Was gilt für die Sprache der Zukunft?
Foto: getty images

Sprache ist unser wichtigstes Instrument bei der Verständigung mit anderen. Und sie emotionalisiert – was daran zu erkennen ist, wie viel über sie und ihre Entwicklung diskutiert wird. Immer wieder wird beispielsweise die Befürchtung geäußert, dass Österreichs Dialekte aussterben könnten und Kinder irgendwann nur noch eine Einheitssprache sprechen. So mancher beobachtet auch mit Argwohn, dass immer mehr englische Wörter ins Deutsche Einzug halten. Wird das künftig noch mehr werden? Und könnte sich die deutsche Sprache vielleicht gar mit anderen vermischen? Dazu haben wir vier Sprachwissenschafterinnen und Sprachwissenschafter befragt. Aus den Gesprächen sind neun Thesen zur Zukunft der Sprache entstanden:

1. These: Viele Sprachen sterben aus

Die Schätzungen, wie viele Sprachen auf der Welt gesprochen werden, variieren zwischen 2.500 und 8.000. Was schon eine eigene Sprache ist – oder zu einer anderen größeren gehört – ist zum Teil nur schwer bestimmbar. Die Unesco spricht von 6.000 Sprachen weltweit.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte rund die Hälfte der Sprachen ausgestorben sein, sagt der deutsche Linguist Gerhard Jäger. Das sei allerdings nur eine grobe Schätzung. Betroffen sein würden vor allem Minderheitensprachen in Afrika, Asien, Südamerika oder Australien. Es handle sich um "Sprachen der Ureinwohner, die nur noch die ältere Generation spricht", erklärt Jäger. Die vermuteten Gründe für das Aussterben: Globalisierung, Massenmedien und Mobilität, durch die Nationalsprachen eine größere Rolle gewinnen. "Die Sprachen, die von kleineren Gruppen gesprochen werden, verlieren dadurch an Wichtigkeit."

"Es deutet alles darauf hin, dass viele Sprachen bis zum Ende des Jahrhunderts aussterben werden", meint auch Eva Vetter vom Institut für Sprachwissenschaften der Uni Wien. Etwa weil die Sprache nicht als eine gesehen wird, "die einen vorwärtsbringt und mit der man Erfolg hat", sagt Vetter, die seit vielen Jahren zum Thema gefährdete Sprachen forscht. Eine Sprache werde dann als ausgestorben angenommen, "wenn die letzte sogenannte Muttersprachlerin, der letzte sogenannte Muttersprachler gestorben ist". Wobei es natürlich schwer sei, dies mit Sicherheit festzustellen – und Sprachen auch wiederbelebt werden könnten.

Für das Deutsche dürfte es aber gut aussehen, das Ende des Jahrhunderts zu erleben. Die Sprache sei institutionalisiert, groß und lebendig, so der Tenor unter den befragten Expertinnen und Experten.

Es gab jedoch bereits Spekulationen in eine andere Richtung, sagt der Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia: "Im März 1997 gab es in Mexiko City einen Kongress von Spanischlehrerinnen und Spanischlehrern, die sich über die Entwicklung der internationalen Sprachwelten ausgetauscht haben – und zu dem Schluss gekommen sind, dass im Jahr 2100 Deutsch und Französisch nur noch regionale Dialekte sein werden. Englisch, Spanisch, Arabisch, Hindi und Chinesisch würden die großen Sprachen sein und alle anderen den Status regionaler Dialekte haben." Er halte das aber "für ausgeschlossen", sagt der Experte und Co-Autor des Buches "Österreichisches Deutsch macht Schule". "Solange eine Sprache standardisiert ist, mit fixen Regeln, ist es unwahrscheinlich, dass daraus Dialekte werden."

2. These: Die Rolle des Deutschen in der Welt könnte an Bedeutung verlieren

Hannes Scheutz ist Germanistikprofessor an der Universität Salzburg und vermutet, "dass die Wichtigkeit des Deutschen abnehmen wird. Man sieht ja: Immer, wenn es um etwas geht, wird eine andere Sprache gesprochen."

