Die Kunst der Kartografie wird an Felsen im Gebirge sichtbar. Feine Striche und zarte Schattierungen versuchen individuelle Eigenheiten unwegsamen Geländes wiederzugeben. Es ist eine Disziplin, die Freytag & Berndt perfektionierte.

Der traditionsreiche Wiener Fachverlag weist Bergsteigern den Weg durch die Alpen. Polarforscher forsten in seinen Archiven nach seltenen Karten über die Arktis. Weltenbummler verlieren sich in seinen Plänen über die alte Seidenstraße. Radler markieren darauf ihre Routen vom Nordkap bis Sizilien. Schüler lernen anhand seiner Atlanten Geografie. Kaum ein Städtetourist hat sich noch nicht darin geübt, die riesigen Pläne im Kampf gegen Wind und Wetter richtig zusammenzufalten.

Freytag & Berndt übt sich seit mehr als 250 Jahren in der Kunst der Kartografie.
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Seit mehr als 250 Jahren hilft Freytag & Berndt dabei, sich in Stadt, Land und Bergen zurechtzufinden. Seit die Corona-Pandemie den Markt für Reisebücher pulverisierte und teure Energie die Papierpreise in lichte Höhen trieb, sucht das Unternehmen selbst Orientierung. Und Mehrheitseigentümer Paul Swarovski überlegt den Verkauf, erfuhr DER STANDARD.

Paul Swarovski sucht Käufer

Swarovski war einst mächtiger Manager im gleichnamigen Tiroler Kristallkonzern, bis er sich mit dem Rest des Familienclans hart überwarf und in einen bunten Mix an Beteiligungen investierte, bis hin zu einem Weingut. Seit vielen Jahren hält er 58 Prozent der Anteile an Freytag & Berndt. 31 Prozent der Anteile sind in Hand der Akademie der Wissenschaften.

Nun würde er den Verlag gerne um kolportierte rund vier Millionen Euro veräußern. Eine Summe, die potenzielle Interessenten angesichts der anhaltenden Verluste des Traditionsbetriebs in Österreich in Zeiten wie diesen für illusorisch halten.

Swarovski sieht es bei Freytag & Berndt vor allem an Liquidität fehlen. Zu stark sind die Kosten für Verlage gestiegen. Preise für den Druck haben sich in einzelnen Segmenten innerhalb kurzer Zeit verdoppelt. Derzeit versuche das Unternehmen wie viele andere in seiner Branche, das Ruder herumzureißen, ist intern zu hören.

"Wir spüren die Kostenexplosion an allen Ecken und Enden", sagt Carl Rauch, der seit drei Jahren die Geschäfte führt, im Gespräch mit dem STANDARD. Vom Papier über den Druck bis zu Personal und Logistik sei man mit erheblichen Belastungen konfrontiert. Die Margen im Geschäft mit Karten wie Büchern sind gering. 2022 verteuerten sich Bücher im Schnitt um nur 1,6 Prozent. Das ist weit unter der Inflationsrate. Die Preise für Karten stiegen von 9,90 auf 11,90 Euro. Freytag & Berndt habe den Umsatz seit 2019 von knapp acht auf zehn Millionen Euro ausgebaut, zieht Rauch Bilanz. "Aber es bleibt nicht viel übrig."

Von der Krise nicht erholt

Das Wort Sanierung will er nicht in den Mund nehmen. Dass Freytag & Berndt Kapazitäten reduzieren müsse, räumt er aber offen ein. Das Geschäft in der Wallnerstraße im Herzen Wiens bleibt bestehen. Fast eine Dekade ist es her, dass die Filiale nach 239 Jahren angesichts immens hoher Mieten vom nahen Kohlmarkt in die Seitengasse übersiedelte. Geschlossen wurden Anfang Februar jedoch die Reisebuchhandlungen in Nürnberg und Regensburg. Beide Standorte hätten sich von der Corona-Krise nicht erholt, sagt Rauch.

In Wien muss ein Teil der Kartografen gehen, denn der Markt für viele papierene Karten verliert seit Jahren an Gewicht. Der Wanderboom während der Lockdowns konnte den Rückgang nur kurzzeitig bremsen.

Freytag & Berndt zählt in Wien 65 Mitarbeiter. Rauch zufolge sind weniger als zehn Prozent vom Sparkurs betroffen. Europaweit beschäftigt er 110 Mitarbeiter. Umgebaut wird auch in anderen Ländern: Außendienste in Ungarn und Tschechien waren nicht mehr kostendeckend. An ihre Stelle treten Vertriebskooperationen und Onlineverkauf. "Nicht in Stein gemeißelt, aber bis auf weiteres erhalten" bleibe eine Tochter in Spanien, sagt Rauch. Dasselbe gelte für Shocart, Tschechiens größten Wanderkartenhersteller. Nach wie vor gut unterwegs sei der deutsche Bergverlag Rother.

Wo einst Stadtpläne gezückt wurden, wird nun zum Handy gegriffen. Wanderer und Radler lassen sich von GPS-Geräten durch die Natur lotsen. Wird ihre Liebe zu Papier gänzlich erlöschen?
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Familie Artaria schuf 1770 den ersten Firmensitz. 1879 wurde der Kartenverlag Freytag & Berndt gegründet. 1920 schlossen sich beide Unternehmen zusammen. Seither sind die Wiener als Verleger, Händler und Auslieferer für viele andere Verlage wie Lonely Planet und Michael Müller eine fixe Größe auf dem Buchmarkt.

Später Sprung in Digitalisierung

Zu schaffen macht Freytag & Berndt der späte Sprung in die Digitalisierung. Seit drei Jahren werde nun jedoch intensiv in digitale Transformation investiert, etwa in die Entwicklung von Geodaten für Apps, betont Rauch. Ankurbeln will er mit Blick auf die USA den Export in die weite Welt.

Die Marktbereinigung schwäche kleine nationale Verlage. Freytag & Berndt könne hier Lücken füllen. "Im deutschsprachigen Raum wuchsen unsere Marktanteile seit 2012 von fünf auf 14 Prozent."

Wo einst ein Stadtplan gezückt wurde, wird mittlerweile aber zum Handy gegriffen. Wanderer und Radler lassen sich von GPS-Geräten durch die Natur lotsen. Wird ihre Liebe zu Papier gänzlich erlöschen?

"Bei aller Lustigkeit der digitalen Welt – vielen ist sie zu komplex, die meisten reisen auch analog", ist Helmut Zechner, Vorsitzender des Buchhändlerverbands, überzeugt. Dass Corona den Markt für Reisebücher schwer beschädigt habe, liege auf der Hand. Karten jedoch seien längst nicht aus der Zeit gefallen. Zechner erinnert an Städte wie Venedig mit ihren engen Gasserln und ihrem miesen Handyempfang. "Mit dem guten alten Stadtplan ist man hier immer noch am besten unterwegs." (Verena Kainrath, 24.2.2023)