Tom Barman (links) und seine Band Deus haben ein neues Album.

Foto: Joris Casaer / Pias Rec.

Bei den Begriffen "Pop" und "Belgien" beginnen die meisten Menschen zu speicheln. Schließlich war und ist nichts Populäreres je aus Belgien gekommen als Pommes frites. Nach Öl, Kartoffeln und Fritteuse kommen irgendwann die famosen Honeymoon Killers, dann länger nichts – und dann Deus.

Die belgische Band tauchte in den 1990ern wie aus dem Nichts auf und brachte Belgien einen rasch weltbekannten Eintrag auf der Poplandkarte ein. Zwar hatte die Band um Tom Barman als elende Coverband begonnen, doch schon auf ihrem Debüt Worst Case Scenario (1994) offenbarte sie sich dem internationalen Publikum als originärer Act, der dem damals gängigen Schablonen-Grunge einen beträchtlichen Ideenreichtum entgegenhielt. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Jüngster Beleg ist das neue Album von Deus. Es heißt How to Replace It und wird die Band am 22. März live in die Wiener Arena führen, zu ihrem einzigen Österreich-Konzert. How to Replace It ist das erste Deus-Album nach zehn Jahren Pause. Es folgt dem selbstauferlegten Ansatz, lieber zu schweigen als sich zu wiederholen. Das ist natürlich verwegen.

dEUS - Topic

Doch Deus gelingt es insofern, als dass die Band sich keinen Moden andient, sondern beständig neben der Spur ihre im Herzen gestrickte Musik dergestalt modifiziert, dass sie Ecken und Kanten behält, aber dennoch eingängig ist.

Grimmige Riffs

Deus produzieren nach wie vor keine Nebenbeimusik, kein Wellnessgeplätscher für Schweinsohren. Barmans Songs hört man trotz ihrer Eleganz immer den Kraftakt an, den sie ihm bedeuten. Diese Rohheit bleibt erhalten, in grimmigen Riffs und Rhythmen.

Nach dieser Bauart sind die ersten drei Titel von How to Replace It entworfen, und man ahnt, mit welcher Wucht sie live dargeboten werden – und wie sehr man an der ihnen innewohnenden Schönheit frohlocken wird.

Das Erbe des ersten Hits der Band, Suds & Soda, erhebt da sein Haupt, zeigt, dass dieser Same noch fast dreißig Jahre später neue Keimlinge treibt.

Erzähler im Ohrensessel

Nach dem Eröffnungs-Hattrick folgt so etwas wie ein persönlich gefärbter Erkenntnisschlager über das Jahr 1989, in dem Barman den sonoren Erzähler im Ohrensessel gibt, dessen Geschichte von einem Chor mit Süßstoff versorgt wird. Es ist ein vergleichsweise konventioneller Song für Deus – und damit schon wieder unkonventionell.

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Die Hausmarke der Band ist jedoch das Zusammenspiel von Synthie und Rhythmusabteilung, die beide nicht von der Stange kommen. Das setzt Barman gerne auf Kollisionskurs und erbaut sich am Aufprall, pflanzt seine Songs im Lärm der Katastrophe – wobei ihm eine gewisse Routine und sein Abtauchen in fremde Gefilde wie Dance-Pop und Techno hilfreich sind. Früh generierten Deus ihren eigenen, düsteren Groove, der bis heute präsent ist, der sich stellenweise zugänglicher, dann wieder widerborstiger gibt.

How to Replace It wirkt so einerseits wie ein Wiedersehen, wie ein Wiederhören mit einem alten Bekannten. Anders als es alte Bekannte oft einmal sind, ist Barman mit Deus aber nicht stehengeblieben. Er langweilt nicht mit Kriegsgeschichten von früher, er arbeitet sich lieber an der Aktualität ab. Das ergibt einmal mehr eine Form von in Hässlichkeit geborener Schönheit. (Karl Fluch, 28.2.2023)