Das Vakzin gegen Covid-19 wurde im Austria Center Vienna im Auftrag der Stadt kostenlos und gut organisiert abgegeben – manche Menschen wählten statt eines Stichs aber einen illegalen Weg zum Impfnachweis.

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Wien – Es gab für manche Menschen viele Gründe, warum sie im Dezember 2021 der Covid-19-Impfung nicht trauten. Generelle Angst vor Impfungen, Sorge wegen der verhältnismäßig neuen Technologie mancher Vakzine, Misstrauen gegenüber der Pharmabranche, Furcht, mit einem Chip permanent überwachbar gemacht zu werden oder da der Cousin eines Bekannten der Arbeitskollegin exklusive geheime Informationen über das tödliche Risiko eines Stichs im Internet gesehen hatte.

Der Wunsch nach einem Impfzertifikat war dennoch groß. Schließlich ermöglichte dieses damals den Besuch von Gaststätten und Veranstaltungen. Acht Männer und Frauen machten das Unmögliche möglich – sie versprachen Ungeimpften gegen Geld einen Eintrag in das elektronische Impfregister und damit ein Zertifikat. Nun muss sich das Oktett vor Richterin Tea Krasa verantworten.

Geständnisse nach langem Leugnen

Im Ermittlungsverfahren haben die Angeklagten im Alter von 27 bis um die 50 die Vorwürfe noch geleugnet. Dank der Überzeugungskraft der Verteidiger Philipp Wolm und Rudolf Mayr – beziehungsweise der Erkenntnis, dass ein Geständnis im Strafverfahren der wesentlichste Milderungsgrund ist – gestehen deren fünf Mandantinnen und Mandanten vor der Richterinnen nun doch. Verfahrenshelfer Arno Klecan hält daraufhin kurz Rücksprache mit seiner Klientin, die schließlich ebenfalls alles zugibt. Im Endeffekt sind sieben der acht Angeklagten geständig – lediglich der Ehemann der Hauptangeklagten beteuert trotz belastender Zeugenaussagen weiter, nichts mit der Angelegenheit zu tun zu haben.

Abgespielt hat sich die Affäre in der türkisch- und bulgarischstämmigen Community Wiens. Die 27-jährige Erstangeklagte arbeitete für den Arbeiter-Samariter-Bund bei der Impfstraße im Austria Center Vienna als Aufseherin. Ihrem Geständnis nach trug sie zunächst ungeimpfte Verwandte in das Computersystem ein, dann erkannte sie das ökonomische Potenzial der Malversation. Zwischen 200 und 800 Euro sollen mindestens 14 Personen gezahlt haben, die laut Anklage von den anderen Beschuldigten vermittelt wurden.

Aufmerksame hellhörige Arbeitskollegin

Details will die Erstangeklagte nach ihrem Geständnis in Absprache mit Verteidiger Wolm nicht verraten, somit bleibt offen, wie viel Geld sie lukriert hat und wie lange sie falsche Impfbestätigungen ermöglichte. Aus den von Richterin Krasa verlesenen Akten geht dafür hervor, wie die Erstangeklagte aufgeflogen ist. Eine Arbeitskollegin hatte im Dezember 2021 zufällig ein verdächtiges Telefonat auf Türkisch mit angehört, ihr fiel auch auf, dass die Erstangeklagte bei einer Station vor einem Laptop war, wo sie eigentlich nicht hingehörte.

Die Arbeitskollegin meldete das an höherer Stelle, interne Ermittlungen wurden eingeleitet – und siehe da, bei den von der Erstangeklagten angelegten Einträgen wimmelte es vor Ungereimtheiten. Die Chargennummer des Impfstoffs passte nicht, angeblich injizierende Ärzte waren zum fraglichen Zeitpunkt nicht im Dienst, die von den Patientinnen und Patienten zu unterschreibenden Aufklärungsbögen waren nicht auffindbar. Nach und nach deckten die Kriminalisten das Netzwerk auf, sogar Antikörpertests wurden durchgeführt, um den Impfstatus zu bestimmen – nicht immer erfolgreich, da manche Zeuginnen und Zeugen sich zwischenzeitlich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten.

Verdacht gegen Bruder

Lediglich der Zweitangeklagte, Ehemann der Haupttäterin und Bruder des Drittangeklagten, bestreitet kategorisch jede Beteiligung. Er sei einer der Ersten in der Familie gewesen, die sich impfen ließen, daher hätten ihn auch andere um Rat gefragt. Dass mehrere Zeugen behaupten, sie hätten ihm Geld und E-Cards übergeben und kurz darauf ein Impfzertifikat bekommen, bezeichnet er als Lüge. Seine Vermutung: "Damit mein Bruder seinen Oarsch retten kann, belasten sie mich." Denn die Zeugen seien Arbeitskollegen und Freunde seines Blutsverwandten.

"Und Sie haben nicht mitbekommen, was Ihre Frau da macht?", interessiert die Richterin. "Es könnte ja sein, dass man in einer Ehe darüber spricht?" – "Nein. Und ab Juni 2021 hatte ich ein Betretungsverbot", erklärt der Zweitangeklagte, der vor der Verhandlung einem Pressefotografen und einem Kameramann lautstark angedroht hat, "die Presse anzuklagen, wenn mein Bild in der Zeitung ist". Um die Zeugen, die ihn belasten, befragen zu können, wird das Verfahren gegen diesen Angeklagten vertagt.

Von Diversion bis zu teilbedingter Haft

Drei Frauen und ein Mann, alle unbescholten, kommen mit einer Diversion davon. Sie zahlen zwischen 250 und 1.000 Euro plus je 100 Euro Pauschalgebühren für die Gerichtskosten, im Gegenzug wird das Verfahren gegen sie vorläufig eingestellt. Für die Erstangeklagte, ihren Schwager und den zweifach einschlägig vorbestraften Achtangeklagten geht es nicht so glimpflich aus. Die ersten beiden werden zu jeweils sechs Monaten bedingter Haft verurteilt, der Achtangeklagte zu 14 Monaten, drei davon unbedingt. Die Entscheidungen sind rechtskräftig. (Michael Möseneder, 23.2.2023)