Als eine mögliche Ursache nennt Scheutz eine "sehr geringe Sprachloyalität" der Deutschsprechenden. Kaum jemand sei stolz darauf, Deutsch zu sprechen. "Es gab in der Geschichte Zeiten, da dachte man, das Deutsche sei eine besonders schöne Sprache, eine tiefsinnige Sprache der Dichter und Denker. Davon ist heute keine Rede mehr", sagt Scheutz. Als schön angesehen würden eher das Französische, Italienische oder Spanische. "Und als Sprache, mit der man am weitesten kommt, das Englische."

Das Englische werde nicht nur als hilfreicher, sondern ebenso als trendiger oder cooler wahrgenommen. "Wir können alle beobachten, dass ganz simple deutsche Wörter durch englische Begriffe ersetzt werden." Beispiele seien etwa der "Support", das "Commitment" oder die "Location". Die deutsche Sprache werde es natürlich auch in hundert Jahren noch geben. "Aber ich sage ihr eine innere Erosion voraus", meint Scheutz.

Ein weiteres Indiz dafür sei, dass die Zahl der Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, weltweit abnehme. "Und in manchen 'besseren' Kreisen Deutschlands ist tatsächlich schon zu beobachten, dass zu Hause tatsächlich auf Englisch kommuniziert wird, weil das die Sprache der Zukunft sein wird."

Auch Jäger vermutet, dass die Rolle des Deutschen eher abnehmen und die Rolle des Englischen als Verkehrssprache zunehmen wird. "Bei Wissenschaftspublikationen ist der Trend schon eindeutig." Man publiziere auf Englisch, weil man gelesen werden möchte. Einige Fachleute seien sogar der Meinung, dass Englisch gar keine Fremdsprache mehr sei, weiß Sprachwissenschafterin Eva Vetter zu berichten. "Das Englische ist überall. Kinder und Jugendliche begegnen der Sprache im Unterschied zu Fremdsprachen auch außerhalb der Schule, täglich, ständig."

3. These: Weniger Menschen sprechen Dialekt, aber Dialekte verschwinden nicht ganz

Immer wieder gibt es Befürchtungen, dass Dialekte irgendwann gänzlich verschwinden könnten und die Jugend nur noch Bundesdeutsch spricht. Was ist davon zu halten? "Es stimmt, dass durch das Fernsehen ein Einfluss des bundesdeutschen Deutsch auf das österreichische Deutsch ausgeübt wird", sagt Sprachwissenschafter de Cillia. Dass dadurch der Dialekt ganz aussterben wird, hält er jedoch für unwahrscheinlich, denn: "Dialekte und Umgangssprache haben eine wichtige identitätsstiftende Funktion."

Im Austropop würden österreichische Dialekte aktuell sogar wiederaufleben. Auch auf Tiktok und Co würden Influencerinnen und Influencer in Dialekt oder Umgangssprache sprechen und damit Vorbilder für andere Jugendliche sein. In Österreich seien zudem die Übergänge vom Dialekt in die Standardsprache fließend und der Wechsel relativ leicht möglich. "Im Unterschied etwa zur Schweiz."

Für sehr wohl wahrscheinlich hält de Cillia aber, dass künftig weniger Menschen Dialekt sprechen werden. In Ostösterreich, in Wien und Umgebung sei das etwa schon der Fall. Dort sei die Alltagssprache schon viel stärker standardnah als in Vorarlberg, wo Dialekt – wie etwa auch in Tirol oder Kärnten, und generell im ländlichen Raum – noch sehr häufig verwendet werde.

Auch der Germanist Scheutz, der seit Jahrzehnten zu Dialekten des Alpenraums forscht, merkt diesen regionalen Unterschied. Insgesamt sei jedoch festzuhalten: "Dialekte gehen zurück." Der Forscher spricht sogar von "einer gewaltigen Erosion". So sei beispielsweise in den Kindergärten und Schulen der Stadt Salzburg häufig eine norddeutsch beeinflusste Standardsprache zu hören, das Österreichisch-Bairische gehe verloren. "Kinder sagen zum Beispiel 'Kannst du mal hochkommen?'" Auch das stimmhaft gesprochene s des Bundesdeutschen setze sich durch. Einen wichtigen Grund für diese Entwicklung sieht Scheutz im Medienkonsum, da in den meisten Kinderserien eine norddeutsch eingefärbte Sprachform vorherrsche.

