Im Grunde begrüßt der Städtebund "ausdrücklich den vorliegenden Vorschlag zur Erhöhung der Geldstrafen und Verschärfung der Sanktionen für Geschwindigkeitsübertretungen". Das ist der Stellungnahme zur 34. Novelle der Straßenverkehrsverordnung (StVO) zu entnehmen. Dann folgt jedoch bald das große "Aber".

Geht es nach dem Städtebund, sollen in Ortschaften künftig nicht nur Exekutivorgane das Tempo kontrollieren.
Foto: APA / Christoph Soeder

Höhere Strafen und mehr Kontrollen

Und das lautet im Grunde so: Höhere Strafen helfen halt nichts, wenn niemand die Übertretungen kontrolliert. Das wollen die Städte und Gemeinden auch gern selber machen, weil man überzeugt sei, dass man damit die Verkehrssicherheit verbessern könne. Als Argumentationshilfe dienen dabei Daten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV) – ein privater Verein, dem neben dem ÖAMTC und dem ARBÖ auch die AUVA, der Verband der Versicherungsunternehmen Österreich, angehören.

Das KfV hat im Zeitraum von 2018 bis 2020 erhoben, dass die erlaubte Geschwindigkeit in Tempo-30-Zonen von 71 Prozent und in Tempo-50-Zonen von fast der Hälfte der Verkehrsteilnehmer überschritten wird. Im Zeitraum von 2017 bis 2021 war nichtangepasste Geschwindigkeit die Ursache für mehr als 8.000 Unfälle auf Gemeindestraßen, bei welchen mehr als 10.000 Menschen verletzt wurden, 70 Personen verstarben.

Hatten wir doch schon ...

Die Städte und Gemeinden haben durchaus Erfahrung mit selbstständigen Radarkontrollen. Bis 2008 haben einige das nämlich schon selbst in die Hand genommen oder dafür Subunternehmer beauftragt. Die Strafen wurden über eine Anonymverfügung ausgeschickt. Doch dann machte die Datenschutzkommission dieser Überwachung einen Strich durch die Rechnung.

Die kam im Juli 2008 zu dem Schluss, dass die Radarüberwachung eine verkehrspolizeiliche Aufgabe sei, die der StVO entsprechend nicht den Gemeinden zugewiesen sei. Darum dürften diese auch keine personenbezogenen Daten mit Radargeräten erheben und dann weiterverarbeiten. Eine Wiederaufnahme dieser Praxis bedarf folglich einer Änderung der StVO, für die Städte- und Gemeindebund im Zuge der 34. Novelle abermals kämpfen.

Sicherheit und Umweltschutz

Die Gemeinden sind also seit 2008 für Geschwindigkeitskontrollen wieder auf die Exekutive angewiesen. Doch "wir wollen im Sinne einer kommunalen Selbstverwaltung selbst entscheiden", wann und wo solche Messungen stattfinden, sagt Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. "Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wissen selbst am besten, wo die neuralgischen Punkte in den Orten sind, an welchen kontrolliert werden müsse." Und wenn man die Maßnahme weiterdenke und durch mehr Kontrollen die gefahrene Geschwindigkeit in Orten senken könne, "wäre sie auch eine Umweltschutzmaßnahme".

ÖAMTC dagegen

Ganz so begeistert ist man von der Idee des Städtebundes beim ÖAMTC nicht. Wegen der gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Lage. Zudem zweifelt ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer die Verbesserung der Verkehrssicherheit an: "Raser wird man damit nicht erwischen", meint er, "weil sich diese Kontrollen schnell herumsprechen." Und mit den Augen am Tacho zu kleben, um sicherzugehen, nicht zu schnell zu fahren, "hebt die Verkehrssicherheit nicht. Die Möglichkeiten für die Gemeinden liegen im Grunde wo anders als in der Verkehrsüberwachung, etwa bei der Straßengestaltung." Hoffer spricht eine vernünftige Parkordnung an, "gute Sichtrelationen zu schaffen und keine unübersichtlichen Straßenverläufe zu provozieren."

