CDU-Spitzenkandidat Wegner will sich von Noch-Bürgermeisterin Giffey ins Amt heben lassen.

Foto: Reuters / Fabrizia Bensch

Berlin – Nach der Wiederholungswahl in Berlin deutet sich ein Machtwechsel von Rot-Grün-Rot zu Schwarz-Rot an. Der Wahlsieger CDU strebt laut Parteikreisen ein Regierungsbündnis mit der SPD an. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wolle dem Landesvorstand vorschlagen, mit den Sozialdemokraten Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch. Zuvor hatte die "Berliner Morgenpost" berichtet. Ein Parteisprecher sagte, er kommentiere den Vorgang nicht. Der CDU-Vorstand kommt am Donnerstag zusammen.

Der Berliner SPD-Landesvorstand hat sich am Mittwochabend für Koalitionsverhandlungen mit der CDU ausgesprochen. Nach Angaben des Landesvorsitzenden Raed Saleh fiel das Votum in geheimer Wahl mit 67,6 Prozent deutlich für Gespräche mit der Union aus. "Es wird harte Gespräche geben", kündigte Saleh an. In dem Fall würde Giffey allerdings ihr Amt im Rathaus verlieren, das sie erst seit Dezember 2021 innehat.

Erster CDU-Bürgermeister seit 2001 möglich

Die deutsche Hauptstadt wird seit 2016 von SPD, Grünen und Linken regiert. Nach der später für ungültig erklärten Wahl im September 2021 hatten die drei Parteien ihr Bündnis erneuert. Neben Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün hätte auch diese bisherige Dreierkoalition im neuen Parlament eine Mehrheit.

Sollte Schwarz-Rot klappen, würde der CDU-Vorsitzende Wegner neuer Regierender Bürgermeister. Einen Regierungschef in Berlin stellte die CDU zuletzt mit Eberhard Diepgen, der von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 amtierte. Denkbar ist, dass die 44-jährige deutsche Ex-Familienministerin Giffey in einer schwarz-roten Koalition einen Senatsposten übernimmt. Spekuliert wird über eine Art "Superministerium" mit besonderer Machtfülle.

Grüne warnen vor "Rückschrittskoalition"

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kritisierte ein mögliches Bündnis aus SPD und CDU. "Dass sich die SPD und die CDU nun offenkundig füreinander entscheiden, zeigt, dass kommt, wovor wir im Wahlkampf immer gewarnt haben: eine Rückschrittskoalition", erklärte sie.

Die CDU hatte die Wiederholungswahl am 12. Februar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung vor den Grünen. Sie schnitten so schlecht ab wie noch nie bei einer Abgeordnetenhauswahl. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Parlament, das nun fünf statt bisher sechs Fraktionen hat.

Wahl von September 2021 musste wiederholt werden

Seit 17. Februar hatten die Parteien in Sondierungsgesprächen ausgelotet, ob es eine gemeinsame Basis für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen und für eine Regierungsbildung gibt. Die CDU sprach je dreimal mit SPD und Grünen. SPD, Grüne und Linke kamen ebenfalls dreimal zusammen.

Die Wahl am 26. September 2021 hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof wegen "schwerer systemischer Mängel" und zahlreicher Wahlfehler für ungültig erklärt. Das Gericht ordnete eine komplette Wiederholung an. An der Dauer der fünfjährigen Legislaturperiode ändert sich nichts. Sie endet also 2026. (APA, Reuters, red, 1.3.2023)