Die Zahl junger Opioidsüchtiger bleibt zwar gleich, der Anteil der unter 25-Jährigen bei den Drogentoten steigt aber leicht.

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Es ist gut drei Wochen her, dass in einer Wohnung in Heidenreichstein im Bezirk Gmünd zwei tote Jugendliche gefunden wurden – ein 14-jähriges und ein 17-jähriges Mädchen. Ein 16-Jähriger verständigte zuvor die Exekutive, die wiederum die Rettungskräfte. Aber es sei nicht gelungen, die beiden Mädchen am Leben zu halten, sagte Johann Baumschlager von der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 8. Februar. Todesursache dürfte die Einnahme von Drogen gewesen sein, der 16-Jährige erzählte von einer Party, bei der synthetische Drogen konsumiert worden seien.

Die zwei Todesfälle im Waldviertel könnten Teil eines traurigen Trends sein, den der Epidemiologiebericht Sucht 2022 der Gesundheit Österreich GmbH (Gög) ausweist, der am Donnerstag präsentiert wurde: nämlich dass die Zahl der Menschen, die an Drogen sterben, steigt. Der Anteil der Personen unter 25 Jahren wächst dabei leicht, etwas mehr jener von jungen Frauen.

Kurve geht seit 2017 nach oben

Insgesamt gab es laut dem Bericht 235 direkt auf Drogen zurückzuführende Todesfälle im Jahr 2021. Das ist ein deutlicher Anstieg zum Jahr davor, als 191 Drogentote gezählt wurden. Im Wesentlichen geht die Kurve seit 2017 nach oben, im Jahr 2021 aber besonders steil. Die Zahlen des vergangenen Jahres werden erst ermittelt.

In den allermeisten Fällen (86 Prozent) ist im Fall des Drogentods Opioidkonsum im Spiel, sagte Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht an der Gög. Dabei handle es sich in Österreich in erster Linie um Heroin. Insgesamt betreffen tödliche Überdosierungen meist Männer (85 Prozent). Die Verstorbenen waren im Schnitt 34,4 Jahre alt.

Kurt Fellöcker, Psychotherapeut und Leiter des Lehrgangs für Suchtberatung und Prävention an der Fachhochschule St. Pölten, vermutet, dass auch im Fall der beiden verstorbenen Mädchen Opiate oder Opioide (also künstliche Opiate) im Spiel gewesen sein dürften – Fentanyl etwa, das eigentlich als Schmerzmittel eingesetzt wird. "Davon ist auszugehen, weil nur wenige Substanzen zu einer derartigen Atemlähmung führen, und das sind Opioide oder Benzodiazepine", erklärt er.

Einen wachsenden Missbrauch von Opiaten beobachtet man in den USA schon länger. "Hoffentlich kommt es in Österreich zu keiner Fortsetzung dieses Trends", sagt Fellöcker. Vor allem gebe es in den USA zunehmend Probleme mit synthetischen Opioiden, sagte Busch von der Gög am Donnerstag. Dieses Phänomen sei hierzulande bisher glücklicherweise nicht aufgeschlagen.

Belastungen durch Covid-Pandemie

Was sind die Gründe für diesen Anstieg bei der Zahl der Drogentoten? "Es kann eine Folge der Covid-19-Pandemie sein, dass es zu mehr Belastungen, zum Beispiel Ängsten und Vereinsamung, kam. Es kann aber auch sein, dass sich die Drogensituation verschärft – oder ein Mix aus beidem", sagte Martin Busch. Die Situation der vulnerablen Gruppe der Suchtkranken habe sich insgesamt in dieser Zeit verschlechtert, unter anderem durch weniger Möglichkeiten, neu in eine Substitutionsbehandlung zu kommen.

Was seit Jahren in etwa stagniert, ist die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten von Opioiden, die jünger als 25 Jahre sind. Die Personengruppe mit risikoreichem Opioidkonsum altert laut Epidemiologiebericht der Gög sogar deutlich. Das liegt laut Busch wohl daran, dass viele in Substitutionsbehandlung sind und man daher auch mit Opioidsucht zunehmend älter werde.

Auf Substanzensuche

Welche Substanzen in der Pandemie sonst im Umlauf waren, darauf deuten etwa Berichte von Checkit!, dem Wiener Kompetenzzentrum für Freizeitdrogen, hin. Im Jahr 2021 wurden 1.336 mutmaßlich psychoaktive Substanzen zum Drugchecking abgegeben und vom Checkit!-Labor analysiert, davon mit 366 Proben am häufigsten Kokain. Darüber hinaus wurden 182 Proben Speed, 145 Ecstasy-Tabletten, 133 MDMA-Proben und 108 Cannabisprodukte untersucht.