Eltern geben den Dialekt auch nicht mehr unbedingt an ihre Kinder weiter, beobachtet Scheutz: "Sie wechseln die Sprachebene und reden mit dem Kind Standarddeutsch." Seine Vermutung: "Was jetzt die regional eingefärbte Umgangssprache ist, wird vielleicht in fünfzig oder hundert Jahren der Dialekt sein. Lokale Formen werden verschwinden und durch großräumige Formen ersetzt." Was neben dem Medienkonsum noch ein Grund dafür sein könnte, sei die gestiegene Mobilität: Viele Menschen würden nicht mehr ihr ganzes Leben lang an dem Ort leben bleiben, wo sie aufgewachsen sind. Sie ziehen um und passen sich sprachlich an.

Doch auch in Zukunft werde man noch österreichische Sprecherinnen und Sprecher unterscheiden können. "Man hört den Unterschied und wird ihn auch noch in hundert Jahren hören. Aber die Unterschiede werden sehr viel kleiner sein."

4. These: Sprachen werden zugleich einfacher und komplexer

Sprache wandelt sich stetig– so wie auch die Welt im Wandel begriffen ist, betonen die befragten Sprachexpertinnen und -experten. Wörter kommen dazu, die Grammatik verändert sich. Werden Sprachen insgesamt komplexer oder einfacher? "Beides passiert gleichzeitig", sagt der Linguist Gerhard Jäger.

Ein klarer Trend sei jedoch einer, der beim Englischen deutlich werde: "Wenn eine Sprache sehr stark in Kontakt ist, wenn Einwanderer hinzukommen, die die Sprache nicht als Muttersprache sprechen, sondern erst später erwerben, führt das zu einer Vereinfachung der Grammatik." In Großbritannien sei das vermutlich durch die Wikinger, die Normannen und später die Menschen aus den Kolonien, die in das Land kamen, der Fall gewesen. Für das Deutsche, das auch immer mehr Menschen als Zweitsprache erwerben, sei derselbe Trend denkbar.

Eine Entwicklung, die Jäger außerdem bemerkt: dass schwache Verben starke ablösen. Statt "buk" sagt man heute etwa "backte". Auch unregelmäßige Formen würden weniger. Kinder lernen die Konjugation in einem dreistufigen Prozess, erklärt Jäger: "Zuerst haben sie einen kleinen Wortschatz und machen alles richtig. Dann verstehen sie, dass es eine Regel gibt, und wenden sie durchgehend an – auch wo sie nicht hingehört. Sie sagen zum Beispiel 'Ich singte'." Erst in einem dritten Schritt würden sie lernen, dass es Ausnahmen gibt. "Dieser Schritt wird nicht immer vollzogen, wenn ein Verb selten verwendet wird."

Germanist Scheutz spricht von einem sogenannten Präteritumschwund – dem Rückgang der verbalen Präteritumformen ("ich ging") und deren Ersetzung durch Perfektformen ("ich bin gegangen"). Er habe dazu geführt, dass im gesamten süddeutschen Sprachgebiet in der Alltagssprache das Präteritum nicht mehr verwendet werde. Auch der Genitiv sei im Rückgang – er werde in der gesprochenen Sprache oftmals durch den Dativ ("wegen dem Nebel" statt "wegen des Nebels") oder durch Umschreibungen ersetzt ("das Haus von meinem Vater / meinem Vater sein Haus" statt "das Haus meines Vaters").

Schneller als die Grammatik verändert sich jedoch der Wortschatz. Kein Wunder, schließlich benötigen wir in einer im Wandel begriffenen Welt laufend neue Begriffe, sagt Sprachexpertin Eva Vetter. Anzunehmen sei, dass es künftig noch mehr Worte aus dem Englischen gibt. Dass der kollektive Wortschatz der Österreicherinnen und Österreicher wächst, will die Wissenschafterin jedoch nicht behaupten. Vor allem, weil auch immer wieder Worte aus dem Wortschatz verschwinden.

5. These: Die deutsche Sprache vermischt sich nicht mit anderen

Wien war immer schon mehrsprachig, hält Expertin Vetter fest. "Jetzt, durch die Migration, kommen mehr Sprachen als früher, von weiter her." Die Sprachen hätten auch viel eher die Chance, lebendig zu bleiben, weil die Menschen zu Verwandten in ihren Herkunftsländern Kontakt haben, etwa über Videotelefonie.

