Scholz zu einem Jahr "Zeitenwende".

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"Draußen höre ich eine Explosion. Jetzt ist die Zeit, tapfer zu handeln" – mit diesen Worten aus dem Tagebuch einer Ukrainerin, notiert sieben Tage nach Ausbruch des Krieges, beginnt Olaf Scholz am Donnerstag, vor seiner Abreise in die USA zu US-Präsident Joe Biden, seine Regierungserklärung. Sie trägt den Titel "Ein Jahr Zeitenwende". Vor einem Jahr hat nicht nur der Krieg begonnen, vor einem Jahr hat Scholz auch die "Zeitenwende" und die gleichzeitige Aufrüstung Deutschlands ausgerufen. 100 Milliarden Euro an Sondervermögen wurden dafür für die Bundeswehr zur Verfügung gestellt.

Man habe im vergangenen Jahr die Ukraine militärisch unterstützt, sagt Scholz einmal mehr und fügt hinzu, dies werde weiter geschehen – "so lange es nötig ist". Er bedankt sich ausdrücklich bei CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz, dass dieser dem Kurs zugestimmt hat.

Kritik am Manifest

"Wie also kommt die Ukraine dem Ziel eines gerechten Friedens näher?", fragt Scholz dann. Putin sei "im Moment" nicht bereit, über einen gerechten Frieden zu verhandeln. Ohne sie namentlich zu erwähnen, greift Scholz auch das "Manifest für den Frieden" der linken Abgeordneten Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer auf. Die beiden fordern ja einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und Verhandlungen mit Russland.

"Man schafft keinen Frieden, indem man in Berlin 'Nie wieder Krieg' ruft und fordert, die Waffenlieferungen einzustellen", kritisiert der Kanzler, "darum wird und kann es keinen Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer geben." Ein "Diktatfrieden" verbiete sich aber "nicht nur aus moralischen Gründen". Putins Imperialismus dürfe nicht belohnt werden. "Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung unter einen größeren Nachbarn", so Scholz. Daher "bauen wir unsere Unterstützung noch aus", verspricht Scholz.

Appell an Peking

Er wendet sich in seiner Regierungserklärung auch an China und sagt: "Meine Botschaft an Peking ist klar: Nutzen Sie Ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen. Liefern Sie keine Waffen an den Aggressor Russland."

Nach Scholz spricht Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Auch er knöpft sich zunächst die Linken-Abgeordnete Wagenknecht vor. Diese hatte am Montag in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" erklärt, Vergewaltigungen im Ukrainekrieg gebe es auf beiden Seiten, so etwas komme in Kriegen immer vor. Das, so Merz, sei "zynisch, menschenverachtend und niederträchtig".

Scholz bekommt zunächst Lob von Merz. "Zu Recht" habe der Kanzler darauf hingewiesen, dass die Verbündeten in der EU und in der Nato zusammengewachsen seien. Merz: "Zum Bild gehört aber leider auch dazu: Ohne die Hilfe der USA wäre Kiew in russischer Hand." Scholz nämlich handle zu zögerlich. Vom 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen seien erst zwei Drittel verplant. "Vielleicht müssen Sie immer noch die Widerstände in Ihren eigenen Reihen überwinden", mutmaßt Merz und sagt: "Sie bleiben weit hinter den selbst gestellten Ansprüchen zurück." Das, so Merz, "muss sich in den nächsten Wochen ändern." (Birgit Baumann aus Berlin, 2.3.2023)