Einsatzkräfte am Unfallort nahe Larissa in Mittelgriechenland.

Foto: IMAGO/ANE Edition

Drei Tage Staatstrauer in Griechenland, die Fahnen wehen auf halbmast. Grund dafür ist das schwere Zugunglück, das sich in der Nacht auf Mittwoch nahe der mittelgriechischen Stadt Larissa ereignet hat. Dort sind aus bisher ungeklärter Ursache ein vollbesetzter Intercity 62, der mit etwa 350 Passagieren in Richtung Thessaloniki unterwegs war, und ein Güterzug, der aus Norden kam, kollidiert. Bisherige Bilanz: 38 Tote und an die 90 Verletzte. 53 von ihnen müssen noch in Krankenhäusern behandelt werden.

VIDEO: Zugunglück in Griechenland: dutzende Tote und Verletzte.
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Am Tag nach der Katastrophe werden in Athen immer wieder Befürchtungen geäußert, dass sich unter den Opfern viele Jugendliche befinden. In Griechenland ging am Wochenende der Karneval zu Ende, am Montag war ein Feiertag, die Ausflügler und Teilnehmer an den unterschiedlichen Festivitäten und Paraden befanden sich auf dem Heimweg. "Ich war im Waggon sechs", sagte ein Augenzeuge dem TV-Sender Skai, "wir empfanden den Aufprall wie ein Erdbeben." Bilder der Fernsehstationen zeigen auch verzweifelte Familienmitglieder vor dem Krankenhaus in Larissa, die sich nach dem Schicksal von Verwandten erkundigen möchten.

Österreicher dürften nicht unter den Opfern sein. "Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sind keine österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vom Zugunglück in Griechenland betroffen", informierte das österreichische Außenministerium auf APA-Anfrage.

Premier und Präsidentin besuchen Unglücksort

Der griechische Regierungssprecher Jannis Ikonomou sprach von einer "unfassbaren Tragödie". Griechenland befindet sich mehr oder weniger im Wahlkampfmodus, die Legislaturperiode der regierenden konservativen Nea Dimokratia läuft im Juli aus. Über Wahlen Anfang April wird seit langem spekuliert. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sollte nicht zuletzt aus diesem Grund am Mittwoch die nordgriechische Metropole Thessaloniki besuchen. Der Besuch wurde abgesagt, und der Premier eilte an den Unglücksort. Im Lauf des Tages wurde dort auch Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou erwartet.

Die Bilanz des Unglücks ist noch nicht gezogen, doch schon jetzt wird direkte und indirekte Kritik an der Politik der vergangenen Jahre geübt, die auch Auswirkungen auf die griechische Bahn hatte. Der Präsident der Lokführergewerkschaft, Kostas Gennidounas, meinte gegenüber dem Sender Skai: "Das wäre nicht passiert, wenn die Sicherheitssysteme funktionieren würden."

Einen Bezug zwischen dem Unglück und den politischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit stellte der Vorsitzende der linksliberalen Parlamentspartei MeRa25 und ehemalige Finanzminister des Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza), Yannis Varoufakis, her: "Jetzt geht es vor allem darum, sich um die Opfer zu kümmern", sagte er, "sehr bald aber werden wir im Parlament diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die die griechische Bahn auf Anordnung der Troika an ein völlig bankrottes italienisches Unternehmen veräußert haben."

Verkehrsminister tritt zurück

Am Mittwochnachmittag ist dann der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurückgetreten. Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen, sagte er. Er halte es für unabdingbar, dass die Bürger dem politischen System vertrauen könnten. "Aus diesem Grund trete ich vom Amt des Ministers für Infrastruktur und Verkehr zurück." Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des griechischen Staates zu übernehmen, sagte Karamanlis und drückte den Familien der Opfer nochmals sein Mitleid aus.

Den Betrieb des griechischen Schienennetzes haben im Jahr 2017 unter der damaligen Regierung von Alexis Tsipras (Syriza) die italienischen Staatsbahnen Ferrovie dello Stato für 45 Millionen Euro und für 40 Jahre übernommen. Noch im Sommer 2022 änderte man den Namen des griechischen Eisenbahnbetriebsunternehmens Trainose in Hellenic Train S.A. um – ein symbolischer Schritt für einen dynamischen Neustart und das Transportwesen insgesamt, hieß es damals von der Firma. (Robert Stadler aus Athen, APA, red, 1.3.2023)