Viele Kinder, wenige Pädagoginnen – die Personalnot im Kindergarten bedroht in Salzburg das Betreuungssystem.

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Die Kinder im Kindergarten Anif hatten ab den Weihnachtsferien plötzlich eine Pädagogin weniger, also sprang die Bürgermeisterin ein. "Damit wir die Arbeitszeiten und Dienstpläne einhalten können, habe ich ausgeholfen", sagt Gabriele Gehmacher-Leitner. Die Pädagogin habe zum Glück nicht gekündigt, sondern sei wegen eines Unfalls bis 1. März im Krankenstand. Der Ausfall musste irgendwie überbrückt werden. Also hat die Bürgermeisterin der Liste Krüger kurzerhand selbst den Personalengpass überbrückt. "Mir hat das viel Spaß gemacht. Ich habe früher, als meine Kinder noch klein waren, selbst Spielgruppen und eine Eltern-Kind-Gruppe geleitet", sagt die Politikerin. Dass sie um sieben Uhr früh die Kinder in Empfang nimmt, bevor sie um acht Uhr zur Arbeit in die Amtsstube geht, ist jedoch keine Dauerlösung. "Ab 1. März sind wir wieder voll besetzt."

Anif ist nur eine Salzburger Gemeinde, die mit dem Personalmangel in der Elementarpädagogik zu kämpfen hat. Im vergangenen Jahr mussten bereits mehrere Kindergartengruppen vorübergehend geschlossen werden. Ein Krankenstand genügte teilweise, dass die Betreuung nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Die Berufsgruppe warnt gar vor einem Kollaps der Kinderbetreuung in Salzburg. Laut dem Institut für Berufsbildungsforschung fehlen bis 2030 in Salzburg 1.300 Pädagoginnen, wenn sich am Betreuungsschlüssel nichts ändere. Will man den Betreuungsschlüssel und damit die Qualität verbessern, fehlen sogar 2.000 Fachkräfte.

Bildung statt Aufbewahrung

In Salzburg gibt es ab dem 20. Kind eine zweite Betreuungsperson. Zahlreiche Studien empfehlen jedoch einen Schlüssel von eins zu sieben. "Ab dann spricht man von Bildung und nicht von Aufbewahrung", betont der Vorsitzende der Berufsgruppe Elementarpädagogik, Nico Etschberger, und gibt ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag: An seinem letzten Arbeitsplatz hätten vier Pädagoginnen, ein Helfer und ein Zivildiener 50 Kinder mit 14 verschiedenen Erstsprachen betreut.

Der nun herrschende Personalmangel sei aufgrund der Rahmenbedingungen der letzten 30 Jahre hausgemacht, sagt Etschberger. In derart großen Gruppen, wo 25 Kinder in einem 50 Quadratmeter großen Raum zusammenkommen, sei es extrem laut. Darüber hinaus gebe es fast keine Zeit, die pädagogische Arbeit oder Elterngespräche vorzubereiten, noch hinzu komme ein großer administrativer Aufwand. Momentan würden das viele Pädagoginnen in ihrer Freizeit erledigen, sagt der Berufsgruppensprecher.

Gruppengröße reduzieren

In einem Strategiepapier, das an alle Landtagsparteien ging, fordert die Berufsgruppe daher, dass die Gruppengröße Jahr für Jahr schrittweise reduziert wird. Zudem brauche es mehr Vor- und Nachbereitungszeit für die pädagogische Qualität und Arbeitszufriedenheit sowie bessere Gehälter und Zulagen für Leiterinnen und gruppenführende Pädagogen. Als weiteren Punkt fordern die Elementarpädagoginnen, in die Weiterentwicklung des elementaren Bildungssystems in Form einer beim Land verankerten Arbeitsgruppe eingebunden zu werden. Denn derzeit würden viele Fachkräfte aufgrund der Perspektivlosigkeit aus dem Beruf aussteigen, sagt Etschberger. Daher brauche es eine gemeinsame Erklärung aller Parteien, die den Willen zur Veränderung zeigt.

"Das sind die wichtigsten Lebens- und Entwicklungsjahre, wo man so viel lernt wie nie mehr im Leben. Das ist die Basis für alles", betont Etschberger. Es sei besser, hier präventiv zu investieren statt später, wenn Kinder aus der Bildungskarriere bereits ausgestiegen sind und keinen Job mehr finden. "Jeden Euro, den wir jetzt nicht investieren, zahlen wir später achtfach drauf", sagt der Elementarpädagoge.

Wahlkampfschnellschuss

Und was macht die Politik vor der Landtagswahl? Die beschließt kurzerhand noch den Gratiskindergarten am Vormittag für alle Kinder ab drei Jahren. Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hatte die kostenlose Betreuung quasi als Wahlversprechen beim Gemeindetag angekündigt. Die anderen Parteien haben daraufhin eine sofortige Umsetzung ihrer jahrelangen Forderung verlangt.

Die Kosten von etwa 13 Millionen Euro für die kostenlose Halbtagsbetreuung trägt ab April zur Gänze das Land. Das Geld dafür kommt aus dem 38 Millionen Euro großen Notfalltopf der sogenannten Covid-Verstärkungsmittel, die für eventuelle Corona-Maßnahmen vorgesehen waren. Die SPÖ kritisiert, dass das zweckgebundene Landesbudget per Federstrich, und ohne den Landtag zu involvieren, in ein Wahlkampfzuckerl umgewandelt werde.

Auch Bürgermeisterin Gehmacher-Leitner betont, dass es zuerst eine Personaloffensive bräuchte. Aufgrund des Gratiskindergartens würden nun wohl mehr Eltern ihre Kinder mit drei in den Kindergarten geben, weil es gratis sei. "Dann haben wir das Problem, dass wir mehr Kinder haben, aber den Gemeinden die Räume und das Personal nicht zur Verfügung stehen", sagt die Anifer Bürgermeisterin. Sie plädiert für mehr Wertschätzung des Kindergartenpersonals. "Das ist noch nicht durchgedrungen, dass die Bildungsarbeit geleistet wird und die Pädagoginnen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln." (Stefanie Ruep, 28.2.2023)