"Nur eine Katastrophe kann uns retten": So titelt der slowenische Starphilosoph Slavoj Žižek seine Intervention beim Elevate-Festival, zu sehen und zu hören am kommenden Samstag in Graz.

Foto: Slavoj Žižek

Angesagte Revolutionen, heißt es, fänden nicht statt. Spricht man hingegen von Katastrophen, sind selbst Skeptiker, die sonst jeder Veränderung gründlich misstrauen, von ihrer Unausweichlichkeit überzeugt: aufputschender Effekt einer Gesellschaft, die sich dem Delirium permanenter Selbstbeobachtung hingibt. Was tun?

Zum Höhepunkt des Grazer Elevate-Festivals – es findet von 1. bis 5. März zum bereits 19. Mal statt – empfiehlt der slowenische Philosoph Slavoj Žižek eine Art Neujustierung. Er bittet, die Uhren gegen alle Untergangsgepflogenheiten auf fünf Minuten nach Zwölf zu stellen. Im Nu lösen sich alle Verknotungen: Die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe zu verhindern, besteht in ihrer Vorausdatierung.

Žižek, der ein Redner in Paradoxen ist, plädiert für den unbedingt erweckenden Effekt einer solchen Maßnahme. Sein Vortrag im Grazer Orpheum (Sa., 18.00) ist ausverkauft, das Ereignis wird gestreamt. Überhaupt empfiehlt es sich in katastrophischen Zeiten, nicht übertrieben wählerisch zu sein: (Unlikely) Alliances nennt sich die diesjährige Festivalausgabe.

Sie gleicht einer hochkonzentrierten Sammlung dissidentischer Stimmen und unerhörter Geräusche, beginnend mit der hochkomischen Untergangsliteratin Sibylle Berg, die am Mittwoch im Orpheum "Anregungen für unser (zukünftiges) Zusammenleben" liefert.

Freudiges Zuwiderhandeln

Auch auf anderen Podien werden Formen des Zuwiderhandelns erwogen. Aktivismus-Historiker Knut Cordsen macht ebenso seine Aufwartung wie die Fridays for Future-Jeanne-d’Arc Lena Schilling. Die Klammer ist taktischer Natur: "Generationen, Identitäten und neue Allianzen – wie viel ,gemeinsam‘ braucht die gemeinsame Sache?" Signifikant wichtig auch der Auftritt des US-Sci-Fi-Autors Cory Doctorow. Am wirkungsvollsten zahlt man es der verlotterten Gesellschaft in musikalischer Münze heim.

Synthesizer-Musik der Italienerin Caterina Barbieri wird im Grazer Schlossberglift ertönen. Neben Verfechtern der Düsternis wie der Wienerin Rent machen Größen wie der polnisch-amerikanische Techno-Wizzard Bogdan Raczynski ihre Aufwartung. Er ergötzt jetzt mit "Dream Scapes". Die Ohren zum Klingeln bringen auch Mun Sing oder Akkordeonist Yegor Zabelov.

Geradezu versöhnlich dagegen die sonnige Indie-Musik von Panda Bear & Sonic Boom. Und weil das Aufbegehren gegen Katastrophen nach Verbindlichkeit heischt, sollte man sich unbedingt dem Live-Exorzismus durch die New Yorkerin Margaret Chardiet alias Pharmakon unterziehen: Hier wird das Erleben des Daseins mithilfe erhabenen Lärms stark überhöht. (Ronald Pohl, 28.2.2023)