Bevor Emmanuel Macron am Mittwoch für mehrere Tage nach Zentralafrika verreist, hat er den früheren Kolonien Frankreichs eine "gleichberechtigte Kooperation" angeboten. "Arroganz" und postkoloniales Denken sollten engen Beziehungen im schulischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich weichen, erklärte der französische Präsident in Paris. Frankreich reduziere den Bestand seiner Armeebasen in Afrika und verwandle sie in Militärakademien, wo künftig Soldaten der jeweils lokalen Bevölkerung ausgebildet werden sollen.

Emmanuel Macron: Frankreich strebt künftig eine "gleichberechtigte Kooperation" mit Afrika an.
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Ganz freiwillig geht die französische Zeitenwende in Afrika nicht vonstatten. Die französischen Fremdenlegionäre und Elitesoldaten sind in den vergangenen Monaten unsanft aus den zwei frankophonen Sahelländern Mali und Burkina Faso geworfen worden; an ihre Stelle treten russische Söldner der Privatarmee Wagner. In West- und Zentralafrika skandieren Demonstranten antifranzösische Parolen und schwingen russische Flaggen. Vereinzelt greifen sie französische Botschaften an, wobei unklar bleibt, ob dies aus eigenem Antrieb oder durch Mithilfe Moskaus geschieht.

"Tiefe Demut"

Frankreich reagierte zuerst ungläubig, dann reichlich verschnupft. Nun setzt das Umdenken ein: In seiner Grundsatzrede betonte Macron immer wieder die "tiefe Demut" und "Bescheidenheit" Frankreichs gegenüber den Afrikanern. Noch im Sommer 2022 hatte der Präsident selbstgerecht deklamiert, die Afrikaner betrieben "Heuchelei", weil sie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht als solchen bezeichnen wollten.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz gab Macron vor ein paar Tagen zu, er sei "verblüfft, wie wir das Vertrauen des Südens verloren haben". Mit "wir" meinte er Frankreich und darüber hinaus den ganzen Westen. Jetzt will Macron wieder Boden gutmachen.

Seine neue Afrikapolitik gelobt er auf seiner mehrtägigen Tournee durch vier Staaten Zentralafrikas gleich in die Tat umzusetzen. Die Reise klingt an sich schon wie ein Echo auf den jüngsten Afrikatrip des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der in Südafrika sogar gemeinsame Militärmanöver mit Südafrika veranlasste.

"Kriminelle Söldner"

Macron verschont den Gegner nicht mehr: Putins Wagner-Truppe bestehe aus "kriminellen Söldnern, die mehreren Putschregimes als Lebensversicherung dienen", erklärte er; sie raubten Rohstoffe und vergewaltigten Frauen. Ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Namen zu nennen, wirft er ihm vor, mit "Manipulationen und Propaganda" antifranzösische Ressentiments unter den Afrikanern zu schüren.

Der französische Präsident besucht ab Mittwoch drei frankophone Länder sowie das früher portugiesische Angola. Dort will er über Energielieferungen sprechen. Doch der Kalte Krieg ist nicht weit: Der angolanische Staatschef João Lourenço hatte einst in Moskau studiert und steht noch heute der nationalen Volksbefreiungsbewegung MPLA nahe. Zu Sowjetzeiten hatte sie gegen die proamerikanische Unita gekämpft. Jetzt spielt Lourenço geschickt Ost und West gegeneinander aus.

In Gabun nimmt Macron sodann an einem Treffen zum Schutz der Regenwälder im Kongobecken teil. Umweltgruppen werfen ihm allerdings vor, er versuche in der gabunischen Hauptstadt Libreville vor allem, die massiven französischen Erdölinteressen zu sichern. Außerdem stütze er mit seinem Besuch den Präsidenten Ali Bongo vor dessen Wiederwahl im August. Trotz schöner Worte verschließe er die Augen vor den Korruptionsvorwürfen gegen die seit 1967 herrschende Bongo-Dynastie.

Vorwurf des postkolonialen Filzes

Ähnlichen Vorwürfen sieht sich Macron vor seinem Treffen mit dem kongolesischen Präsidenten Denis Sassou Nguesso ausgesetzt. Der seit 1979 fast ununterbrochen regierende Kongolese gilt als ein Exponent der "Françafrique", das heißt, des postkolonialen Filzes zwischen Paris und den Eliten seiner einstiegen Kolonien. Am Montag hat Macron die Françafrique als "passé" bezeichnet.

Auch in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (RDC), wartet Kritik auf den Franzosen: Paris unterstützt – vielleicht auch aus Schuldgefühlen nach dem Völkermord von 1994 – die Regierung von Ruanda, die indes verdächtigt wird, mit Mördermilizen verdeckt auf dem Staatsgebiet von RDC zu wüten. In Paris wurde Macron von einem kongolesischen Journalisten gefragt, wie er das Staatsgebiet der Ukraine verteidigen könne – aber zugleich zulasse, dass Ruanda ungestraft auf RDC-Gebiet vordringe.

Macron erwiderte, er verurteile jede Verletzung von Staatsgrenzen, ob dies nun in der Ukraine oder Zentralafrika geschehe. In den sozialen Medien drücken aber viele Afrikaner das Gefühl aus, dass die "neue Demut" Frankreichs etwas zu berechnet klinge, um wirklich als Basis für eine neue Partnerschaft mit Afrika zu dienen.

Russlands Minister Lawrow brauchte sich auf seiner Afrika-Tournee gar nicht erst in wohl gemeinten Erläuterungen zu ergehen: Von Putin erwarten die Kongolesen keine hochfliegenden Moralpredigten, wie sie sie von Macron kennen. Man kann sich fragen, was den Afrikanern letztlich lieber ist. (Stefan Brändle aus Paris, 28.2.2023)