Für die Aktivierung der weißen Blutkörperchen benötigt es laut einer Studie einen Liter Ingwertee.

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Kochendes Wasser, klein geschnittener Ingwer, vielleicht etwas Zitrone und Honig dazu, schon ist es fertig, das Heißgetränk, das besonders wohltuend bei Halsschmerzen und Schnupfen sein soll. Ingwer wird immer beliebter hierzulande. Das zeigen vor allem steigende Importzahlen. Die haben sich in den vergangenen Jahren für die kleine scharfe Knolle nämlich vervierfacht.

Das liegt natürlich daran, dass viele den typischen Geschmack mögen. Aber vor allem bei Erkältungen wird Ingwertee sehr gern eingesetzt. Denn die positive Wirkung von Ingwer auf das Immunsystem wird von vielen Seite beschworen – auch wenn wissenschaftliche Beweise dazu bislang fehlten.

Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München will jetzt den Beweis für eine positive Wirkung gefunden haben. Seinen Studienergebnissen zufolge kann Ingwer weiße Blutkörperchen stimulieren. Und: Für diesen Effekt scheinen schon relativ geringe Mengen Ingwer auszureichen.

Gingerole aus Ingwer im Blut nachgewiesen

Bereits in einer vorangegangenen Studie, die im Journal of Agricultural and Food Chemistry erschienen ist, konnte das Forscherteam zeigen, dass 30 bis 60 Minuten nach dem Verzehr eines Liters Ingwertee eine deutliche Menge der scharfen Ingwerstoffe im Blut nachweisbar ist – nämlich zwischen sieben und 17 Mikrogramm pro Liter. Damit diese sogenannten Gingerole auch einen Effekt auf das Immunsystem haben können, müssen sie in irgendeiner Art und Weise bei den weißen Blutkörperchen andocken. Dieser Effekt konnte bisher jedoch nur vermutet werden.

In der aktuellen Studie wurde deshalb vor allem die Wirkung der Gingerole auf sogenannte neutrophile Granulozyten untersucht. Sie gehören zu den am häufigsten vorkommenden Leukozyten – also weißen Blutkörperchen – im menschlichen Blut. Ihre Hauptaufgabe ist, krankmachende Viren und Bakterien abzuwehren. Sylvia Knapp, Professorin für Infektiologie an der Med-Uni Wien, erklärt: "Neutrophile brauchen wir, wenn Gefahr besteht. Sie sollen dann kurz und sehr gezielt aktiv sein und danach möglichst schnell wieder inaktiv werden."

Vom Scharfstoff Gingerol weiß man, dass er seine "geschmackliche" Wirkung über den sogenannten TRPV1-Rezeptor entfaltet. Damit weiße Blutkörperchen darauf reagieren können, benötigen sie eine Andockstelle. Diese fanden die Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus München jetzt bei den neutrophilen Granulozyten.

Unklar, ob Abwehrzellen im menschlichen Körper gleich reagieren

Wer nun ungefähr einen Liter Ingwertee zu sich nimmt, versetzt laut den Studienergebnissen die weißen Blutkörperchen in Alarmbereitschaft – zumindest im Labor. Ob dieser Effekt auch im menschlichen Körper auftritt, ist jedoch nicht sicher. Knapp erläutert: "In dieser Studie wurden Neutrophile aus dem Blut isoliert, was per se schon ein sehr künstlicher Zustand ist, weil alle Zellen von ihrer Umgebung abhängen. Es macht also einen Unterschied, ob die Zellen im Körper gerade in der Leber sind oder im Plastikröhrl in einem Labor."

Laut den Forschenden benötigt es einen Liter Ingwertee, damit die neutrophilen Granulozyten etwa 30 Prozent stärker reagieren als die Kontrollzellen. Aber was bedeutet das konkret, wenn sie stärker reagieren? Laut der Infektiologin kann man das nicht genau sagen: "Jede Art von Irritation der Zellen wird eine stärkere Reaktion bewirken. Das kann genauso gut durch Bakterien oder auch durch Verunreinigungen geschehen. Ob das in irgendeiner Weise gut oder schlecht ist, hängt von der Situation ab. Zu Beginn einer Infektion etwa ist es gut, eine verstärkte Aktivierung von Neutrophilen zu haben, gegen Ende der Infektion jedoch schädlich. In einem Körper ohne Infektion, sprich einem gesunden Körper, braucht man keine Aktivierung der Neutrophilen. Das führt nur zu unnötigem Schaden."

Laboreffekt möglich

Ob Ingwertee tatsächlich auch im Körper diese Aktivierung hervorrufen kann, sieht die Expertin eher skeptisch: "Es ist nicht gesagt, dass diese Aktivierung, die in der Studie in Zellkulturen gezeigt wurde, auch nach der Konsumation von Ingwertee im Körper eintritt. Dabei kann es sich, wie bereits erwähnt, um einen Laboreffekt handeln." Außerdem gebe es "keinen bewiesenen Vorteil von dauerhafter Aktivierung von Neutrophilen. Darum ist es auch so schwer, diese Entdeckung einfach so zu beurteilen", sagt Knapp.

Auch Seniorstudienautorin Veronika Somoza von der Technischen Universität München ist sich sicher, dass es noch weitere Studien auf diesem Gebiet brauchen wird: "Es sind noch viele Fragen auf molekularer, epidemiologischer und medizinischer Ebene offen, die es gilt, mithilfe einer modernen Lebensmittel- und Gesundheitsforschung zu klären." (jaa, 3.3.2023)