Über dreißig Jahre ist es her, dass die Existenz von Planeten jenseits unseres Sonnensystems erstmals einwandfrei bestätigt werden konnte, geahnt hatte man von ihnen schon viel länger. Mittlerweile durften Astrophysikerinnen und Astrophysiker über 5.200 Exoplaneten indirekt anhand von Helligkeits-, Spektral- und Bewegungsmessungen bei Sternen beobachten. In seltenen Fällen gelangen sogar direkte Aufnahmen mit optischen Teleskopen. Wenn die Forschenden dabei eines gelernt haben, dann dass die drei Planetentypen unseres eigenen Sonnensystems – Felsplaneten, Gasriesen und Eisriesen – nur einen Bruchteil der möglichen Welten dort draußen darstellen.

Ferne Exoten

Bekannt sind etwa die sogenannten Supererden, Planeten mit bis zu 14-fachen Erdmassen, deren genaue Natur noch umstritten ist. Sie bilden eine immer noch weitgehend unklare Übergangskategorie zwischen terrestrischen Planeten und Eisriesen. Einige wurden auch schon in potenziell lebensfreundlichen Regionen ihrer Systeme entdeckt. "Heiße Jupiter" dagegen sind glühende Gasriesen, die ihre Muttergestirne in geringen Abständen umkreisen – als Horte des Lebens eignen sie sich daher kaum.

Noch viel fremdartiger kommen die "Super-Puffs" daher. Diese "luftigen" Welten besitzen eine verhältnismäßig geringe Masse, aber einen Durchmesser, der jenen des Neptun oft weit übertrifft. Drei typische Vertreter dieser Klasse kreisen um den Stern Kepler-51. Sie haben etwa Jupitergröße und eine Durchschnittsdichte von nur 0,03 Gramm pro Kubikzentimeter – das entspricht der Dichte von Styropor.

Ein ungewöhnliches Gespann: Der Exoplanet TOI-5205b umkreist seinen vergleichsweise winzigen Heimatstern in sehr geringem Abstand.
Illustration: Katherine Cain/ Carnegie Institution for Science

Großer Planet, winziger Stern

Was all diese Exoten trotz ihrer Unterschiedlichkeit gemeinsam haben: Ihre Existenz lässt sich mit den vorherrschenden Modellen zur Planetenentstehung einigermaßen gut erklären. Nun aber hat ein Team um Shubham Kanodia von der Pennsylvania State University eine exoplanetare Kuriosität entdeckt, für die das nicht gilt. Der Exoplanet TOI-5205b in rund 285 Lichtjahren Entfernung ist im Vergleich zu seinem Heimatstern ein regelrechter Gigant – viel zu groß jedenfalls, um sich seine Herkunft vernünftig erklären zu können.

In Größe und Masse gleicht der per Transitmethode mit dem Transiting Exoplanet Survey Satellite (TESS) der Nasa entdeckte Exoplanet in etwa unserem Jupiter. Der entscheidende Unterschied ist der Mutterstern, an den TOI-5205b gebunden ist und den er einmal alle 1,6 Tage umrundet: Der Rote Zwergstern ist nur knapp viermal größer als TOI-5205b und rund 40 Prozent kleiner als unsere Sonne.

Obwohl ähnlich ungewöhnliche Gespanne bereits früher beobachtet wurden, erwiesen sich die hier festgestellten Größenverhältnisse doch als einmalig – und sie widersprechen dem derzeitigen Verständnis der Planetenentwicklung. "Der Wirtsstern ist nur etwa viermal so groß wie der Jupiter", sagte Kanodia, "und doch hat er es irgendwie geschafft, einen Planeten von der Größe des Jupiters hervorzubringen. Das ist ziemlich überraschend."

Größenverhältnisse im Vergleich: links der neu entdeckte Exoplanet TOI-5205b neben seinem kleinen Muttergestirn. Rechts ein ebenso großer Planet neben einem Stern mit den Ausmaßen der Sonne.
Illustration: Katherine Cain, Carnegie

Jenseits der Modelle

Rote Zwergsterne sind die kleinsten uns bekannten Hauptreihensterne. Sie sind massearm, vergleichsweise kühl und verbrauchen ihre Wasserstoffvorräte so langsam, dass sie damit theoretisch mehrere Billionen Jahre auskommen würden. Bisherige Beobachtungen legen nahe, dass Sterne mit 0,5 Sonnenmassen oder weniger eigentlich keine massereichen Gasplaneten beherbergen dürften, zumindest lassen das die anerkannten Modelle der Planetenentstehung nicht zu.

Sterne entstehen aus kollabierenden Wolken aus Gas und Staub. Während sich bei der Geburt eines Sternensystems das meiste Material im Zentrum zu einer Gaskugel zusammenballt, verdichtet sich der Rest der Gas- und Staubwolken zu einer rotierenden Scheibe, die am Innenrand langsam vom zentralen Schwerkraftzentrum aufgesogen wird. Wenn der Protostern groß genug ist und durch seine Rotation ein starkes Magnetfeld erzeugt, produziert er einen starken Teilchenstrom, der das Material in seiner Nähe fortbläst und sein weiteres Wachstum damit stoppt.

Ein "verbotener" Planet

Was in der Scheibe übrig bleibt, verklumpt zunächst zu kleineren Objekten, die wiederum schließlich zu ganzen Planeten zusammenfinden. Will man in einer solchen protoplanetaren Scheibe einen Gasriesen herstellen, sind nach gültigen Theorien mindestens zehn Erdmassen an felsigem Scheibenmaterial erforderlich. Erst ab einer solchen Größe kann ein Planetenkern genug Gas für die gewaltige Atmosphäre eines Gasriesen zusammensammeln. Damit es überhaupt so weit kommt, muss dieser Prozess überdies recht schnell ablaufen, ehe der Babystern auch noch den Rest der protoplanetaren Scheibe fortgeblasen hat.

Bisherige Modelle hatten ergeben, dass ein kleiner Roter Zwergstern dafür nicht genug Material in seiner Scheibe bereitstellen kann. "Dass TOI-5205b dennoch existiert, verändert alles, was wir über protoplanetare Scheiben wissen", sagte Kanodia. "Nach unserem derzeitigen Verständnis der Planetenentstehung dürfte der Exoplanet eigentlich nicht existieren; er ist im Grunde ein 'verbotener', ein unzulässiger Planet."

Weitere Beobachtungen

Laut Kanodia muss es also eine Lücke im Verständnis der Planetenbildung, der protoplanetaren Scheiben oder des Planeteninneren selbst geben, die Forschenden vermuten sogar in allen dreien. Um das Rätsel rund um den "unmöglichen" Exoplaneten zu lösen, bedarf es weiterer Transitbeobachtungen, schreibt das Team im "Astronomical Journal". Vielleicht liefert das James-Webb-Teleskop künftig die entscheidenden Hinweise durch Untersuchungen der Gashülle von TOI-5205b, hoffen Kanodia und seine Gruppe. (tberg, 28.2.2023)