Wie die Zukunft des Fliegens aussehen wird, liegt noch in den Sternen.
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Über den Wolken könnte die Freiheit wohl grenzenlos sein – wäre da nicht das schlechte Klimagewissen, das sich bei manchen Passagieren einschleicht. Und tatsächlich: Während wir geschützt in der Kabine an einem Gläschen Tomatensaft nippen, blasen die Triebwerke beträchtliche Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre. Drei Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Luftfahrt – Tendenz steigend.

Kein Wunder, dass klimabewussten Menschen Flugreisen skeptisch gegenüberstehen. Doch während man auf Wochenendflüge nach Ibiza wohl verzichten könnte, bleiben Flugzeuge auf Langstrecken das schnellste Verkehrsmittel. "Und auch das ökologischste", sagt Martin Berens, Professor für Luftfahrzeugsysteme an der Technischen Universität Wien, denn im Vergleich dazu "verbrauchen etwa Schiffe deutlich mehr Treibstoff pro Kilometer und Passagier als Flugzeuge".

Grüne Alternativen

Angesichts steigender Passagierzahlen scheint der Kampf gegen die Klimakrise auf dem Flugfeld verloren. Doch noch geben sich Forschende nicht geschlagen und arbeiten an grünen Alternativen. Dabei gibt es zwei Ansätze: Einerseits entwickeln Fachleute nachhaltige Treibstoffe, andererseits wird nach elektrischen Antriebsmöglichkeiten gesucht.

"Grundsätzlich gibt es elektrische Flieger bereits auf dem Markt. Das sind allerdings meist Zweisitzer", sagt Berens. Sollen größere Flugzeuge wie Verkehrsmaschinen per Elektromotoren in die Luft befördert werden, ist es eine der größten Herausforderungen, die Stromversorgung so zu konstruieren, dass sie die nötige Leistung bei möglichst geringem Gewicht bereitstellt. "Luftfahrt ist immer Leichtbau. Dagegen sind elektrische Maschinen eher schwer, man denke nur an die dafür nötigen Kupferwindungen", erklärt Berens: "Ein Weg, diese Masse zu reduzieren, ist Kühlung."

Antrieb eisgekühlt

Das Prinzip ist klar: Werden elektrische Bauteile gekühlt, sinkt ihr Widerstand und es kann eine höhere Leistung durch die Kabel befördert werden. Doch ein neues Projekt des Flugzeugentwicklers Upnext – einer Tochterfirma von Airbus – und des europäischen Kernforschungszentrums Cern geht nun einen Schritt weiter: Die Fachleute wollen Supraleitungen nutzen, um elektrischen Antrieben zum Durchbruch zu verhelfen.

Weltweit ist Cern ist vor allem für den Teilchenbeschleuniger LHC bekannt, mit dem Physikerinnen und Physiker kleinste Partikel untersuchen. Auch österreichische Forschende sind daran beteiligt, den jährlichen Mitgliedsbeitrag entrichtet das Wissenschaftsministerium. Um die hochenergetischen Teilchen um die Kurve zu bringen, sind sehr starke Magnetfelder nötig, für die riesige Ströme durch Elektromagnete fließen müssen: "Hohe Ströme bedeuten starke Magnetfelder, was hohe Teilchenenergien ermöglicht. Ohne Supraleiter könnten solche Stromstärken nicht erzeugt werden", sagt Amalia Ballarino vom Cern, die für die Magnete der Anlagen mitverantwortlich ist.

Effizienz steigern mit Supraleitern

Supraleiter sind Materialien, deren elektrischer Widerstand verschwindet, wenn sie stark abgekühlt werden. Mit dieser Technologie könnten die für Linienflüge nötigen Leistungen übertragen werden: "Supraleiter haben einige der wichtigsten Entdeckung in der Teilchenphysik ermöglicht. Wenden wir diese Technologie auf die Energieversorgung von Flugzeugen an, ließe sich ihr Gewicht drastisch verringern und ihre Effizienz steigern", zeigt sich José Miguel Jimenez überzeugt, der der Cern-Technologieabteilung vorsteht.

