Vor sechs Jahren hatten die Veranstalter der Formel 1 eine Vision. Jedes Rennen solle sein "wie ein Super Bowl". Ein Mega-Event also, elektrisierend, eine Show.

Vor Beginn der Saison 2023 gilt weiter das Motto "bigger is better". Es gibt Interessenten für mindestens 30 Rennen, die Tribünen sind voll. Automobilriesen stehen Schlange, Audi und Ford haben sich für 2026 schon ihren Platz gesichert. Cadillac würde gern dazustoßen, am liebsten mit der US-Institution Andretti.

Im Windschatten des Erfolges will die Formel 1 klimaneutral werden. Das ist kein Witz, die Veranstalter meinen das ernst. Die Motorsportkönigsklasse hat sich CO2-Neutralität zum Ziel gesetzt, spätestens ab 2026 sollen die Autos ausschließlich mit nachhaltigem Biosprit fahren. Ab 2030 soll es ganz klimaneutral zugehen.

Was die Formel-1-Boliden während eines Rennens in die Luft blasen, ist nicht das Hauptproblem.
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Das klingt verlockend, die Realität sieht freilich anders aus. Der einstige Kernmarkt Europa mit seinen vergleichsweise kurzen Wegen wird immer kleiner, damit wächst auch der CO2-Ausstoß. Transport und Logistik machen schon jetzt mit 70 Prozent den Löwenanteil aus – das reine Rennfahren nur rund ein Prozent.

120.000 Kilometer auf Reisen

In diesem Jahr kommen mehr als 120.000 Kilometer zusammen, addiert man nur die Reisen von Rennen zu Rennen. Im Frühjahr etwa geht es von Melbourne über Baku und Miami nach Imola. Der Tross wird in Frachtflugzeugen über fünf Kontinente transportiert, Sponsoren, Partner und Techniker sind auch an Bord.

Man könnte es auch anders formulieren: Das nachhaltigste Motorsportrennen ist das, das nicht stattfindet. Doch genauso wenig wie der Fußball lässt sich auch der Motorsport nicht einfach abschaffen. Ein regionalisierter Kalender könnte CO2 einsparen, er würde aber auch die Einnahmen sinken lassen, denn viele Promoter zahlen für einen Wunschtermin. "Das Wetter beeinflusst unsere Verkaufszahlen unmittelbar", sagt etwa Arif Rahimow, Promoter des Grand Prix von Aserbaidschan.

Fahrer wie Lewis Hamilton oder der jüngst zurückgetretene Sebastian Vettel äußern sich immer wieder zum Klimathema, empfinden einen Konflikt zwischen ihrem Beruf und ihrem Engagement für den Umweltschutz, heilig gesprochen werden sie aber wohl dafür nicht.

Lewis Hamilton prangerte in der Vergangenheit immer wieder Umweltsünden an, jettet aber mit der Formel 1 durch die Welt.
Foto: IMAGO/Eibner

Die Richtung lautet Expansion und nicht "Grünschrumpfen". Die Einnahmen der Serie wachsen stetig, 2021 waren es fast zwei Milliarden Euro. Das Geld wandert natürlich auch in die Kassen der zehn Teams. Und die wollen den Kreis der Profiteure möglichst exklusiv halten, was zuletzt zu Spannungen mit dem Weltverband FIA führte, der gern bis zu zwölf Rennställe dabei hätte.

US-Expansion

Die Einnahmen sind deshalb so hoch, weil die Formel 1 am Limit agiert. Am Sonntag (16 Uhr MEZ / Sky) beginnt in Bahrain eine 23 Rennen umfassende Rekordsaison. Dabei wird es kaum bleiben. Kyalami in Südafrika wird 2024 zurückerwartet. China hat vertraglich seinen Platz sicher.

Dafür müssten Standorte weichen, die nicht so viel Antrittsgeld überweisen (können). Die Kultstrecke Spa wackelt erheblich, selbst Monaco musste sich strecken, Deutschland ist im dritten Jahr schon nicht mehr vertreten. Das große Geld wartet in den USA: Drei Rennen gibt es in diesem Jahr im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das so lange mit der Königsklasse gefremdelt hat. Das Highlight ist der erstmals ausgetragene Grand Prix auf dem Strip in Las Vegas (18. November). Es geht also mit Vollgas weiter. (sid, vet, 1.3.2023)