Intendant Christophe Slagmuylder präsentierte sein letztes Festwochen-Programm.

APA

Wien – Manchmal erzeugen Sprechpausen unvorhergesehene Doppeldeutigkeiten. So kam man bei der Pressekonferenz der Wiener Festwochen kurz ins Stocken, als der scheidende Intendant Christophe Slagmuylder im Zuge seiner Begrüßung verkündete: "Ich bin sehr glücklich, Wien zu verlassen – mit dem Gefühl, etwas erreicht zu haben." Huch! Da mussten einige lachen, sah sich der belgische Festivalmacher in seinen schwierigen fünf Wiener Jahren doch einiger Kritik ausgesetzt.

Und als wäre es ein Geschenk zum Abschied – Slagmuylder wechselt im Sommer an das Kulturzen trum Bozar in Brüssel –, präsentierte er gemeinsam mit Geschäftsführerin Artemis Vakianis und den Dramaturgen Carolina Nöbauer und Bernhard Staudinger ein Programm, das die in den letzten Jahren allseits eingeforderten "großen Sprechtheaterproduktionen" nun zur Genüge aufbietet. Große Überraschungen finden sich darunter dennoch nicht, setzt Slagmuylder doch den in den Pandemiejahren eingeschlagenen Weg weitgehend fort.

Ein Wiedersehen gibt es beispielsweise mit dem argentinischen Theatermacher Mariano Pensotti, dessen wie eine Matrjoschkapuppe verschachtelter fiktionaler Dokumentartheaterabend La Obra in Wien Weltpremiere feiern wird. Oder mit Susanne Kennedy und deren Angela [A Strange Loop], das nach der Uraufführung beim Kunstenfestivaldesarts sogleich nach Wien kommt. Auch der für sein sozialpolitisch engagiertes Theater gefeierte Brite Alexander Zeldin kehrt wieder – mit The Confesssions, einer Arbeit über ein acht Jahrzehnte währendes Frauenleben im 20. Jahrhundert.

McBurney, Mundruczó et al

Aus früheren Jahren bekannt sind Joël Pommerat, der mit dem Coming-of-Age-Stück Contes et Légendes anreist, die designierte Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, Marina Davydova, die ein Museum of Uncounted Voices als Weltpremiere inszenieren wird. Kornél Mundruczó, der Pieces of a Woman im Akademietheater zeigt. Oder Simon McBurney, der sich mit Olga Tokarczuks Roman Gesang der Fledermäuse befasst hat. Mit gehö riger Pandemieverspätung wiederum kann Milo Rau, der designierte Festwochen-Inten dant ab der Ausgabe 2024, seine Antigone im Amazonas vom NT Gent zeigen.

Viele weitere Namen sind bekannt, darunter William Kentridge, Anna Rispoli, Jozef Wouters, Mette Ingvartsen oder Anne Teresa De Keersmaeker, für deren Creation 2023 erstmals die Volksoper als Kooperationspartner gewonnen werden konnte. Das weiterhin in Sanierung befindliche Theater an der Wien, eine traditionell wichtige Spielstätte der Wiener Festwochen, fehlt als solche noch schmerzlich.

Lanze brechen für das RSO

Die größte Musiktheaterproduktion der diesjährigen Ausgabe, Lulu von Alban Berg, wird deshalb in der Halle E Premiere haben (musikalische Leitung: Maxime Pascal), inszeniert von der kapverdischen Choreografin Marlene Freitas und unter Mitwirkung des ORF-Radio-Symphonieorchesters, für dessen Fortbestand Slagmuylder eine Lanze brach. Drei Weltpremieren kommen aus dem Musiktheaterbereich: Gesänge aus der Gefangenschaft mit dem Ensemble Phace, Verwandlung eines Wohnzimmers von Toshiki Okada mit dem Klangforum Wien sowie Song of Shank von Stan Douglas mit dem Ensemble Modern.

Mit einer Konzertreihe könnte die Jazz-Institution Porgy & Bess (neben dem Club Liaison am Franz Josefs Kai 3) zu einem heimlichen Festivalzentrum werden. Beginnend mit Moor Mother zum Eröffnungswochenende am 13. Mai bis zum Auftritt des New Yorker experimentellen R&B-Sängers Serpentwithfeet am 16. Juni. Apropos: Rund 700 Künstlerinnen und Künstler sind bei den Wiener Festwochen 2023 zugange, davon ein Drittel aus Österreich, so Geschäftsführerin Vakianis. 36 Produktionen an 20 Spielorten werden gestemmt.

Erstmals in Österreich werden die Arbeiten der Belgierin Anne Cécile Vandalem (Kingdom) sowie die des Franzosen Julien Gosslin, der in Extinction entlang von Schnitzler, Bachmann und Bernhard eine "fröhliche Apokalypse" imaginiert, zu sehen sein. An ein junges Publikum richtet sich Pinocchio der Gruppe Moved by the Motion vom Schauspielhaus Zürich.

Erstmals hat man auch eine Kabarettreihe ins Leben gerufen: "Comish" im Metropol, kuratiert von Maria Muhar. Insgesamt werden 45.000 Karten aufgelegt, deren Verkauf beginnt am Montag – erstmals mit ermäßigten U30-Tickets. (Margarete Affenzeller, 2.3.2023)