Die von Georg Dienz für eine Sonderausstellung anlässlich des 750-Jahr-Jubiläums von Kitzbühel geschaffenen Parodien auf Werke Alfons Waldes waren im Museum vor Ort zu sehen.

Foto: West. Fotostudio

Von der Natur modellierte Landschaften, in denen Almhütten oder Berghöfe hocken, die von der Last des Schnees förmlich zerquetscht wirken. Vereinzelt durchpflügen Skifahrer oder Tourengeher verschneite Hänge, aus denen Baumwipfel lugen. Im Sommer dann sattgrüne Wiesen und Blumentröge, aus denen kreischrote Geranien quellen. Oder das Auracher Kirchl als dörfliches Zentrum für fromme Kirchgänger, in Festtagstracht justiert oder im Alltagsgewand, bisweilen beim Tratsch auf dem Marktplatz beobachtet. Im Hintergrund erheben sich Bergketten, darüber ein Streifen Himmelblau, vom Azur ins Indigo changierend.

Willkommen in Alfons Waldes stereotyper und charakteristischer Motivwelt, mit der er die Entwicklung des Tourismus in Tirol nach dem Ersten Weltkrieg begleitete und das Bild der lokalen Berglandschaft und von Kitzbühel als Wintersportort prägte: Teilweise mit Werbeplakaten oder unzähligen Fassungen der erwähnten Darstellungen, die er in seinem eigenen Verlag als Kunstdrucke vermarktete oder für vermögende Touristen als Souvenirs schuf.

Das berühmte Auracher Kirchl findet sich in zahlreichen Bildern von Alfons Walde. Bei Georg Dienz wich die einst freie Wiesenfläche einer Gondelbahnstation und einem Parkplatz.
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Waldes Kommerzialisierung

Mit seiner seriellen Produktion betrieb Walde eine Kommerzialisierung seines Schaffens, die der Beliebtheit seiner Werke jedoch keinen Abbruch tat. Im Gegenteil, wie die in der Auktionsbranche und im Kunsthandel seit einigen Jahren geläufigen Kaufpreise in fünf bis sechsstelligen Eurobeträgen belegen. Der Auktionsrekord liegt derzeit bei 965.300 Euro, die eine der Fassungen des Motivs Der Aufstieg (der Schifahrer) im Juni 2021 im Dorotheum erzielte.

Geschuldet ist die ungebrochene Popularität seiner Werke auf dem Kunstmarkt vor allem dem hohen Wiedererkennungswert der Marke Walde und ihrem bekömmlichen Postkartenstil. Aus gegenwärtiger Sicht haftet seinem typischen "Tyrol"-Repertoire freilich eine Nostalgie an, die mit der Realität nicht mehr in Einklang steht. Stichwort Klimawandel oder auch Overtourism.

Kunstbüheler Idylle

Exakt daran knüpfte der 1964 in Innsbruck geborene und in Berlin lebende Künstler Georg Dienz mit einer Werkgruppe an, die er speziell für eine Ausstellung anlässlich des 750-jährigen Jubiläums von Kitzbühel schuf, die von Oktober 2021 bis April 2022 im Museum vor Ort stattfand. Unter dem Titel Kunstbühel hatten dort insgesamt elf Künstlerinnen und Künstler Arbeiten präsentiert, die expliziten Bezug zur Stadt und zu ihrer Umgebung nahmen. Bei jenen von Dienz handelte es sich um neun kleinformatige Gemälde, für die er aus der Perspektive der Gegenwart typische Walde-Motive nicht nur adaptierte, sondern gezielt persiflierte.

Waldes verschneite Berghänge sind längst eine Ausnahme geworden. Zur neuen "Idylle" gehören Schneekanonen, wie Georg Dienz hier dokumentiert.
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Folglich flankieren hier Schneekanonen eine für die Wintertouristen präparierte Abfahrt; statt Menschen in Tracht tummeln sich nun solche im Jet-Set-Look in den von Autos gesäumten Gassen; hinter dem Auracher Kirchl wichen Wiesengründe einer Gondelbahnstation samt überfülltem Parkplatz; der Holzknecht trägt keinen Lodenhut, sondern ein Basecap von Red Bull, und der junge Bergbauer fährt eine Harley statt eines Holzschlittens.

Walde-Enkel fordert Entschädigung & Vernichtung

Zeitgenössische Parodien also, die für den Absolventen der Meisterklasse von Maria Lassnig an der Hochschule für angewandte Kunst nun ein Nachspiel haben. Konkret erhielt Dienz Mitte Jänner ein Anwaltsschreiben, in dem ihm "Nachschöpfungen" von "urheberrechtlich geschützten Originalwerken" und davon abgeleitet weitere Rechtsverletzungen vorgeworfen werden. Denn selbst "die Kopie von Teilen eines Werkes" sei "nicht ohne die Zustimmung" des Rechteinhabers zulässig, wie es in dem Schreiben heißt. Kurz und gut, es handle sich "um Plagiate" und die "betreffenden Nutzungen" seien als "Urheberrechtsverletzungen" zu bewerten, aus denen diverse Ansprüche, etwa auch auf Schadensersatz, resultieren.

Namens des Mandanten, dem Kunstverlag Alfons Walde, unterbreitete man "zur raschen und ökonomischen Erledigung der Angelegenheit" ein "Vergleichsangebot": Dieses sah neben der Zahlung eines einmaligen Betrages von 8000 Euro etwa die "Übersendung der Plagiate" wohl zum Zwecke der Vernichtung vor.

Die Begegnung zweier Dorfbewohnerinnen in ihrer typischen Tracht variierte Walde mehrfach. Dienz lieferte mit seiner Persiflage eine zeitgenössische Variante.
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Urheberrecht für Parodie

Alfred Noll, der Anwalt von Georg Dienz, sieht etwaige Ansprüche nicht berechtigt. Denn es handle sich bei jedem Einzelnen der Werke um eine Parodie, die eine "Benutzung fremder Werke zulässig" mache. Und gerade weil die "kritische Kommentierung der Ski-Tourismus-Verhältnisse" trotz "eines motivischen Zusammenhangs mit Werken von Walde" im Vordergrund stünde, käme "diesen Freischöpfungen ein eigenständiges Urheberrecht" zu. Für solche Parodien bedarf es folglich keiner Einwilligung des Urhebers des benützten Werkes.

Die Gegenseite beharrt auf ihrem Standpunkt, zumal Elemente der Originalwerke "nahezu identisch übernommen" und "lediglich durch minimale Adaptierungen bearbeitet" worden seien. Die Forderungen wurden zwischenzeitlich auf 4000 Euro reduziert, sofern Dienz "ab sofort" und bis auf weiteres die Nutzung seiner "Nachschöpfungen" unterlässt, womit ihm sogar der Verkauf seiner eigenen Bilder verwehrt bliebe.

Warum Michael Berger, Enkel von Alfons Walde und Inhaber des Kunstverlags, tatsächlich gegen diese Werkgruppe von Georg Dienz vorgeht? Sein Großvater habe Einmaliges geschaffen, das er vor Missbrauch schützen müsse. Er orte hier eine Verunglimpfung, durch die das Image Alfons Waldes Schaden nehmen könnte, wie er im Gespräch betont. (Olga Kronsteiner, 25.2.2023)