Die Entscheidung über eine Untersuchungshaft für den Vater soll bis spätestens Donnerstagabend erfolgen.

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Der 37-jährige Vater war mit seinem in einem Kinderwagen befindlichen Buben um 4.00 Uhr entlang der Ache spazieren gegangen.

Foto: Oliver Das Gupta

St. Johann in Tirol / Innsbruck – Im Fall eines sechsjährigen Buben, der Ende August tot in der Kitzbüheler Ache in St. Johann in Tirol gefunden worden war, gibt es eine überraschende Wende: Der 38-jährige Vater des Buben wurde Montagfrüh wegen dringenden Mordverdachts festgenommen, teilte die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit und bestätigte Berichte der "Tiroler Tageszeitung" und der Tirol-Ausgabe der "Kronen Zeitung". Der Verdächtige bestreitet die Tat.

Verdacht des vorgetäuschten Raubüberfalls

Eine Entscheidung, ob der 38-Jährige in Untersuchungshaft genommen wird, stand vorerst aus. Das Landesgericht werde Donnerstagvormittag entscheiden, ob eine solche verhängt wird, sagte Hansjörg Mayr, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, zur APA. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Mann einen Raub vorgetäuscht hatte.

Das bisher angenommene Tatgeschehen lautete, dass der Vater des geistig beeinträchtigten Kindes zuvor auf einer Promenade neben der Ache von einem Unbekannten mit einer Flasche bewusstlos geschlagen worden war. Danach soll der Sechsjährige selbstständig aus dem Kinderwagen gestiegen, in die Ache gestürzt und dort ertrunken sein. Dieser Raub soll aber gar nicht stattgefunden haben und stattdessen der dringende Verdacht bestehen, dass der Vater für den Tod des Buben verantwortlich sei.

Kerzen und Stofftiere an der Unglücksstelle im August 2022.
Foto: Oliver Das Gupta

Ins Visier der Ermittler kam der Vater offenbar vor allem deshalb, weil er die Flasche, mit der er angeblich niedergeschlagen wurde, selbst im Kinderwagen mitgeführt haben soll, erfuhr die APA. Dies war offensichtlich bereits auf einem Videobild erkennbar. Außerdem habe er sein Handy in einen Mistkübel geworfen, und die Verletzungen seien nicht mit der Tat in Einklang zu bringen gewesen. Zudem war den Berichten zufolge der Schrittzähler am Handy nicht zeitgerecht inaktiv. Der Mann habe den angeblichen Räuber auch erst bei der zweiten Einvernahme genauer beschreiben können.

Staatsanwaltschaft kommentiert Ermittlungsverfahren nicht

Mayr erklärte der APA unter Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren, dass man Erkenntnisse, die letztlich zu der Festnahme führten, nicht näher kommentieren werde. Die Ermittlungsergebnisse hätten sich jedenfalls so dargestellt, dass der Raub nicht stattgefunden haben dürfte. Weitere Ermittlungsansätze in Richtung eines eventuell doch vorhandenen Räubers würden derzeit nicht mehr verfolgt.

Bisher ging man davon aus, dass der Sechsjährige selbstständig aus dem Kinderwagen gestiegen, in die Ache gestürzt und dort ertrunken war.
Foto: Oliver Das Gupta

Der 38-Jährige stellte in bisherigen Vernehmungen den Mordverdacht in Abrede und blieb bei seiner bisherigen Darstellung, hieß es seitens der Anklagebehörde. Sein Anwalt Hubert Stanglechner teilte der APA mit, dass sein Mandant die Behauptung der Polizei, er habe seinen Sohn in die hochwasserführende Kitzbüheler Ache geworfen, "entschieden und als völlig absurd" zurückweise. Es gebe dafür keine Beweise, sein Mandant sei "schockiert und zutiefst bestürzt". Gerade in letzter Zeit habe sich bei dem Buben, der am Syngap-Syndrom erkrankt war, eine Besserung eingestellt. Es habe auch eine sehr gute Betreuungssituation erreicht werden können, so der Verteidiger.

Hinsichtlich der Beweisergebnisse verwies der Anwalt in der Tirol-Ausgabe der "Kronen Zeitung" etwa auf einen Bericht des Bundeskriminalamtes, wonach man keinesfalls feststellen könne, dass es sich bei der angeblichen Flasche in dem Kinderwagen tatsächlich um eine derartige handle. Die vorgebrachten Haftgründe würden keinesfalls auch nur ansatzweise zutreffen. Weder Fluchtgefahr, Tatbegehungsgefahr noch Verdunkelungsgefahr seien in dem Fall gegeben, sah der Verteidiger keine Rechtfertigung für die Verhängung der Untersuchungshaft, erklärte er der "Tiroler Tageszeitung".

Keine Spur zu angeblichem Räuber

Der Fall hatte im vergangenen Jahr wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Fieberhaft wurde nach dem mutmaßlichen Räuber gesucht, eine konkrete heiße Spur gab es offenbar nie. Bisher war man jedenfalls von einem diametral entgegengesetzten Tatgeschehen ausgegangen: Der Vater soll mit seinem in einem Kinderwagen liegenden Buben am 28. August, einem Sonntag, um 4 Uhr auf der Promenade in der Marktgemeinde im Bezirk Kitzbühel neben der Ache spazieren gegangen sein. Dass er um diese Zeit mit dem Buben unterwegs war, sei ein "ganz übliches Verhalten" und nichts Ungewöhnliches gewesen, hatte es vom Landeskriminalamt geheißen. Der Mann habe angegeben, dass er das öfter gemacht habe, um sein geistig beeinträchtigtes Kind zu beruhigen.

Plötzlich soll sich der angebliche Täter dem Vater laut dessen Schilderungen im Bereich des Hauptschulstegs von hinten genähert und ihm einen gezielten und wuchtigen Schlag mit einer Flasche auf den Hinterkopf versetzt haben. Der Mann blieb bewusstlos liegen, Handy und die Geldtasche wurden schließlich in unmittelbarer Nähe des Tatorts gefunden.

Schließlich soll der Sechsjährige selbstständig aus dem Kinderwagen geklettert und in die Ache gestürzt sein. Das Kind sei abgetrieben und schließlich rund 600 Meter flussabwärts tot geborgen worden. Letztlich wurde der Vater von einem Passanten bewusstlos aufgefunden. Später erinnerte sich der Mann daran, eine Stunde vor dem Überfall einen Unbekannten gesehen zu haben. Die Eltern suchten nach möglichen Zeugen. Für entscheidende Hinweise boten die beiden eine Belohnung in Höhe von 30.000 Euro. (APA, 1.3.2023)