Gewaltbereite Jugendliche hatten sich zu Halloween über mehrere Stunden in der Linzer Innenstadt eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert, bei der Steine, Flaschen und illegale Böller flogen.

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Linz – Mit der unbeschwerten Feierlaune war es in der Halloween-Nacht des Vorjahres in Linz rasch vorbei. Bereits ab dem frühen Abend lag das Trick-or -Treat-Stimmungsbarometer in der Innenstadt über Stunden auf der sauren Seite. Geschuldet war dies rund 200 vorwiegend jungen Menschen, die bis in die Morgenstunden randalierten.

Die ersten Notrufe gingen damals gegen 21 Uhr ein: Eine große Personengruppe, die sich auf dem Taubenmarkt in der Fußgängerzone getroffen habe, werfe unkontrolliert Böller auf Passanten. In weiterer Folge rückte ein Großaufgebot von rund 170 Polizistinnen und Polizisten aus, darunter auch Cobra-Einsatzkräfte sowie Beamte aus angrenzenden Bezirken. Mit zwei Sperrketten versuchte die Polizei die Randalierer abzudrängen, dabei wurden auch die Beamten mit Böllern, Steinen und Glas flaschen beworfen. Erst gegen drei Uhr war der Großeinsatz beendet.

Rädelsführer vor Gericht

Die Folge der Krawallnacht waren monatelange Ermittlungen der Polizei. Letztlich konnte aus 129 angezeigten Personen ein harter Kern von 20 Personen herausgefiltert werden. Ende Dezember wurden zwei mutmaßliche Rädelsführer festgenommen, Mitte Jänner drei weitere Verdächtige inhaftiert. Die Staatsanwaltschaft Linz hat inzwischen gegen acht Personen Anklage erhoben, die ersten fünf, die sich aktuell in U-Haft befinden, müssen sich nun im März vor dem Landesgericht Linz verantworten.

Zum Auftakt muss diesen Donnerstag ein 22-jähriger Syrer auf der Anklagebank Platz nehmen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann mit Asylstatus schwere gemeinschaftliche Gewalt und versuchte schwere Körperverletzung vor. Der Angeklagte soll "führend" an den Halloween-Krawallen teilgenommen haben, indem er zahlreiche anwesende Teilnehmer "verbal und durch Handzeichen aufgefordert haben soll, gegen die Polizei vorzugehen", und eine weitere Gruppe angeführt haben, die pyrotechnische Gegenstände – darunter Feuerwerkskörper der Kategorien drei und vier – gegen die anwesenden Polizeibeamten warf. Auch er selbst soll laut Anklage Steine und pyrotechnische Gegenstände gegen die Polizisten geworfen haben.

Was der 22-Jährige aber bis dato vehement bestreitet. Er sei nur passiver Zuseher gewesen. Dem gegenüber steht aber belastendes Videomaterial. Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre Haft. Nur vier Tage später geht der Prozessreigen am 6. März mit der Verhandlung gegen einen 19-jährigen Spanier weiter, dem zur Last gelegt wird, mit einem Rucksack voller Steine auf dem Linzer Taubenmarkt erschienen zu sein und die Wurfgeschoße verteilt zu haben.

Am 9. März heißt es dann zusammenrücken auf der Anklagebank. Geladen ist ein Trio – ein 16-jähriger subsidiär schutzberechtigter Iraker und seine Freundin, eine 15-jährige thailändische Schülerin, sowie ein 15-jähriger afghanischer Asylberechtigter. Die beiden Burschen sind bereits polizeibekannt, das Mädchen ist vorbestraft.

Ihnen wird vorgeworfen, verbotene Böller verteilt zu haben. Die maximale Strafdrohung liegt altersbedingt bei der Hälfte, also bei zweieinhalb Jahren.

Auszugehen ist noch von weiteren Prozessterminen. Etwa gegen jenen 17-Jährigen, der für das Tiktok-Video "Morgen wird Linz zu Athena" – den eigentlichen Aufruf zur Teilnahme an der Randale – verantwortlich gewesen sein soll. Aber nicht nur für die Angeklagten haben die Ausschreitungen Folgen: Gegen 56 mutmaßliche Teilnehmer der Randale (35 Syrer, zwölf Afghanen, vier Iraker, drei Russen und je eine Person aus Somalia und Aserbaidschan) wurden Asylaberkennungsverfahren eingeleitet.

Prävention nötig

Die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt betont, dass die Zahl der Delikte unter Jugendlichen nicht gestiegen sei. Aber es werde sehr häufig in der Berichterstattung aufgegriffen, was zu einer Verzerrung führe. Sehr viele Jugendliche würden sich regelkonform verhalten, nur ein geringer Prozentsatz werde straffällig. Die Besuche ihrer Mitarbeiterinnen bei Jugendlichen in Haft würden zeigen: "100 Prozent derjenigen, die delinquent und verhaltensauffällig werden, haben selbst Gewalt erlebt", sagt Holz-Dahrenstaedt.

Straftaten Jugendlicher dürften keinesfalls bagatellisiert werden, "aber es lohnt sich, die Hintergründe anzusehen", sagt die Jugendanwältin. Ziel müsse es sein, die jungen Menschen zu erreichen und zu resozialisieren. "Strafe braucht es, es soll geahndet werden. Aber Investieren in die Prävention würde sich auszahlen." Um Jugendliche von gewalttätigem Verhalten abzuhalten, brauche es verstärkt Antiaggressionstrainings und Streetwork, dort, wo sich die Jugendlichen aufhalten, sagt die Jugendanwältin. In Berlin etwa fahren beim Projekt Kick – Sport gegen Jugenddelinquenz Polizisten mit dem VW-Bus zu Plätzen, wo sich die Jugendlichen aufhalten, und nehmen sie zum Training mit. "Dadurch entstehen positive männliche Vorbilder", nennt die Juristin ein Beispiel. Mit dem Projekt sollen Langeweile, Frust, Aggressionen und Perspektivlosigkeit einer sinnvollen Freizeitgestaltung weichen und ein Abgleiten in die Kriminalität verhindert werden. (Stefanie Ruep, Markus Rohrhofer, 2.3.2023)