"Auch wenn jemand in der näheren Umgebung niemanden hätte, der oder die Farsi spricht, könnte diese Person ihre Sprache trotzdem täglich benutzen." Die Sprachen der Migrantinnen und Migranten seien zudem "präsenter, und deshalb ist auch davon auszugehen, dass sie irgendwann Spuren im Deutschen hinterlassen werden".

Dass es zu einer wirklichen Sprachmischung kommt, einer sogenannten Kreolisierung wie in den USA, glaubt Vetter jedoch nicht. Linguist Jäger sieht das ebenso: "Die Kreolisierung ist ein Prozess, der unter ganz besonderen sozialen Bedingungen stattfindet. "Es wurden zum Beispiel Sklaven aus verschiedenen Regionen auf engem Raum zusammengepfercht, mussten die Kolonialsprache lernen, und es entstand eine 'Pidgin-Sprache'. Die Kinder der Sklaven lernten diese Sprache dann als Muttersprache." Das sei beispielsweise auf Hawaii, in Südamerika und Ozeanien der Fall gewesen.

Wirkliche Sprachmischungen seien überhaupt sehr selten, meint der Experte. Eher gebe es in Sprachen "Lehnwörter" aus anderen. Zum Beispiel seien 60 Prozent der Wörter im Englischen aus dem Französischen, es sei aber dennoch eine "ganz klar germanische Sprache". Die Wörter, die am häufigsten gebraucht würden, seien germanischen Ursprungs, ebenso die Grammatik. "Die Sprache in ihrem Kern und ihrem Wesen ist davon also nicht berührt."

6. These: Mehr Menschen sind mehrsprachig

Durch Mobilität, Migration und dadurch, dass Kinder in internationale Familien geboren werden, ist davon auszugehen, dass künftig mehr Menschen mehrere Sprachen sprechen werden. "Die jetzt schon vorhandene Mehrsprachigkeit wird noch zunehmen", vermutet de Cillia.

In Österreich würden über 200 Sprachen gesprochen, etwa 70 wurden bei der letzten Volkszählung 2001 registriert. In den vergangenen Jahrzehnten habe es eine deutliche Aufwertung der Mehrsprachlichkeit gegeben – für de Cillia eine erfreuliche Entwicklung. Die bis vor einigen Jahrzehnten vorherrschende Meinung, dass es sogar schädlich sein könnte, mehrere Sprachen zu lernen, sei widerlegt. "Es wurde nachgewiesen, dass das menschliche Gehirn in der Lage ist, mehrere Sprachen auch gleichzeitig zu verarbeiten und zu lernen. Es gibt Kinder, die wachsen zwei- oder dreisprachig auf."

Mittlerweile werde Mehrsprachigkeit geschätzt und gefördert, auch in der Schule. Dort würden derzeit rund 25 Sprachen im sogenannten "muttersprachlichen Unterricht" gelehrt. "Jemand, der zu Hause Albanisch spricht, kann das auch in der Schule lernen", sagt der Sprachexperte. Die österreichische Bildungspolitik fördere die Mehrsprachigkeit.

Daneben gibt es aber noch einen zweiten Trend, wie Eva Vetter, die am Zentrum für Lehrerinnenbildung der Uni Wien tätig ist, erklärt: Das Lernen einer Sprache – etwa in der Schule – wurde offenbar im Laufe des vergangenen Jahrzehnts "weniger attraktiv". Der Europarat habe das bemerkt und vor rund einem Jahr eine Empfehlung zum Sprachenlernen herausgegeben. "Es waren ganz klare Worte, dass etwas dagegen getan werden muss, dass die Menschen glauben, dass Englisch genug ist", sagt Vetter. "Auch an den Schulen sieht man, dass die zweiten lebenden Fremdsprachen sehr unter Druck geraten sind."

7. These: Auch im Deutschen könnte es ein Pronomen für nicht-binäre Personen geben

In anderen Sprachen gibt es bereits etablierte Pronomen der dritten Person für non-binäre Personen. In den USA hat sich beispielsweise "they" bereits durchgesetzt. In Österreich benutzten nicht-binäre Personen sogenannte "Neopronomen" wie dey, hen, nin oder xier. Eine offizielle Lösung gibt es jedoch noch nicht.

