In der Evolution der Warmblüter und Säugetiere – und damit auch der unsrigen – spielte elterliche Pflege eine wichtige Rolle.
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Wie konnten Säugetiere so clever werden? Das hängt teilweise mit dem größer gewordenen Gehirn zusammen. Doch auch dafür musste es entsprechende Vorbedingungen geben, die sich über genetische Komponenten an Nachfahren weitergeben ließen und sich unter dem entsprechenden Selektionsdruck als vorteilhaft erwiesen. Dabei spielen Verhalten und Soziales eine wichtige Rolle, wie ein aktueller Artikel im Fachjournal "Plos Biology" aufzeigt: Die Analyse liefert Argumente für die Vermutung, dass elterliches Investment in den Nachwuchs dabei half, größere Gehirne zu entwickeln – was vielen Arten zu hoher Intelligenz verhalf, auch Menschen.

Eines der Hauptprobleme dabei ist, dass große Gehirne bei zahlreichen Arten sehr viel Energie benötigen. Bisher wurden für entsprechende Berechnungen vor allem die Hirngrößen erwachsener Individuen herangezogen und verglichen, schreibt die Forschungsgruppe um Carel van Schaik vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz. Weniger Aufmerksamkeit erhielten die Energiekosten bei jungen Organismen, deren Gehirne sich noch entwickelten.

Kalt oder warm

Dafür machen die Fachleute auf ein interessantes Paradoxon aufmerksam. Je größer das Gehirn einer Spezies ist, desto mehr Energie ist auch für die Entwicklung nötig – doch gerade bei größeren Hirnen ist es so, dass sie in Jungtieren erst "fertigwachsen" müssen, bis sie voll funktionsfähig sind. Insbesondere am Beispiel Mensch wird aber deutlich, dass junge Individuen nicht in der Lage sind, ihren Energiebedarf selbstständig zu decken, vor allem bei einem solch großen Gehirn.

So ergibt sich eine Art Henne-oder-Ei-Problem: Wie konnte es – wesentlich früher in der Evolution der Tiere – überhaupt zu so großen Denkorganen kommen, wenn sich die Individuen über längere Zeit nicht versorgen konnten? Eine Erklärung, die dieses Problem berücksichtigt, ist die der elterlichen Fürsorge. Sie ist bei warmblütigen Arten – vom Spatz bis zum Eisbären – viel stärker ausgeprägt als bei wechselwarmen Kaltblütern von wirbellosen Tieren bis hin zu Fischen, Reptilien und Amphibien. Diese legen meist nur Eier ab und überlassen den Nachwuchs anschließend sich selbst.

Hilfe von Familie und Umfeld

Elterliche Pflege ist mal mehr, mal weniger gleichberechtigt. In vielen Spezies kümmert sich vor allem die Mutter um Jungtiere, in anderen eher der Vater, auch die übrige Verwandtschaft und der Rest der Bezugsgruppe können entsprechende Aufgaben übernehmen, etwa das Füttern, das Beschützen vor Fressfeinden, das Herumtragen oder Zusammenkuscheln, um sich warm zu halten. Allerdings übernehmen Eltern üblicherweise den größten Teil des Investments, immerhin geht es auch um die eigenen Gene, die weitervererbt wurden.

Unter Pinguinen werden Jungtiere gewärmt und geschützt. Wenn sie etwas älter sind, können sie sich anderen Pinguinen anschließen, die sich in großen Gruppen zusammenstellen und gegenseitig wärmen.
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In ihrer Arbeit stellt die Forschungsgruppe die Hypothese auf, dass bei warmblütigen Tieren die Eltern mehr Energie in ihre Jungen investieren, was wiederum die Entwicklung größerer Gehirne erleichterte. Frühere Forschungsergebnisse zu elterlichen Energieinvestitionen in den Nachwuchs wurden detailliert analysiert. So zeigte die Gruppe in ihrer Überblicksstudie, dass mehr für Jungtiere aufgewandte Energie mit der Entwicklung größerer Gehirne – relativ zur Körpergröße – Hand in Hand ging. Die größere Investition dürfte auch die Überlebenschancen des Nachwuchses verbessert haben.

So wurde auch nachgezeichnet, dass Spezies, die lediglich Eier legen und sich anschließend nicht mehr um die nächste Generation kümmern, die benötigte Energie für größere Gehirne nicht liefern konnten. So wurde bei diesen Arten die Evolution in Bezug auf große Hirne limitiert. Studienautor van Schaik spricht von der "Aufhebung einer großen evolutionären Beschränkung der Gehirngröße", die eine massive Entfaltung der Hirngröße und des kognitiven Potenzials bei Vögeln und Säugetieren zur Folge hatte. (sic, 1.3.2023)