Hans Peter Trost, langjähriger Sportchef des ORF, geht in Pension.

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Wien – Er war jahrelang der Jongleur eines Millionenbudgets – nach eigenen Angaben zwischen 70 und 80 Millionen Euro pro Jahr –, jetzt geht er in Pension: ORF-Sportchef Hans Peter Trost zieht im Interview Bilanz über seine Jahre an der Spitze der größten Sportredaktion des Landes. "Frauenfußball sollte einen noch höheren Stellenwert haben", sagt Trost zum Abschied.

STANDARD: Sie gehen in einer heißen Phase für den ORF in Pension. Im Zuge des Sparpaktes soll ORF Sport Plus als lineares Programm eingestellt werden. Der Protest ist groß. Wie sehen Sie das Aus?

Trost: Einen Zuruf von der Tribüne braucht niemand. Ich kann über die Vergangenheit reden, die Zukunft gestalte ich nicht mit, deswegen werde ich mich dazu auch nicht äußern.

STANDARD: Auch nicht, ob es Ihnen leidtut oder nicht?

Trost: Na ja, leidtut. Im Endeffekt ist es so, dass der Sport selbstverständlich Sendeflächen braucht, um dargestellt zu werden. Wie man das löst, wird man sehen. Dass es neue Zeiten gibt, Stichwort Digitalisierung, bleibt ja niemandem verborgen. Da wird man sehen, was das neue ORF-Gesetz bringt. Zurzeit ist es ja schwierig, etwas digital zu streamen, das man nicht zu 30 Prozent linear am Kanal hatte.

STANDARD: Ein Teil der Sportarten, die auf Sport Plus zu sehen sind, soll in Richtung ORF 1 transferiert werden. Fänden Sie das gut?

Trost: Ich finde alles gut, wo Sport sichtbar wird. Egal, wo.

STANDARD: Manche Zuseherinnen und Zuseher kritisieren, dass jetzt schon zu viel Sport im ORF zu sehen ist.

Trost: Der Sport bespielt 16 Prozent der Sendefläche von ORF 1, generiert aber über 40 Prozent Nutzung. Klar: Viele werden sagen, es ist zu viel Sport. Es wird aber konsumiert, und somit finde ich es in Ordnung, dass man es zeigt.

STANDARD: Und die US-Serien, die dafür aus dem Nachmittagsprogramm von ORF 1 geräumt werden könnten, dürfte kaum jemand vermissen.

Trost: Ich schaue sie nicht.

STANDARD: In den letzten Jahren wurde der Kampf um die Sportrechte immer härter. Der ORF schaut bei der Champions League, der Europa League und der Conference League durch die Finger. Muss man sich vom europäischen Klubfußball verabschieden, weil sich das finanziell einfach nicht mehr ausgeht?

Trost: Es ist so, dass sich das finanziell nicht ausgeht und dass das unglaubliche Kosten erzeugt. Wenn man sich ansieht, dass sogar Servus TV beim nächsten Zyklus die Champions League verloren hat, obwohl viel Geld für Sportrechte da ist, dann weiß man, was los ist. Der Kampf um die Sportrechte wird noch schwieriger werden, und man muss froh sein, wenn man die Dinge sichern kann, die man hat.

STANDARD: Haben Sie überhaupt mitgeboten für die kommende Champions-League-Saison?

Trost: Nein, das ist für uns nicht mehr darstellbar gewesen. Wir haben kein Gebot abgegeben.

STANDARD: Maximal Europa League, die ja bei Puls 4 gelandet ist?

Trost: Wir haben auch da kein Gebot abgegeben. Das ist nicht mehr machbar. Auch das ist Teil des fortlaufenden Sparkurses.

STANDARD: Mit Canal Plus ist ein neuer Player am österreichischen Markt, der Servus TV bei den Rechten für die Champions League ausgestochen hat. Da kann ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht mehr mit?

Trost: Ja, dann gibt es die Telekom und so weiter. Sie brauchen nur nach Deutschland schauen mit der Fußball-Europameisterschaft 2024. Die Telekom hat die Rechte sublizenziert, dann haben drei Sender die Spiele im Free TV – RTL, ARD und ZDF. Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass man alles haben kann.

STANDARD: Tut Ihnen diese Entwicklung als langjähriger Sportchef weh?

Trost: Das ist keine Frage von Wehtun, das ist die Realität. Es wäre angenehm, wenn man alles hätte, das ist aber unrealistisch.

