Der deutsche Ernährungsminister würde vermutlich wandelnde Brokkolis und Karotten bevorzugen.

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Chips, Schokolade und andere Leckereien – sie stehen nicht nur im Supermarkt im Regal, sondern sind auch in der Werbung, speziell für Kinder, allgegenwärtig. "Kinder, die Medien nutzen, sehen täglich im Schnitt 15 Werbespots für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt", heißt es im deutschen Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Überhaupt betreffen 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder im Internet und im Fernsehen wahrnehmen, Fastfood, Snacks oder Süßigkeiten.

Minister Cem Özdemir (Grüne) schmeckt das gar nicht, freiwillige Selbstverpflichtungen mit der Werbewirtschaft hätten nichts gebracht, kritisiert er und sagt: "Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder gesünder aufwachsen können, dafür sind klare Regeln unumgänglich." Doch rund 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen seien in Deutschland übergewichtig, darunter knapp sechs Prozent adipös.

Das Reglement

Und so sehen die Regeln im Gesetzesentwurf, den Özdemir nun vorlegt, aus: Mit Blick auf unter 14-Jährige will er Werbeverbote in "allen für Kinder relevanten Medien". Das heißt: In Fernseh- und Radiosendungen und Onlinenetzwerken wie Youtube wird es von sechs Uhr morgens bis 23 Uhr abends kein Anpreisen mehr von Süßkram geben, das sich explizit an Kinder wendet – beispielsweise durch Kinder als Darsteller oder Sprache, die extra Kinder anspricht.

Dies soll auch für Außenwerbung, etwa Plakate, gelten, die im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindergärten, Spielplätzen oder Freizeiteinrichtungen für Kinder stehen. Özdemir plant außerdem ein Verbot von Sponsoring für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt, das sich an Kinder richtet.

Özdemir betont aber: "Wir machen kein allgemeines Werbeverbot. Auch für Chips und Schokolade darf weiter geworben werden" – wenn diese Werbung eben nicht explizit Kinder anspricht.

Ampelvereinbarung

Mit dem Gesetzesentwurf will Özdemir eine Vereinbarung aus dem Ampelkoalitionsvertrag umsetzen. Während die Deutsche Adipositas-Gesellschaft und die Deutsche Diabetes-Gesellschaft dem Minister applaudieren, ist der Koalitionspartner FDP nicht begeistert. "Verbote bringen an dieser Stelle aus meiner Sicht nichts", sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, sagte, Özdemir verfolge offenbar das Ziel, "aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen". Dafür werde er "keine Mehrheit" innerhalb der Koalition finden.

Kritik kommt auch aus der Opposition. Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Özdemir ebnet den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung." Wie der Minister zielgenau die Produkte ausfindig machen wolle, die er für schädlich halte, "bleibt genauso offen wie die Frage, woran er denn festmachen will, welche Werbung sich eindeutig an Kinder richtet".

Foodwatch Österreich gefällt Idee

Der Verein Foodwatch Österreich begrüßte den Vorstoß aus Deutschland: "Wir fordern die österreichische Bundesregierung auf, dem Beispiel Cem Özdemirs zu folgen. Es ist höchste Zeit, dass das Problem der an Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel auch hierzulande ernst genommen wird. Es braucht klare, verbindliche Regeln für eine Werbebeschränkung. Zum Schutz der Gesundheit der Kinder ist es unabdingbar, dass Werbung für fettige, zuckersüße und salzreiche Lebensmittel wirksam beschränkt wird. Dass die Lebensmittelindustrie Profite auf Kosten der Gesundheit der Kinder machen will, ist aus unserer Sicht unverantwortlich." (Birgit Baumann aus Berlin, 28.2.2023)