Geht es strategisch gut weiter mit der Gleichstellung von Frauen und Männern? Leider nicht wirklich.

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Pandemie, Krieg und Inflation: Die Abfederung dieser Krisen stand in den vergangenen Jahren im Fokus der Führungskräfte. Vermeintlich weniger akute Themen sind damit in den Hintergrund gerückt– das zeigt eine neue Studie von Deloitte Österreich. Anlässlich des Weltfrauentags hat das Beratungsunternehmen rund 200 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter zum Status quo der Geschlechtergleichstellung in ihren Betrieben befragt. Das Ergebnis: Die Thematik hat in Österreichs Wirtschaft an Bedeutung verloren.

"Vor zwei Jahren war die Gleichstellung der Geschlechter noch bei der Hälfte der Befragten strategisch in den Unternehmenszielen verankert, heute ist das nur noch bei 41 Prozent Prozent der Fall. Dieser Abwärtstrend war angesichts der multiplen Krisen zu befürchten. Nun gilt es, dieser besorgniserregenden Entwicklung entgegenzuwirken", mahnt Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Österreich.

Frau und Mann eh gleich?

Auffällig dabei ist, dass die Angestellten die Gleichstellungsbestrebungen auf Arbeitgeberseite je nach Geschlecht unterschiedlich wahrnehmen. Denn während 60 Prozent der Männer der Meinung sind, dass ihr Unternehmen Gleichstellungsmaßnahmen aktiv umsetzt, sind davon nur 38 Prozent der Frauen überzeugt.

Karriere auch in Teilzeit möglich

Personen in Teilzeitbeschäftigung, und hier vor allem Frauen, waren in der Vergangenheit im privaten und beruflichen Umfeld schnell mit Bedenken rund um die sogenannte Teilzeitfalle konfrontiert. Wie die aktuelle Umfrage zeigt, löst sich das Dogma, dass erfolgreiche Karrieren nur in Vollzeit möglich sind, nun langsam, aber sicher auf.

"Vor vier Jahren knüpfte noch mehr als die Hälfte der Befragten Chancengleichheit an das Beschäftigungsausmaß, heute sind es nur mehr 38 Prozent", erklärt Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich. "Gerade jüngere Generationen stellen das Modell der Vollzeiterwerbstätigkeit zunehmend infrage. Eine ausgewogene Work-Life-Balance und reduzierte Arbeitszeit werden immer wichtiger, widersprechen aber nicht dem Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung und Führungsverantwortung. Aktuell sind die Rahmenbedingungen dafür allerdings nicht ideal – denn wer langfristig in Teilzeit arbeitet, muss bei der Karriere Abstriche machen."

Immer wieder Vereinbarkeit

Generell stoßen Frauen im Berufskontext nach wie vor viel häufiger auf Herausforderungen als ihre männlichen Kollegen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, konservative Rollenbilder sowie hinderliche Rahmenbedingungen gelten seit Jahren als größte Hürden. Auch die Hierarchieebene spielt eine große Rolle: "Während der Frauenanteil in Spitzenpositionen nach wie vor sehr gering ist, finden sich auf niedrigeren Levels immer mehr Frauen. Die vielzitierte gläserne Decke ist nach wie vor schwer zu durchbrechen, gleichzeitig bietet sich durch die anstehende Pensionierungswelle die Möglichkeit, nachhaltige Veränderungen ins Rollen zu bringen. Unternehmen sollten diese Chance jetzt nutzen", sagt Aichinger.

Uneinigkeit über wirksame Maßnahmen

Bei der Frage nach wirkungsvollen Maßnahmen für mehr Gleichstellung in den Unternehmen wird Flexibilität bei den Arbeitszeiten besonders häufig angeführt. Schaut man genauer hin, zeigt sich jedoch, dass die Geschlechter unterschiedlicher Auffassung sind: So sehen Männer jeweils zu 40 Prozent die Möglichkeit von Top-Sharing – also die Aufteilung einer Managementposition auf zwei Personen – sowie die Flexibilität beim Arbeitsort als zielführende Maßnahmen pro Gleichstellung. Frauen hingegen fordern häufiger eine grundlegende Veränderung der Unternehmenskultur (45 Prozent), gezielte Frauenförderung sowie Mentoring (40 Prozent). "Männer suchen nach Lösungen im Status quo, Frauen pochen auf strukturelle Veränderungen. Faktisch braucht es aber Verbesserungen auf beiden Seiten", sagt Aichinger. (kbau, 2.3.2023)