Für Experte Toni Innauer war der Normalschanzenbewerb der WM in Planica trotz der Windlotterie nicht unfair.

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Im Mixed-Bewerb der Weltmeisterschaft zu Planica wirkte Toni Innauer am Sonntagabend zum letzten Mal als Skisprung-Experte für das ZDF. Die ganze Erfahrung des Olympiasiegers war gefragt.

STANDARD: Sie beenden Ihre Tätigkeit beim ZDF vor Saisonende. Warum?

Innauer: Wir haben schon im Sommer ausgemacht, dass ich bei der WM in Planica aussteige. Ich wollte das gar nicht so lange machen. So bis zu meinem 60er hatten wir es konzipiert. Es waren jetzt doch zwölf Jahre, und ich war mit der Entwicklung sehr zufrieden. Aber es ist irgendwie ausgelebt. Und bevor ich die Begeisterung völlig verliere, lasse ich es gut sein und sage, dass sich junge Kräfte reinhauen und das hoffentlich gut und mit Begeisterung machen. Severin Freund folgt mir nach.

STANDARD: Haben Sie Planica genossen?

Innauer: Das war jetzt eine schöne Abrundung. Ich konnte noch einmal aus dem Vollen meiner Erfahrung schöpfen, ich habe ein bisschen reden gelernt im Lauf der Jahre und konnte den Sport begleiten und darstellen, wie es ihm gebührt. In Deutschland war das auf eine sachliche und hintergründige Art gut möglich. Das hat mir viel Spaß gemacht.

STANDARD: Was folgt?

Innauer: Ein bisschen mehr Freizeit, vor allem aber Winterzeit, die ich mir spare. Da hat mir die Tätigkeit für das ZDF das Programm sehr bestimmt. Aber wir haben ja die Agentur Innauer + (f)acts, wir sind da im Wintersport tätig, betreuen den einen oder anderen Sportler, den Rodelverband, machen Sponsoring bei den Finnen und betreuen Firmen wie Hargassner, den Sponsor im österreichischen Skispringen. Wir sind eigentlich die einzige offiziell lizensierte Agentur des österreichischen Skiverbands. Dann gibt es auch noch ein Start-up, mit dem ich viel Freude habe, Saphenus Medical Technology. Da geht es um die Bekämpfung von Phantomschmerz, um ein medizintechnisches Gerät, das über Druckmesssohlen die Reizinformationen kabellos aus dem Oberschenkel über den Nerv ins Hirn überträgt und ihm etwas zu arbeiten gibt, damit es nicht fieberhaft irgendetwas sucht, das durch die Amputation nicht mehr da ist.

STANDARD: Wird man Sie wieder im Skiweltcup sehen?

Innauer: Wenn der Skiweltcup wieder anfängt, werde ich wahrscheinlich woanders sein, wo es wärmer ist als in Kuusamo.

STANDARD: Da wäre es gut, wenn Sie via TV mit dabei sein könnten. Zumindest per ORF Sport Plus könnte das bald nicht mehr gehen. Was sagen Sie zur geplanten Einstellung?

Innauer: Ich bin natürlich entsetzt, weil das ein Alleinstellungsmerkmal des österreichischen Fernsehens ist. Wir beim ZDF sind zum Beispiel beim Normalschanzenbewerb, der sich wegen der Windprobleme verzögert hat, vor den letzten sechs Springern ausgestiegen, weil die "Heute"-Sendung fällig war. Wir konnten nur auf den hauseigenen Livestream verweisen. Dann schalten aber die Leute auf einen anderen Sender um, weil die meisten nicht so fit sind, schnell in den Computer einzusteigen und rechtzeitig hineinzufinden. Im ORF kann man in so einem Fall auf Sport Plus umschalten. Da sieht man, was dieser Sender nicht nur für Nebensportarten bedeutet. Für die ist er ja ohnehin überlebenswichtig. Die brauchen die TV-Präsenz. Ich bin ja ein Fan von nichtkommerziellen Sportarten, da schaue ich viele gerne, zum Beispiel Tischtennis. Das sehe ich nicht in ORF 1. Das ist auch Kultur. Wir nennen uns ein bisschen Sportnation, obwohl die Kriterien fehlen, wie man das definieren soll, aber das wäre ein echtes Kriterium. Dass man sagen kann, der Sport hat eine Bedeutung über die Sportarten hinaus, die im Business ein großes Kaliber sind. Die bunte Welt des Sports, nicht nur der Leistungssport, braucht einen Sender, der einen österreichischen Touch hat. Der sich auch Menschen mit Einschränkungen widmet und eine Riesenplattform gibt. Darauf war ich stolz, und ich habe gemerkt, da haben wir Anerkennung von unserem großen Nachbarn. Und ausgerechnet das sparen wir jetzt meines Erachtens aus einem gewissen politischen Aktionismus heraus ein.

STANDARD: Inwiefern Aktionismus?