STANDARD: Verstehen Sie die Diskussion, dass einige Leute sagen, der ORF erwirbt die Rechte für die Formel 1, spart aber auf der anderen Seite bei Sport Plus?

Trost: Natürlich verstehe ich das. Man kann über alles diskutieren. Nur muss man sich auch ansehen, was konsumiert wird. Und die Formel 1 wird extrem gut konsumiert. Das passt.

STANDARD: Und der Paarlauf mit Servus TV funktioniert, dass die Rechte geteilt werden?

Trost: Ja, und das ist auch die Zukunft. Es ist eine sehr gute Zusammenarbeit.

STANDARD: Von der Rivalität hat man sich längst verabschiedet?

Trost: Rivalität in Österreich auf dem kleinen Markt? Man muss schauen, dass man kooperiert. Das war immer mein Zugang.

STANDARD: Servus TV hat mit Steffen Freund und Jan Åge Fjørtoft zwei Analytiker, die sehr dynamisch daherkommen. Hinkt da der ORF hinterher, oder sind Sie zufrieden?

Trost: Mit der Vergangenheit bin ich zufrieden, Änderungen kann man immer machen, aber das überlasse ich der neuen Sportführung.

STANDARD: Aber wenn es nach Ihnen als Konsument geht: Soll Herbert Prohaska auf Lebenszeit bleiben?

Trost: Herbert Prohaska ist Kult. Das ist schon die Antwort.

STANDARD: Der Job als ORF-Sportchef ist ein begehrter, wenn man sich die Liste der Bewerberinnen und Bewerber vor Augen führt. Sowohl intern als auch extern. Was macht den Reiz aus?

Trost: Dass man gestalten kann. Als Beispiel nenne ich jetzt den Frauenfußball, den wir sehr gefördert haben. Im Jahr 2017 hat abgesehen von uns noch niemand daran geglaubt. Das hat super funktioniert, und jetzt hat die Liga einen Ligasponsor durch die Übertragungen der Spiele. Neben dem Gestalten ist das Programmmachen für die Zuseherinnen und Zuseher – immer im Austausch – das Reizvolle. Wir haben regelmäßig Publikumsgespräche, um zu wissen, was wir verbessern können. Wir haben über 70 Sportarten übertragen, diese Dynamik ist toll.

STANDARD: Sie haben immer gesagt, es sei Ihr Ziel, den Frauenfußball zu fördern. Ist das in ausreichendem Maße gelungen, oder wäre noch mehr gegangen?

Trost: Mehr kann immer gehen. Bis jetzt sind wir aber gut unterwegs.

STANDARD: Hat der Frauenfußball bereits den Stellenwert, den er verdient?

Trost: Nein, Frauenfußball sollte einen noch höheren Stellenwert haben. Das ist aber meine Meinung.

STANDARD: Indem mehr Bundesligaspiele oder Europacupspiele übertragen werden?

Trost: Man muss in allen Bereichen ansetzen. Die Infrastruktur muss sich verbessern. Dadurch werden die Spiele auch optisch attraktiver, wenn man sie überträgt. Da ist noch einiges zu tun.

STANDARD: Die Fußball-WM in Katar war Ihr letztes Großevent im Fußball als Sportchef. Ist die aus Ihrer Sicht gut über die Bühne gegangen?

Trost: Die Befürchtung, dass weniger zusehen, ist nicht so schlimm eingetroffen. Wir haben versucht, mit allen unseren Sendegefäßen – etwa den Magazinen, den "ZiBs", aber auch im Sport – es kritisch von allen Seiten zu beleuchten. Auf der einen Seite der Sport und auf der anderen Seite die Situation rund um die Menschenrechte.

STANDARD: Aber im Vergleich zur Weltmeisterschaft in Russland 2018 waren es dann doch um einiges weniger Zuseherinnen und Zuseher.

Trost: Klar, das ist der Situation geschuldet, dass es im Winter ist und nicht im Sommer und so weiter. Das waren andere Rahmenbedingungen. Man kann das nicht immer vergleichen.

STANDARD: Gab es viele kritische Stimmen in Richtung ORF, die einen Boykott gefordert haben?

Trost: Na ja, boykottieren. Wenn man das kauft, muss man sparsam umgehen und kann nicht sagen: Wir haben es gekauft, jetzt boykottieren wir es. Das ist im Sinne einer sorgsamen Gebarung mit Gebührengeldern nicht möglich. Der Boykott bringt nichts. Wenn man sich das aus allen Blickwinkeln kritisch anschaut, dann ist das gut gelöst.

