Edvard Munchs "Tanz am Strand" ist das einzige noch in Privatbesitz befindliche Großformat aus dem für die Kammerspiele (Berlin) 1906-07 geschaffenen Reinhardt-Fries.

Foto: Sotheby’s

Am 1. März 2023 gelangt bei Sotheby’s London im Zuge des Evening Sales ein hochdotiertes Kunstwerk zur Auktion, das im Zusammenhang mit Max Reinhardts einst in Berlin aufgebautem Theaterimperium steht. Konkret mit den Kammerspielen in Berlin, für die der Mitbegründer der Salzburger Festspiele 1906 Edvard Munch mit der Ausgestaltung des Festsaals im Obergeschoß beauftragte: eine immersive Inszenierung, bei der Besucherinnen und Besucher des Theaters vollständig in die Welt des norwegischen Künstlers eintauchen sollten.

Ergebnis dieses Auftrags waren zwölf monumentale Gemälde, in denen sich Munch motivisch wie schon zuvor im Lebensfries mit der "Dichtung über Leben, Liebe und Tod" befasste. Der auch als Reinhardt-Fries geläufige Zyklus blieb jedoch nur bis zum Umbau des Saales 1912 in der ursprünglich vollständigen Form. Danach wurden die in Tempera auf ungrundierter Leinwand geschaffenen Werke über den Kunsthändler Fritz Gurlitt verkauft.

Einziges in Privatbesitz

Neun der zwölf Bilder befinden sich gegenwärtig in der Sammlung der Neuen Nationalgalerie Berlin, je eines in den Beständen des Essener Museums Folkwang sowie der Hamburger Kunsthalle. Ein einziges Gemälde war bislang in Privatbesitz verblieben: das gut vier Meter breite Tanz am Strand, eines von drei Bildern der Serie, die in die Sammlung des Kunsthistorikers Curt Glaser gelangten, wie dieser 1916 in einem Brief an Munch berichtete. Er hatte den Künstler 1913 auf einer Reise nach Norwegen kennengelernt und wurde zu einem wichtigen Förderer und Freund, der 1917 auch die erste deutsche Monografie über Munch veröffentlichte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Glaser seines Amtes als Direktor der Kunstbibliothek Berlin abberufen und musste schließlich fliehen, zuerst in die Schweiz und später über Kuba in die USA.

Der Schiffseigner Thomas (Frederik) Olsen sammelte Werke von Munch. Das aus der Sammlung Glaser stammende Bild ("Tanz am Strand") zierte einige Monate die Raucherlounge eines seiner Passagierschiffe.
Foto: Sotheby’s

Restitutionsvergleich

Den Großteil seiner Kunstsammlung hatte er zuvor verkaufen müssen. Darunter auch das Bild Tanz am Strand, das zunächst 1933 in Berlin und ein Jahr später in Oslo versteigert wurde. 1938 gelangte das Werk in die Sammlung von Thomas (Frederik) Olsen, einem Freund und Nachbar Munchs, der sich auch um jene Werke des Künstlers bemühte, die als "entartet" von deutschen Museen enteignet worden waren. Der norwegische Schiffseigner besaß nicht weniger als 30 Werke Munchs, die er während der deutschen Invasion in einer Scheune versteckte: Davor schmückte Tanz am Strand von Jänner bis September 1939 die Raucherlounge eines seiner Passagierschiffe, das schließlich im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Im Zuge eines Restitutionsvergleichs zwischen den Erben nach Glaser und dem gegenwärtigen Besitzer wird das Gemälde nun versteigert. Die Erwartungen beziffert Sotheby’s mit bis zu 20 Millionen Pfund oder umgerechnet 22 Millionen Euro. (Olga Kronsteiner, 24.2.2023)