Vietnams Nationalversammlung hat am Donnerstag den 52-jährigen Vo Van Thuong mit 487 von 488 Stimmen zum neuen Präsidenten gewählt. Einen Tag zuvor hatte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Vietnams, der einzigen legalen Partei im Land, die Personalie auf den Weg gebracht. Thuong ist innerhalb der Parteiführung eines der jüngsten Mitglieder. Die Neuwahl war notwendig geworden, weil Amtsvorgänger Nguyen Xuan Phuc im Jänner wegen eines Korruptionsskandals zurückgetreten war.

Vietnams neuer Präsident ist ein Apparatschik erster Güte.
Foto: Hoang Thong Nhat / Vietnam News Agency / AFP

Außerhalb Vietnams dürfte man das neue Staatsoberhaupt lediglich in China und Südostasien kennen, wohin Thuong den Parteichef schon auf Reisen begleitet hat. Ansonsten hat der Mann, der an der Universität Ho-Chi-Minh-Stadt marxistisch-leninistische politische Theorie studierte, seine Karriere im wesentlichen im Apparat des kommunistischen Jugendverbands und der Partei verbracht. Er war zuständig für die Aus- und Weiterbildung von Parteimitgliedern in Ideologie, Kultur, Ethik und Moral, für Personalangelegenheiten, für Kampagnen zur Bekämpfung der weitverbreiteten Korruption und für die Überwachung der Medien. Thuong war es ein Anliegen, Individualismus von Parteikadern zu bekämpfen und Funktionäre, die einen Fehler begangen hatten, zum freiwilligen Rücktritt zu bewegen – ein Apparatschik reinsten Wassers.

Kein Kurswechsel absehbar

Carl Thayer, ein in Australien lebender, weltweit geschätzter Vietnam-Spezialist, rechnet nach der Wahl Thuongs nicht mit Änderungen in Vietnams Außenpolitik. Das knapp 100 Millionen Einwohner zählende Land orientiert sich international weitgehend an China und gehört im Ukraine-Konflikt zu den Unterstützern Russlands. Thayer erwartet, dass Thuong, wenn er im Amt des Staatspräsidenten Erfolg hat, ab der nächsten Legislaturperiode 2026 ein Kandidat für das noch wichtigere Amt des Parteichefs wäre. Denn Parteichef Nguyen Phu Trong ist 78 Jahre alt und gesundheitlich angeschlagen. Die Suche nach einem Nachfolger verläuft seit Jahren erfolglos.

Dabei kommt dem neuen Staatsoberhaupt zugute, dass er in jede Quote passt. In Vietnam quotiert man die obersten Führungsaufgaben nach regionaler Herkunft aus Nord-, Zentral- und Südvietnam. Thuong vereint alle drei Merkmale in einer Person: Er wurde im Norden geboren, im Süden verbrachte er Schul- und Studienzeit, in Zentralvietnam begann er seine politische Karriere. Ihn kann man praktisch mit jedem Funktionär kombinieren. (Marina Mai, 3.3.2023)