Etwas anders sieht man die Sache wenig überraschend beim nicht gerade autobegeisterten Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Man verweist zwar ebenfalls auf bauliche Maßnahmen und erklärt, dass stichprobenartige Kontrollen der Polizei wichtig seien. Aber: "Ergänzende Kontrollen durch Radarboxen sind aus Sicht des VCÖ unerlässlich, um die Verkehrssicherheit im Ortsgebiet zu verbessern", sagt Michael Schwendinger, denn "Tempolimits sind nur dann wirksam, wenn deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert wird. Gerade innerorts und gerade bei Tempo 30 sind Überschreitungen der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ein häufiges Problem." Und das werde zum Unfallrisiko, weil im Ortsgebiet viele zu Fuß mobil seien, "auch ältere Menschen und Kinder".

Abkassieren

Vor allem in der Bevölkerung wurden die Radarkontrollen der Gemeinden bis 2008 auch als Abkassiererei gesehen, mit der die Gemeindekassen aufgebessert werden sollen. "Das ist ein erwartbares Argument", sagt dazu Thomas Weninger. Folge man diesem, müsste man alle Strafbestimmungen im österreichischen Recht abschaffen. Er verweist darauf, dass man einer allfälligen Strafe auch ganz leicht entgehen könne: "Wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, hat man nichts zu befürchten."

Geschwindigkeitskontrollen fallen in Länderkompetenz, heißt es aus dem Klimaschutzministerium, und "die Rückmeldungen der Länder waren leider negativ, ein weiterer Vorschlag einer der beiden Seiten ist seither ausgeblieben".

Kontrolle von Zonenzufahrten

Mit einem zweiten Wunsch, nämlich jenem nach einer automatisierten Überwachung von Zonenzufahrtsbeschränkungen, ist der Städtebund vorerst ebenfalls abgeblitzt. Zumindest findet sich die computer- und kameraunterstützte Kontrolle von verkehrsberuhigten Innenstadtzonen nicht im Begutachtungsentwurf für die 34. Novelle der StVO. Dabei ist das System in anderen Ländern – wie in Italien mit der Zona traffico limitato (ZTL) – schon lange umgesetzt. Wieder gibt es Bedenken wegen des Datenschutzes. Die Kameras würden ja nicht nur die in die Zonen ein- und ausfahrenden Autos sehen, sondern etwa auch Fußgängerinnen oder Radfahrer.

Der Städtebund hat gemeinsam mit dem Klimaschutzministerium dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das alle datenschutzrechtlichen Fragen klärte und auch einen Vorschlag für die Novelle enthält.

Parlament entscheidet

Aus dem Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) verweist man darauf, dass es für ein solches Vorhaben aktuell keine Rechtsgrundlage gebe. "Im Rechtsgutachten werden einige umfassende datenschutzrechtliche Anforderungen erläutert, die im Falle einer Umsetzung jedenfalls zu berücksichtigen sind. Diese Erkenntnisse werden für eine nächste StVO-Novelle in Betracht gezogen." Das Ministerium unterstütze Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, "klar ist aber, dass eine Änderung der Straßenverkehrsordnung nicht durch das Klimaschutzministerium, sondern nur durch das Parlament beschlossen werden kann".

Die Technik dafür gebe es bereits, etwa von Kapsch, wo man um die Bedeutung von Datenschutz weiß und betont, "dass die straßenseitige Videosensorik ausschließlich Aufnahmen von Fahrzeugen und keine Radfahrer oder Fußgänger detektiert, verarbeitet oder speichert". Auch etwaige Beifahrer in Fahrzeugen würden unkenntlich gemacht, bevor die Daten zentral weiterverarbeitet werden. (Guido Gluschitsch, 2.3.2023)