Susanne Gogl-Walli, 2021 in Tokio sensationell im Olympia-Halbfinale, hat heuer ihre 400-m-Hallenbestzeit auf sehr beachtliche 52,17 verbessert.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Markus Fuchs traut sich über 60 Meter einen Finalplatz zu.

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Immer dieses Fernsehen, alles will es bestimmen. Zum Beispiel im Sport. Da müssen Ereignisse immer kürzer, immer übersichtlicher werden, weil einerseits die Aufmerksamkeitsspanne beim Publikum immer kleiner und weil andererseits die Konkurrenz durch andere TV-Inhalte immer größer wird. Ausnahmen bestätigen die Regel, so bald werden Fußballmatches nicht auf zweimal dreißig Minuten oder Formel-1-Rennen auf zehn Runden limitiert werden. Aber andere Sportarten sind seit Jahren angehalten, mit der Zeit, also mit den TV-Übertragungszeiten zu gehen. Das geht nur, wenn entweder Inhalte weggelassen oder Teilnehmerfelder verkleinert werden.

Die Leichtathletik kann ein Lied davon singen, und sie singt es auch am Wochenende, wenn in Istanbul die Hallen-EM-Medaillen vergeben werden. Von Donnerstag bis Sonntag wird das Programm ruckizucki durchgezogen, die Medaillenvergaben sollen möglichst abends stattfinden, der Zeitplan ist dicht gedrängt.

Kleines Team

Vor allem in den technischen Bewerben (Wurf, Sprung), die sich stets gezogen haben, wurden die Felder in der jüngeren Vergangenheit teils stark reduziert. Und das ist laut Österreichs Verbandspräsidentin Sonja Spendelhofer mit ein Grund dafür, dass sich etwas kleinere Sportländer schwertun, Teams von nennenswerter Größe auf die Beine zu stellen. Österreich schickt ein Trio – Markus Fuchs und Magdalena Lindner über 60 Meter, Susanne Gogl-Walli über 400 Meter – zur EM. Nennenswert groß ist anders.

Pech hatte nicht nur der aufstrebende Stabhochspringer Riccardo Klotz, der als 19. der Europa-Rangliste die Qualifikation um einen Platz verpasste. Pech hatte auch Mittelstreckler Raphael Pallitsch. Mit seiner 1.500-m-Saisonbestzeit (3:40,56) hätte er das Limit früherer Titelkämpfe klar unterboten, sich stets fürs Finale qualifiziert. Doch heuer wurde die Richtlinie deutlich heruntergesetzt, von 3:45,00 auf 3:37,40, das ist eine Welt. Ähnliches gilt für Hürdensprinterin Karin Strametz, die mit 8,21 früher locker qualifiziert gewesen wäre, vom neuen Limit (8,03) aber weit entfernt ist. Insgesamt nehmen in Istanbul nur noch 590 Aktive an der EM teil, früher waren es 700 und mehr.

Doch man soll die Schuld nicht nur bei den Umständen suchen. Bis zu einem gewissen Grad hat sich Österreich – im Hinblick auf die EM – auch selbst marginalisiert. Das meint weniger die Langstreckenläuferin Julia Mayer, die über 3000 Meter qualifiziert gewesen wäre, aber auf Istanbul verzichtet, weil sie heuer in Wien ihren ersten Marathon läuft. Doch was wurde eigentlich aus dem Weltklasse-Trio im Mehrkampf, aus Ivona Dadic, Verena Mayr und Sarah Lagger? Man erinnert sich an Jahre, in denen eine enttäuscht war, weil nur zwei pro Nation zugelassen waren. Und jetzt? Jetzt haben alle drei mit körperlichen Problemen zu tun und konzentrieren sich auf die Freiluftsaison, deren Höhepunkt im August die WM in Budapest sein wird.

Dadic (29), unter anderem Hallen-WM-Zweite 2018, unterzog sich kürzlich einer OP am Knie, die ihr helfen soll, bis Paris 2024 weiterzutun. Mayr (28), WM-Dritte 2019, will hartnäckige Oberschenkelprobleme in den Griff bekommen (haben). Und Sarah Lagger (23), U20-Weltmeisterin 2016, kämpft darum, sich "oben" zu etablieren.

Lukas Weißhaidinger macht als Diskuswerfer um die Halle generell einen Bogen, seine Disziplin hat im Winter Pause. Kürzlich wurde Weißhaidinger zum achten Mal en suite als Österreichs Leichtathlet des Jahres geehrt, dabei ragte die Saison für seine Verhältnisse nicht heraus, bei der WM in Eugene, Oregon, musste sich der Olympia-, WM- und EM-Dritte mit Rang zehn begnügen.

Großes Ziel

Bleiben Fuchs, Lindner und Gogl-Walli, die als Sechste auf der Entry-List mit einem Finalplatz liebäugeln darf. Während für Lindner der Endlauf wohl außer Reichweite ist, traut sich auch Fuchs zu, das Semifinale zu überstehen. Dafür muss er die 60 Meter wohl um oder auch unter 6,60 Sekunden zurücklegen. Das ist das erklärte Ziel des Perchtoldsdorfers, der im Freien über 100 Meter den Rekord Andreas Bergers (10,15) schon im Vorjahr egalisiert hat.

ORF Sport Plus überträgt von der EM ab Donnerstag live, Pessimisten auch im ORF sprechen von einem "letzten Hurra", schließlich hat ORF-Generalsekretär Roland Weißmann die Einstellung des Kanals angekündigt. Wie so viele andere kann auch Sonja Spendelhofer nur hoffen, dass das letzte Wort nicht gesprochen ist. Die EM-Entscheidungen stehen allesamt in den Abendstunden an. Da wird ORF 1 für eine Leichtathletik-Hallen-EM eher keine Alternative sein. (Fritz Neumann, 28.2.2023)