Noch heuer wollen die Fachleute von Upnext und Cern die Möglichkeiten supraleitender Antriebe im Flugverkehr demonstrieren und zunächst einen bodengebundenen Prototyp erstellen. Die Anlage wird aus einer supraleitenden Gleichstromverbindung mit zwei Leitungen bestehen. Ende 2023 sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Gekühlt werden soll der Prototyp mit gasförmigem Helium oder flüssigem Wasserstoff – und es ist gerade die zweite Möglichkeit, die für die Flugzeugindustrie interessant ist: Zunächst ist flüssiger Wasserstoff extrem kalt, gerade einmal 20 Grad trennen die Substanz vom absoluten Nullpunkt, und könnte so zur Kühlung der Elektrik genutzt werden. Wird zudem mithilfe von Brennstoffzellen Strom aus dem Flüssiggas gewonnen, ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Doch vielleicht wird Kühlung künftig gar nicht nötig sein. Erst vor wenigen Tagen sorgte eine neue Studie für Aufregung: Ein neues Supraleiter-Material soll sogar bei Raumtemperatur und verhältnismäßig geringem Druck Strom ohne Widerstand leiten. Ob sich dieser Traum tatsächlich erfüllt hat und wie praktikabel die Anwendung wäre, müssen unabhängige Nachweise und Modelle erst zeigen. Ein Verzicht auf das Kühlsystem wäre in jedem Fall ein Vorteil.

Aufsteigende Flammen

So vielversprechend solche Konzepte klingen, von ihrem Erfolg ist die elektrische Luftfahrt nicht abhängig: "Es gibt auch bei konventionellen Systemen enorme Fortschritte bei der Leistungsdichte. Wir sind also nicht auf die Supraleitung angewiesen", sagt Berens und verweist damit auf elektrische Flieger, die sich ohne eiskalte Technik erfolgreich in der Luft halten – wenn auch nur über kurze Strecken. Ohnehin scheint die Idee, große Mengen Wasserstoff an Bord eines Flugkörpers zu bringen, eher gefährlich.

Doch Berens beruhigt: "Es gibt Crashtests für Wasserstoffantriebe, übrigens auch bei Pkws, die zeigen, dass es zwar zum Brand kommen kann, Wasserstoff aber so leicht ist, dass die Flamme schnell aufsteigt. Im Gegensatz dazu bilden herkömmliche Treibstoffe brennende Pfützen. Die Wärmebelastung ist für die Insassen bei Wasserstoff also nicht unbedingt höher."

Zukunftsmusik

Wasserstoff-Flugzeuge drohen also nicht in einem Feuerball zu verglühen, dennoch bleibt die eine ernüchternde Tatsache: Elektrische Langstreckenflüge sind noch Zukunftsmusik. Die Klimakrise hingegen geschieht bereits jetzt. Welche Alternativen hat die Luftfahrt?

Die auf den ersten Blick attraktivste Möglichkeit ist, nachhaltigen Sprit zu verwenden: Treibstoffe, die wie Kerosin funktionieren, aber aus Biomasse oder rückgewonnenem CO2 hergestellt werden. Das hätte den Vorteil, dass bestehende Flugzeuge und Infrastruktur weiterhin genutzt werden könnten – deren Austausch wiederum mit erheblichen Emissionen verbunden wäre.

Steuern und Verzicht

Doch wie klimafreundlich solche Kraftstoffe wirklich sind, ist unklar. Einerseits ist Biomasse ob des Boden- und Ressourcenverbrauchs umstritten, andererseits ist die Rückgewinnung von Kohlendioxid noch keine serienreife Technologie und selbst sehr energieintensiv: Kommt dieser Strom nicht aus erneuerbaren Quellen, ist es mit der Klimaneutralität der Biotreibstoffe nicht weit her.

Inzwischen setzen Fluglinien auf Offsetting: Der ausgestoßene Kohlenstoff soll durch den Anbau oder Erhalt von Grünflächen kompensiert werden. Doch solche Konstrukte sind im besten Fall ein Nullsummenspiel, denn allzu oft werden Monokulturen gepflanzt, die nach kurzer Zeit Bränden oder Schädlingen anheimfallen – und das gebundene CO2 wieder freisetzen. Diese Praxis erleichtert eher das Gewissen so mancher Flugpassagiere, als dass sie dem Klima nützt.

Nachfragereduktion und verbesserte Technik

"Natürlich könnte man auch Steuern auf Kerosin einführen", gibt Berens zu Bedenken, "immerhin zahlen alle anderen Verkehrsteilnehmer ihren Beitrag. Flüge wären dann weniger nachgefragt, wenn infolgedessen die Preise steigen." Und tatsächlich zeigt eine neue Studie, dass eine Nachfragereduktion 61 Prozent der Emissionen gegenüber der ungebremsten Entwicklung einsparen könnte.

Allerdings sind Steuern – oder Verbote – für Berens nicht das beste Mittel: "Steuern führen einzelne Länder oder die EU ein, aber weltweit wird das nicht passieren. Dagegen setze ich auf technologische Lösungen, zumal Fliegen auch kein Luxusgut werden soll." (Dorian Schiffer, red, 11.3.2023)