Innauer: Das passiert oft bei einem neuen Management, das war ja bei uns teilweise bei Skifirmen auch so. Da kommt ein neuer CEO und sagt, wir sparen das Skispringen ein, weil diese Einsparung überschaubar und leicht argumentierbar ist, wegen der Absatzzahlen. Aber dann hat man einfach etwas entsorgt, das vom Image, vom Qualitätsstandard her eine Bedeutung gehabt und mit wenig Geld viel gebracht hätte. So ist das auch mit ORF Sport Plus, das ist kein Millionengrab. Da wurde viel gemacht mit dem Geld.

STANDARD: Wie stehen Sie zum Zwist um die olympische Zulassung russischer und ukrainischer Sportlerinnen und Sportler?

Innauer: Ich sehe es straight. Wenn wir als der Westen, der für gemeinsame Werte eintritt und für den internationale Spielregeln sehr wesentlich sind, Sanktionen verhängen, dann müssen wir auch dazu stehen. Es geht um einen Angriffskrieg, um terroristisches Vorgehen, wenn die Infrastruktur in einem anderen Land angegriffen wird. Es ist das Wesen von Sanktionen, dass das auch der Bevölkerung und also auch den Sportlern wehtut. Wir hatten selbst ein Engagement in Russland, das dann sofort auf Eis gelegt wurde. Aber es ist einfach notwendig, dass man dem russischen Regime unsere Missbilligung auch über den Sport zeigt.

STANDARD: Also kein Olympia-Hintertürchen?

Innauer: Ja, so leid sie mir tun. Aber es ist das falsche Zeichen, wenn jetzt ausgerechnet der Sport beginnt, Hintertürchen aufzumachen, weil er sich vielleicht Vorteile erhofft. Die olympische Initiative hat ein Geschmäckle.

STANDARD: Apropos Geschmäckle – war das Normalschanzenspringen der Männer am Samstagabend regulär? Stefan Kraft fiel nach seiner Halbzeitführung auf Platz vier zurück, der Pole Piotr Zyla sprang von Platz 13 aus wegen großartiger Bedingungen zu Gold.

Innauer: Es ist ein bisschen unübersichtlich und turbulent zugegangen. Das war so ein Wettkampf, der mit Wind- und Gateregel machbar wird, aber eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Und die 0,4 Punkte, um die Kraft die Medaille verloren hat, die gibt es gar nicht, die kannst du aktiv gar nicht erzielen. Man kann einen halben Meter weiter springen, das wäre dann ein Punkt mehr, oder man kann von einem Kampfrichter minimal 0,5 Punkte mehr bekommen. Diese 0,4 Punkte ergeben sich arithmetisch, das ist aber eine Scheingenauigkeit. Es gibt derzeit eine Initiative im Hintergrund, die für mehr Ex-aequo-Platzierungen eintritt. Das wäre wieder ein klassischer Fall dafür gewesen. Kraft hätte auch Bronze bekommen müssen.

STANDARD: Also war es nun fair oder nicht?

Innauer: Dadurch, dass ein gewisser Ausgleich da war, war es nicht unfair. Kraft hatte im ersten Durchgang wirklich deutlich bessere Verhältnisse und hat das auch super genützt. Im zweiten Durchgang hatte er nicht einmal in diesem Ausmaß schlechtere Verhältnisse. Und wenn er einen halben Meter weiter springt, ist er auch auf Bronze. Wenn er zwei, zweieinhalb Meter weiter springt, gewinnt er Gold. Diese Range war in seinem Sprung schon drinnen.

STANDARD: Gold hätte dem Team gutgetan, ja dem Skiverband insgesamt, über den ja diskutiert wird, weil da und dort der Erfolg ausbleibt, wie zum Beispiel bei der jüngsten alpinen WM. Sehen Sie strukturelle Probleme im ÖSV?

Innauer: Es hätte bei den Alpinen noch viel schlimmer kommen können. Natürlich sehe ich einige Dinge, aber die Interpretationen, wonach ein Marcel Hirscher viel zugedeckt hat und dass es nach seinem Abgang viel schwieriger wird, sind ohnehin schon abgelutscht. Andererseits gewinnt jetzt ein Marco Schwarz im Riesentorlauf, der ist ein Gigant, weil er in jedem Bereich um den Sieg mitfahren kann. Es geht darum, dass man das große Potenzial, das Österreich hat, heben muss. Es gibt die Skisportbegeisterung in dieser kleinen Nation, die ja auch davon lebt. Da muss man sorgfältig strukturieren. In den ganzen Wechseln, die da passiert sind, in den Abgängen vor allem im Alpinbereich besteht die Gefahr, dass man Hals über Kopf ein paar Sachen macht, die man im Nachhinein in einer anderen Reihenfolge gemacht hätte, sobald die Personalstruktur wieder besser stimmt. (Sigi Lützow aus Planica, 27.2.2023)