STANDARD: Ob Rainer Pariasek oder Oliver Polzer: Die derzeitige ORF-Moderatoren- und -Kommentatorenriege polarisiert und bekommt immer wieder Kritik ab. Können Sie das nachvollziehen?

Trost: Kritik gibt es immer, aber unsere Analysen und Befragungen ergeben ein Bild, dass wir mit den Leistungen zufrieden sein können. An sich arbeiten kann man immer.

STANDARD: Peter Brunner hat kürzlich viel Häme abbekommen, als er eine Aussage von Mikaela Shiffrin falsch übersetzt hat.

Trost: Es ist der Zeit geschuldet, dass das so ist. Man muss auch bedenken, in welcher Situation übersetzt er das, wo sitzt er, hat er überhaupt alles gehört in seiner Kabine? Er hat es aber gut gelöst und sich entschuldigt. Fehler passieren, wir sind Gott sei Dank keine Herzchirurgen.

STANDARD: Apropos Herz: Die Szene mit Christian Eriksen, als der dänische Nationalspieler bei der Fußball-EM zusammengebrochen ist, wird wahrscheinlich in Erinnerung bleiben.

Trost: Das war schon ein besonderer Moment. Journalistisch geht es um die Tatsache, mit welcher Nähe oder Distanz du das zeigst, und wie kannst du das berichten. Es hat auch Kritik gegeben, wir hätten da nicht wegschalten sollen, aber ich glaube, das haben unsere Kommentatorin (Anna-Theresa Lallitsch, Anm.) und Alina Zellhofer und Helge Payer im Studio gut gelöst.

STANDARD: Gibt es noch etwas, das Sie besonders berührt hat?

Trost: Nein, aber wenn wir bei der Kritik sind: Die Sambatänzerinnen im Studio hätten wir uns sparen können (bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien, Anm.). So etwas ist nicht mehr zeitgemäß, das macht man nicht.

ORF-Moderator Bernhard Stöhr, flankiert von Sambatänzerinnen. Die Inszenierung der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien sorgte für heftige Kritik.
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STANDARD: Wie hat es bei Ihnen mit Interventionen ausgeschaut? Sport ist ja auch politisch.

Trost: Sport ist sehr politisch, das unterschätzen alle. Interventionen sind das, was man daraus macht. Dass Politiker, Sportler oder Funktionäre anrufen und Kritik üben, ist ja völlig legitim. Die Frage ist, wie man damit umgeht.

STANDARD: Wie sind Sie damit umgegangen?

Trost: Sehr transparent. Wenn die Kritik berechtigt war, haben wir uns angeschaut, ob wir einen Fehler gemacht haben oder nicht. Sonst haben wir das einfach nicht gemacht. Es waren nicht unbedingt aktive Sportlerinnen oder Sportler, sondern eher Funktionäre, die angerufen haben.

STANDARD: Heinz-Christian Strache war ja Sportminister. Gibt es auch Chats zwischen Ihnen und Strache wie zum Beispiel mit dem ehemaligen TV-Chefredakteur Matthias Schrom?

Trost: Nein, ich habe mit ihm korrekt telefoniert und umgekehrt. Ich habe gar nichts.

STANDARD: Hat sich Strache oft aufgeregt?

Trost: Nein.

STANDARD: Was sagen Sie zum Zustand des österreichischen Sportjournalismus?

Trost: Es gibt sehr wenige Jobs in Österreich. Positiv ist, dass immer mehr Frauen diesen herrlichen Beruf ausüben. Wir haben im ORF die Frauen gefördert, wo es nur gegangen ist. Vor der Kamera und hinter der Kamera. Ich bin guter Dinge, dass es in Zukunft noch mehr tolle Sportjournalistinnen geben wird. Sehr viele Junge drängen in diesen Job, das ist sehr gut.

STANDARD: Wie ist denn die Frauenquote in der ORF-Sportredaktion?

Trost: Als ich angefangen habe, lag sie bei 14 Prozent. Jetzt haben wir fast 40 Prozent. Es sind nicht alle sichtbar, wichtig ist auch, dass in der Regie, der Regieassistenz und in Leitungsfunktionen Frauen tätig sind. (Oliver Mark, 1.3.2023)