Die digitale Gesundheitsakte Elga steht in der Kritik, nur umständlich bedienbar zu sein.

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Mit der Forderung nach einem erleichterten Zugriff auf Patientendaten will Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben. Gemeinsam mit Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) reiste er im Februar nach Finnland, um sich Inspiration von Europas Musterschüler auf diesem Gebiet zu holen. Inspiration, die ein Jahrzehnt seit der Einführung der digitalen Gesundheitsakte Elga zu verwundern scheint. Zuletzt erneuerte die Ärztekammer ihre Kritik, wonach es dem System vor allem an einer effizienten Bedienung mangelt.

Edith Bulant-Wodak und Stefan Sabutsch, seit Jahresbeginn die neuen Geschäftsführer der Elga GmbH, zeigen für diese Kritik teilweise Verständnis. Im Interview mit dem STANDARD erklären sie die Herausforderungen für Elga und sprechen über die Zukunftspläne zur digitalen Gesundheitsakte.

STANDARD: Die Ärztekammer kritisiert, dass Elga umständlich zu bedienen sei und Ärztinnen und Ärzte zu wenig in die Entwicklung eingebunden seien. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Sabutsch: Elga selbst hat keine Oberfläche, die der Arzt bedienen kann. Eine umständliche Bedienung liegt möglicherweise daran, dass die Elga-Funktionen im Softwaresystem, das der Arzt in der Ordination selbst benutzt, nicht benutzerfreundlich eingebaut sind. Dadurch entsteht das Bild einer umständlichen Bedienung. Es gibt bessere und schlechtere Integrationen, komfortablere Integrationen sind meist mit zusätzlichen Kosten verbunden.

STANDARD: Die umständliche Bedienung liegt also an der mangelhaften Implementation der Software für Arztpraxen?

Sabutsch: Ja, eine benutzerfreundliche Umsetzung ist sogar gesetzlich verankert, dafür sind aber die Softwarehersteller verantwortlich. Damit das gut funktioniert, hatten wir im Jahr 2013 gemeinsam mit der Ärzte- und Wirtschaftskammer Usability-Style-Guides vorgegeben, wie die Umsetzung idealerweise erfolgen soll. Mittlerweile müssen wir feststellen, dass diese Richtlinien nicht überall eingehalten worden sind.

STANDARD: Wie ließe sich das Problem lösen?

Sabutsch: Die Software, die sich Ärzte beschaffen, ist ein privatwirtschaftlich erworbenes Produkt, so wie man sich beispielsweise eine Office-Anwendung kauft. Der Arzt kann aus einer Auswahl selbst entscheiden, was er kauft. Das Problem ist allerdings, dass Ärzte dieses Produkt nicht leichtfertig ändern, weil Abläufe und Dokumentation in der Praxis sehr eng mit der Software verzahnt sind. Der Wechsel auf ein anderes System wäre mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Unsere Einflussmöglichkeiten der Elga GmbH sind an dieser Stelle beschränkt.

Bulant-Wodak: Es ist sicherlich auch eine finanzielle Frage. Eine neue Software, die das gut integriert und eine benutzerfreundliche Bedienung gewährleistet, bedeutet mehr Aufwand und mehr Kosten, als eine kleine Schnittstelle zu bauen und sich mit einer suboptimalen Lösung zu arrangieren. Unser Zugang ist es, die Standards vorzugeben, das ist aber nur eine Empfehlung und keine Verpflichtung.

STANDARD: Kritisiert wird insbesondere die Suche im System, es sei beispielsweise nicht möglich, dokumentübergreifend zu suchen. Eingescannte Dokumente würden zudem eine direkte Suche im Text nicht ermöglichen. Liegt auch das an der Software für Arztpraxen?

Sabutsch: Das betrifft die bereitstellende Seite. Da steht ein Krankenhaus-Informationssystem dahinter, die diese Daten erfassen muss und dann in einem bestimmten standardisierten Format bereitstellt, damit sie über Elga abgerufen werden kann. Dazu gibt es auch ganz klare Vorgaben: Die Daten müssen einheitlich strukturiert und codiert sein, damit die Suche funktioniert. Bestimmte Informationen müssen codiert verfügbar sein, damit sie von einer Software verwendet, aggregiert und zusammengeführt werden können.

Entlassungsbriefe oder Röntgenbefunde bestehen hauptsächlich aus "Freitext" einer Ärztin oder eines Arztes. Informationen wie Laborbefunde bestehen hingegen aus strukturierten Einzelinformationen, die auch als solche weitergegeben und für eine weitere Verarbeitung übertragen werden können. Die Wirklichkeit kann allerdings von diesen Vorgaben abweichen. Generieren darstellende Softwaresysteme aus diesen hochstrukturierten Informationen zur einfachen Veranschaulichung ein PDF, entsteht fälschlicherweise der Anschein, als ob die Elga nur aus einem "Haufen PDF" bestehen würde.

STANDARD: Dass viele Daten nur als PDF vorliegen, ist also falsch?

Sabutsch: Im Bereich von wenigen Prozent gibt es schon Befunde, die immer noch als PDF bereitgestellt werden. Das ist schon auch ein Teil der Wahrheit, aber eben nur ein kleiner.

STANDARD: Welche Änderungen sind aus Ihrer Sicht am aktuellen System notwendig?