Könnte es auch im Deutschen irgendwann ein anerkanntes Pronomen für nicht-binäre Personen geben? "Ja", vermutet Sprachwissenschafterin Eva Vetter. "Wir wachen ja diesbezüglich gerade erst auf, und die Sprache entwickelt sich zum Glück mit." Auch Experte Jäger hält das für möglich. "Sprache ist eine Konvention. Wenn genügend Menschen das wollen, wird sich das auch durchsetzen."

8. These: Es setzt sich keine Universalsprache durch

Alle Menschen auf der Welt verstehen einander, Sprachbarrieren sind womöglich passé und der Frieden gesichert: Die Argumente für eine Universalsprache sind überzeugend.

Die vom STANDARD befragten Fachleute halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass sich eine solche Universalsprache jemals durchsetzen wird. "Dafür müsste schon die Menschheit neu gegründet werden. Ansonsten ist es völlig undenkbar", sagt etwa die Sprachwissenschafterin Vetter. Eine Universalsprache wie etwa Esperanto wäre zudem nicht von allen gleichermaßen leicht lernbar: "Esperanto ist sehr stark in europäischen Sprachen verhaftet."

Bisherige Versuche, eine Universalsprache zu kreieren, seien gescheitert, gibt Experte de Cillia zu bedenken. "Das liegt daran, dass Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern eben auch identitätsstiftend." Esperanto sei sogar als literarische Sprache erfolgreich gewesen – dennoch setzte es sich nie durch. Auch andere Sprachen würden sich nicht als Universalsprache durchsetzen, weil jede Sprache ihre Besonderheiten habe. "Diese Vielfalt ist ein großer Reichtum." Zudem würden Kinder ab Geburt mit einer Sprache sozialisiert. "Eine Familie müsste also irgendwann die Erste sein, die ihren Kindern diese Kunstsprache als Erstsprache beibringt", sagt de Cillia.

Auch Linguist Jäger hält es für ausgeschlossen, dass die ganze Welt irgendwann dieselbe Muttersprache spricht. Selbst wenn weltweit eine Sprache eingeführt würde, würde diese sich anschließend ausdifferenzieren. Eher wahrscheinlich sei, dass große Sprachen wie Englisch oder Chinesisch zu einer Art universalen Zweitsprache werden.

9. These: Maschinen sprechen noch mehr mit uns

Maschinen werden immer besser darin, die Sprache des Menschen nachzuahmen. Chatbots wie Alexa, Siri oder Google Assistant sprechen mit uns und versuchen auf unsere Fragen und Wünsche einzugehen. "ChatGPT kann in perfektem Deutsch oder Englisch eine Konversation führen. Das ist also relativ ausgereift", sagt Linguist Jäger. Künstliche Intelligenz könne den Wortschatz und die Grammatik – am Verständnis mangle es ihr aktuell jedoch noch.

Auch sonderlich viel Empathie für ihr Gegenüber kann die künstliche Intelligenz derzeit noch nicht aufbringen. Womöglich könnte es diese Eigenschaften aber noch lernen oder zumindest nachahmen. "Wie unser Gehirn funktioniert, ist zwar kompliziert, aber keine Magie. Früher oder später müsste es Modelle geben, die in der Lage sind, genau das zu tun", sagte der Informatikprofessor Siegfried Handschuh dem STANDARD. Und der Chatbot-Entwickler Brian Christian sagt in der "Zeit": "Wenn ich in die Zukunft blicke, könnte es einen Chatbot geben, der es schafft, genug kontextuelles Verständnis einer Person zu entwickeln, um auf eine zutiefst persönliche Art und Weise zu antworten." Sogar ein möglicher Einsatz der KI in der Psychotherapie wird daher schon diskutiert – wobei Fachleute vor den Risiken warnen.

Dass es in naher Zukunft tatsächlich zu einem Szenario wie in dem Film "Her" kommt, scheint eher ausgeschlossen. Darin spricht Joaquin Phoenix Tag und Nacht mit einem Betriebssystem – und es antwortet so lebensecht und liebevoll, dass er sich sogar in das System verliebt. (Lisa Breit, 4.3.2023)