Sport statt Spaghetti in der Mittagspause: Das ist einer dieser Pläne, die so lange gut klingen, bis man sie tatsächlich umsetzen muss. Während sich die Kolleginnen zum Mittagessen in der Küche im Büro zusammensetzen, krame ich also das Laufgewand aus dem Rucksack. Als ich wenig später Richtung Donaukanal laufe, spüre ich ihre mitleidigen Blicke immer noch im Rücken. Aber ich bin auf einer Mission: Ist Sport in der Mittagspause ein Geheimtipp für jene, die morgens zu müde dafür sind – und abends zu erschöpft? Das eine oder andere Vorbild gäbe es ja in manchen Büros. Menschen nämlich, die das Schnitzel in der Kantine Schnitzel sein lassen und stattdessen eine Laufrunde drehen oder die Yogamatte ausrollen. Was treibt sie an? Und ist man vor der leidigen Selbstoptimierung nicht einmal mehr in der Mittagspause sicher?

Schwer zu sagen. Mein Glas ist, metaphorisch gesprochen, gerade eher halb leer. Der Magen knurrt, die roten Ampeln bremsen mich ein, die Zeit läuft. 25 Minuten habe ich mir für meinen Lauf gegeben. Ungefähr so lange, wie ich an jedem anderen Tag in der Küche sitze und mit den Kolleginnen tratsche. Das Plaudern ist schön, bloß: Aus gesundheitlicher Perspektive wäre Bewegung sicher gesünder.

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Vorerst ist der Mittagspausenlauf am Donaukanal noch kein Massenphänomen.
Foto: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Und schon wieder eine rote Ampel. Ich versuche mich zu motivieren. Sport ist auch gut für die kognitiven Fähigkeiten, am Nachmittag werde ich mich viel besser konzentrieren können. Noch ein Argument: Zu Mittag ist es hell, während man sich zu Randzeiten derzeit durch Kälte und Dunkelheit quälen muss. Und wer mittags Sport macht, hat es erledigt. Dem Getränk mit dem Kollegen steht abends also nichts mehr im Wege. Wir werden viel zu besprechen haben. Habe ich schon erwähnt, dass ich heute das Mittagessen verpasse?

Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt. Vor allem, weil mir am Donaukanal klar wird, dass der Mittagspausenlauf (noch) kein Massenphänomen ist. Erst spreche ich eine flotte Läuferin an, die sich als Pensionistin entpuppt. Eine andere Joggerin ist Studentin, die heute frei hat. Doch dann erblicke ich eine Läuferin, die ähnlich gehetzt aussieht, wie ich mich fühle. Tatsächlich: "Keine Zeit", schnauft sie mir entgegen. "Mittagspause", setzt sie noch nach und zieht davon.

Sporteln im Homeoffice

Ein Jogger, der mir wenig später bei der Rotundenbrücke begegnet, ist auskunftsfreudiger. Er entfernt seine In-Ear-Ohrenstöpsel und erklärt, dass er sich nach einem Lauf energiegeladen fühlt und auf das Mittagessen verzichtet: "Es macht mich zu müde." Ich denke voller Vorfreude an diesen Energieschub, aber auch an mein Mittagessen.

International sind Workouts zu Mittag ein viel größeres Thema. Hierzulande haben das viele erst seit Pandemie und Homeoffice am Schirm. Im Homeoffice werde die Mittagspause immer wieder genutzt, um sich bei Tageslicht zu bewegen, erzählt etwa der Wiener Lauftrainer Walter Kraus: "Aber dass Leute im Büro in der Mittagspause laufen gehen, bezweifle ich." Das zeigt sich auch am Donaukanal: Die meisten Läuferinnen und Läufer, die ich treffe, arbeiten von zu Hause aus. "Mein Chef weiß nicht einmal, wann ich Pause mache", erzählt einer. Dabei wäre er vermutlich beeindruckt, immerhin läuft sein Angestellter einfach so zehn Kilometer zu Mittag. Auch in den Fitnessstudios von John Harris bemerkt man "immer deutlicher" einen Anstieg an Besuchen um diese Zeit. Gefragt sei etwa ein besonders effizientes computergesteuertes Zirkeltraining, mit dem man nach 16 Minuten fertig ist.

Natürlich funktioniert auch Yoga als Pausenfüller: In den drei Wiener Studios von Doktor Yoga bemerkt man nach einem Knick durch Corona seit Dezember wieder eine steigende Nachfrage zu Mittag. Bei Bikram Yoga am Schottenring erzählt man von immer mehr Stammgästen zu Mittag.

Krafttraining am Nachmittag

Sinnvoll ist Bewegung zu jeder Tageszeit. Aber welche Uhrzeit nun wirklich ideal für Bewegung ist, ist individuell und hängt vom sogenannten zirkadianen Rhythmus ab, erklärt Robert Csapo, Professor für Trainingswissenschaften an der Uni Wien. Die berühmten Lerchen tun sich in der Früh leichter mit dem Sport, Eulen am Abend.

Im Schnitt, erklärt Csapo, ist für Krafttraining insbesondere der spätere Nachmittag gut geeignet. Das liegt an verschiedenen Faktoren, wie der Körperkerntemperatur, die zu dieser Tageszeit ihr Maximum erreicht, sowie den im Tagesverlauf schwankenden Spiegeln von Hormonen. Darum ist um diese Zeit auch die Muskelelastizität am höchsten, was für ein Krafttraining spricht.

Studien deuten auch darauf hin, dass die Ausdauerleistungsfähigkeit am Nachmittag am besten ist. Ideal wäre also, wenn man sich eine etwas spätere Mittagspause nehmen könnte. Und eine etwas ausgedehntere: Mindestens 20 Minuten sollte man für den Lauf zur Verfügung haben, damit der Körper überhaupt auf Betriebstemperatur kommt. Ein zu hartes Training ist in den paar Minuten aber auch nicht ratsam. Ganz wichtig: "Sport sollte als etwas Befreiendes wahrgenommen werden, das Stress reduziert – und nicht zusätzlichen Stress verursacht", sagt Csapo.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Logistisch ist das Sporteln in der Arbeitszeit nämlich durchaus herausfordernd. Nicht nur, weil die Sporttasche schon vor dem Arbeitstag gepackt sein muss. Dem Runner’s High steht nach meinem Lauf auch ein ganz grundlegendes Problem im Weg: Es gibt keine Dusche in meinem Büro. Da muss ich jetzt wohl durch.

Brauchst du ein Deo?

Aber das ist nicht die einzige Einschränkung: Wichtig sei, dass man möglichst ausgeruht trainiert, betont Csapo. Das ist mittags nicht bei allen Menschen realistisch. Im Sommer ist Laufen in der Mittagshitze außerdem nicht ratsam. Wer nicht frühstückt, wird mittags eher keinen guten Lauf haben.

Und dann ist die Sache mit dem Sport in der Arbeit auch Geschmackssache. Die einen brauchen den Abstand vom Büro, um den Kopf freizukriegen. Die anderen den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen beim gemeinsamen Mittagessen.

Außer natürlich, man kann beides kombinieren und eine Runde mit den Kolleginnen laufen. Bisher hatte ich diesbezüglich in meinem Büro kein Glück. Doch als ich nach meinem Lauf im Sportgewand am Schreibtisch sitze und endlich mein Mittagessen esse, bietet mir ein Kollege immerhin ein Deo an. (Franziska Zoidl, 1.3.2023)