Sabutsch: Grundsätzlich sind wir mit den Forderungen der Ärztekammer vollkommen d'accord. Auch wir wollen mehr einheitlich strukturierte Dokumente, auch wir wollen ein gut bedienbares System haben. Wir müssen gemeinsam mit Ärzten, Ärztevertretern und der Software-Industrie daran arbeiten, wie wir diese Probleme lösen können. Wir sind laufend in Kontakt und gerade dabei herauszufinden, wie wir am schnellsten zu einer Lösung kommen.

Bulant-Wodak: Es sind wirklich alle Systempartner gefragt, die an einem Strang ziehen müssen und das auch tun, um Elga weiterzuentwickeln. Die Ärztekammer und die Softwareproduzenten sind wichtige Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Dazu zählen aber auch die Bundesländer und natürlich der Bund, der die rechtlichen Grundlagen schafft. Erfolgreich sein kann Elga letztlich nur dann, wenn wir es schaffen, einen Mehrwert für alle Beteiligten zu generieren. Und das sind neben den genannten Systempartnern vor allem die Bürgerinnen.

STANDARD: Was ist als Nächstes für Elga geplant? Gibt es so etwas wie eine Roadmap für die nächsten Jahre?

Sabutsch: Natürlich wollen wir neue Inhalte und Funktionen über Elga bereitstellen. Ganz oben auf unserer Prioritätsliste ist die Möglichkeit, Bilddaten über Elga auszutauschen, also beispielsweise Röntgenbilder zusätzlich zu den Befunden. Wir planen die Bereitstellung weiterer strukturierter Dokumente in Elga, zum Beispiel Ambulanzbefunde. Darüber hinaus gibt es für die nähere Zukunft Pläne, die an dieser Stelle aber noch nicht spruchreif sind.

STANDARD: Gibt es für die genannten Beispiele schon einen Zeitrahmen?

Sabutsch: Hinsichtlich Bereitstellung von Bilddaten laufen die Pilotprojekte schon, das wird von einigen Röntgenärzten und Betreibern erfolgreich genutzt, die Funktion muss noch in die Fläche gebracht werden. Die Herausforderung besteht hier insbesondere im Testen der Netzwerkbedingungen, weil Bilddaten die transferierten Datenmengen erheblich erhöhen. Mit den Ambulanzbefunden haben wir auch schon begonnen – da müssen die Dokumentationssysteme noch umgebaut werden, um künftig Elga-konforme Befunde erstellen zu können.

STANDARD: Gesundheitsminister Rauch und Staatssekretär Tursky haben Anfang Februar einen neuen Vorstoß zur Digitalisierung des Gesundheitswesens angekündigt: Welche Rolle wird Elga bei diesen Plänen spielen? Inwieweit sind Sie schon involviert?

Bulant-Wodak: Es gibt laufende Gespräche, und wir sind grundsätzlich in den Prozess integriert, aber es gibt noch keine konkreten Dinge, die wir bereits kommunizieren können. Unser Zielbild ist das gleiche, und Elga kann sicherlich einen wesentlichen Beitrag im Sinne einer Weiterentwicklung der Digitalisierung leisten, aber sicherlich nicht den einzigen.

STANDARD: Im Zuge der Ankündigung, das Gesundheitswesen zu digitalisieren, wurde Finnland als Vorbild genannt – was könnte sich die österreichische digitale Gesundheitsakte konkret vom finnischen System abschauen?

Sabutsch: Technisch sind wir in vielen Dingen, die in Finnland funktionieren, ähnlich aufgestellt. Eine Frage, die bei uns noch nicht geklärt ist, ob und wie Daten der Forschung bereitstellt werden können. Das ist derzeit in Elga ausgeschlossen. Voraussetzung dafür sind natürlich strenge Rahmenbedingungen, die in Bezug auf Datenschutz gewährleistet werden müssen.

Bulant-Wodak: Den Gedanken einer konkreten Planung und Steuerung des Gesundheitswesens kann man auch durchaus weiterentwickeln. Wir haben im Gesundheitswesen ganz viele Daten aus unterschiedlichen Bereichen, die in Österreich nicht zusammengeführt werden, die man aber durchaus heranziehen könnte. Auch hier gilt die Voraussetzung einer Anonymisierung der Daten. In Finnland setzt man diesen Gedanken bereits um.

STANDARD: Wie weit ist Elga davon entfernt, dass Österreicherinnen und Österreicher "nur einen Knopfdruck" von ihren Gesundheitsdaten entfernt sind, wie es sich Digitalisierungsstaatssekretär Tursky wünscht?

Sabutsch: Ein einziger Knopfdruck wird sich nicht ausgehen (lacht). Es wird eine einfache Lösung geben können, sofern wir Elga mit der Einführung von E-ID- und den E-Government-Mechanismen auch für mobile Geräte nutzbar machen können. Hier stellt sich aber nicht die Frage, was technisch machbar ist, sondern welche Tools wie zur Verfügung gestellt werden sollen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass der Abruf von Gesundheitsdaten über eine App wie beim Onlinebanking mit Multi-Faktor-Authentifizierung erfolgt. Das gilt es aber noch abzuklären. (Benjamin Brandtner, 2.3.2023)