt zu berufen.

Der Fall dieser Schwabinger Einrichtung zeigt, wie sich Platzhirsche der Kleinkunstszene gegenseitig das Leben zur Hölle machen und so nebenbei auch die "Lach und Schieß" ruinieren. Sie kennen sich schon länger, als es gut gewesen wäre, und sie hassen sich. Die Geschichte erinnert an eine etwas inzestuöse Familienaufstellung, die mit einer komplexen Grafik am besten darzustellen wäre.

18 Jahre lang leitete der Münchner Kleinkunst-König Till Hofmann (52) auch die Lach- und Schießgesellschaft, 2021 hörte er schlagartig auf. Der Grund: Es gab Krach mit Bruno Jonas. Der heute 70-jährige Kabarettist wird von vielen Seiten als Mensch mit einem, sagen wir, großen Ego beschrieben. Als einer, der andere auf Augenhöhe nicht erträgt.

Humorarm

Dann mal rein in die Beziehungskiste des sehr humorarm agierenden Ladenpersonals: Gesellschafter war einst neben Jonas und Hofmann auch der Münchner Konzertveranstalter Wolfgang Nöth. Nachdem dieser gestorben war, ging sein Anteil an Tochter Laila Nöth, 28 Jahre alt. Jonas zog Nöth, so die Annahme, auf seine Seite gegen Hofmann. Die Trennung war unsanft. Mit Hofmann wurde der Einzige über Bord geworfen, der professionell etwas von Kulturmanagement versteht.

Zum neuen Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer wurde Stefan Hanitzsch (46) gemacht. Dieser firmierte bislang als Webdesigner, was aber unwesentlich ist. Wichtiger ist sein Vater: Dieter Hanitzsch, 89 Jahre alte Karikaturistenlegende, der lange für die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) gezeichnet hatte. Hanitzsch und Dieter Hildebrandt wiederum waren Best Friends. So schließen sich Kreise.

Hanitzsch junior war aber offenbar überfordert mit der Lach und Schieß. Jonas lässt per Anwalt erklären: "Der Versuch eines Neubeginns (...) ist unternehmerisch und persönlich gescheitert." Hanitzsch sei abberufen worden – "aus Gründen".

"Im Grab umdrehen"

Sie kommunizieren nur über ihre Rechtsvertreter, in SZ-Interviews beschimpfen sie sich aber gegenseitig und geben Ratschläge. Jonas sagt, er sei von Hofmann hintergangen worden. Die Besetzung mit Hanitzsch wiederum sei "ein großer Fehler" gewesen. Hanitzsch sagt, er sei weiterhin bereit, Verantwortung zu übernehmen. Hofmann fordert Jonas auf, als Zugpferd mal einige Wochen lang selbst auf die Bühne zu steigen – dann sei das finanzielle Problem gelöst.

Die "Bild" hat selbst die 86-jährige Witwe Renate Hildebrandt aufgetan, die meint: "Da würde sich der Dieter im Grabe umdrehen." Sie selbst habe Jonas "nicht mehr ertragen". Die – unbeteiligte – Kabarettistin Luise Kinseher analysiert, "die Mischung aus Narzissmus und Dilettantismus" sei wohl "keine gute Idee" gewesen. Und ein Vermittlungsgespräch des Münchner Kulturreferenten Anton Biebl mit den Beteiligten blieb erfolglos.

Der Name "Lach- und Schießgesellschaft" war übrigens eine Verballhornung der "Wach- und Schließgesellschaft". Jetzt ist der Laden in der Ursulastraße abgeschlossen. (Patrick Guyton, 23.2.2023)