59 Prozent der analysierten Proben enthielten ausschließlich den erwarteten psychoaktiven Wirkstoff. Bei fast einem Drittel der Proben zeigte die Analyse hingegen zusätzlich zum erwarteten Inhalt einen anderen oder einen weiteren Wirkstoff, ganz besonders häufig war das bei Speed-Proben der Fall. Bei 14 Prozent der Proben, am öftesten bei Ecstasy, musste aufgrund der gesundheitlich besonders bedenklichen Zusammensetzung des Pulvers oder der Tablette eine Warnung ausgegeben werden.

Aber diese Daten zeichnen kein gesamtheitliches Bild. Nur ein verschwindend geringer Anteil der in Österreich konsumierten Drogen landet beim Drugchecking und wird somit statistisch erfasst. "Österreich hat keine verlässlichen Zahlen, weil es kein gutes Drogenmonitoring gibt. In Oberösterreich gab es so etwas einmal, aber auch das wurde eingestellt", kritisiert Fellöcker. Zudem gibt es im ländlichen Raum keine Möglichkeit zur Qualitätskontrolle der Substanzen.

Großer Aufklärungsbedarf

Hinzu kommt, dass sich der Markt für illegale Substanzen ständig verändert, berichtet Bettina Hölblinger, Bereichsleiterin für Suchtprävention bei Checkit!. Neben dem Wirkstoffgehalt betrifft das auch die Streckstoffe: Wenn man sich vor ein paar Jahren dazu entschied, Cannabis zu konsumieren, habe man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass in einer Cannabisblüte THC, CBD und andere pflanzliche Produkte enthalten sind. "Momentan sehen wir, dass Cannabis verstreckt wird mit synthetischen Cannabinoiden, und das bringt wieder ein Risiko mit sich, das man nicht einschätzen kann", sagt Hölblinger.

Generell herrsche großes Unwissen über Substanzen und die Gefahren, die der Konsum mit sich bringt, beobachtet Fellöcker in der Praxis: "Es werden oft sehr unterschiedliche Substanzen gleichzeitig konsumiert. Jugendliche verlassen sich auf das, was andere aus ihren Erfahrungen erzählen." Das Unwissen komme aber nicht daher, dass es zu wenig Information gäbe, glaubt Hölblinger. Ganz im Gegenteil, es gebe mittlerweile sehr viele Infos zu Safer Use. Aber manche Mythen und Falschinformationen hielten sich hartnäckig. "Für User und Userinnen ist es oft schwierig, aus dieser großen Fülle an Informationen zu erkennen, was jetzt wirklich wichtig ist und was eine Falschinformation ist", sagt Hölblinger. Das Wichtigste sei, sich auf Informationen zu fokussieren, die beide Seiten der Medaille zeigen, "weil egal was man konsumiert, es hat gewisse Wirkungen, und es wird auch gewisse Nebenwirkungen haben".

Bei der Gög konzentriert man sich bei der Analyse des illegalen Drogenkonsums denn auch auf Opioide, mit der Begründung, dass sie den Hauptteil des risikoreichen Drogenkonsums in Österreich ausmachen, wobei risikoreich ein von der WHO definiertes für eine Person schädliches Konsumverhalten beschreibt. Opioidsüchtige nehmen oft auch andere, teils illegale Substanzen ein. Die zahlenmäßig zweite relevante Gruppe sind dann laut Gög Personen mit Cannabiskonsum – um das Verhältnis einzuordnen, eine Zahl zu den Personen, die sich in drogenspezifischer Betreuung befinden: 82 Prozent sind es wegen ihrer Opioidabhängigkeit, zehn Prozent aufgrund von Cannabissucht.

Weniger Alkohol in der Pandemie

Die Gög hat auch untersucht, wie sich die Pandemie auf das Rauch- und Alkoholkonsumverhalten der Menschen in Österreich ausgewirkt hat. Beides habe sich durch die Pandemie wenig verändert. Rund 21 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher greifen täglich zur Zigarette. Dieser Anteil sinkt langsam. Was sich in Corona-Zeiten gezeigt hat, war, dass Raucherinnen – wohl stressbedingt, wie Busch hinzufügte – mehr rauchten.

Der Alkoholkonsum erreicht bei etwa 15 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ein problematisches Ausmaß, was laut WHO-Richtlinien rund 60 Gramm reinem Alkohol am Tag bei Männern entspricht (1,5 Liter Bier oder 0,75 Liter Wein) sowie 40 Gramm bei Frauen (ein Liter Bier, ein halber Liter Wein). In Zeiten der Corona-Pandemie ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum zurückgegangen, stellte die Gög fest. Allerdings habe er sich "massiv in den privaten Bereich verlagert", ergänzte Busch. In manchen Subgruppen habe es einen Anstieg beim Konsum gegeben, bei Menschen, die ohnehin schon viel Alkohol tranken. Sowohl beim Rauchverhalten als auch bei den Trinkgewohnheiten sieht Busch eine gesundheitsbewusstere junge Generation heranwachsen. Bei den Jüngeren sinkt der Anteil der Konsumenten und Konsumentinnen von Alkohol und Zigaretten nämlich kontinuierlich. (Magdalena Pötsch, Gudrun Springer, 2.3.2023)