Die größten Tech-Konzerne müssen sich in der EU bald schon strikteren Regeln beugen.

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Das Internet ist ein Paradies für werbetreibende Unternehmen. Egal, welche Webseite man besucht oder welche Apps man verwendet: Das eigene Nutzungsverhalten wird umfassend nachverfolgt und verwendet, um personalisierte Anzeigen auszuspielen, die möglichst gut auf die Interessen der Empfängerinnen und Empfänger zugeschnitten sind. Dass es sich dabei um ein lukratives Geschäft handelt, ist kein Geheimnis. Google setzte 2021 210 Milliarden Dollar mit personalisierter Werbung um, der Facebook-Konzern Meta 115 Milliarden Dollar.

Als Verbraucher hat man wenig Möglichkeiten, sich der Datensammelwut großer Konzerne zu entziehen. Wenn man nicht weiß, wo man nachschauen muss, sieht man nicht mal zwangsweise, dass der eigene Aufenthalt im Internet getrackt wird – geschweige denn von wem und in welchem Ausmaß. Dennoch ist das Bewusstsein im Laufe der letzten Jahre größer geworden, eine Gegenbewegung zum Status quo hat sich laut einem STANDARD-Bericht sowohl auf politischer Ebene als auch bei dem einen oder anderen Softwarehersteller etabliert. Vermutlich auch, weil diese wissen, dass es ihnen bald an den Kragen gehen wird.

Ende der Irreführung

Die Möglichkeiten der größten Tech-Konzerne werden in naher Zukunft unter anderem auf EU-Ebene eingeschränkt. Obwohl sich die kürzlich verabschiedeten Bestimmungen des Digital Markets Act (DMA) und des Digital Services Act (DSA) primär um kartellrechtliche Angelegenheiten und den Kampf gegen Hass im Netz kümmern, nehmen die Gesetze auch das Tracking für Online-Werbung ins Visier.

Im Großen und Ganzen führen die beiden Verordnungen drei Maßnahmen ein, die dem Profit von Google und Co schaden könnten. Aufseiten des DSA wird unter anderem ein Verbot sogenannter Dark Patterns umgesetzt. Dabei handelt es sich um irreführende Website-Designs, mit denen User zu bestimmten Handlungen bewegt werden sollen.

Durch psychische Tricks sollen sie beispielsweise dazu ermutigt werden, eine Bestellung aufzugeben. Sie sollen aber auch dazu gebracht werden, allen Cookies – und somit dem Tracking ihres Verhaltens – zuzustimmen. Beim Aufrufen von Webseiten wird stets ein Cookie-Banner angezeigt, der einen um Zustimmung bittet. Das Problem: Nur selten findet man hier auf den ersten Blick auch die Möglichkeit, das Tracking abzulehnen, oft ist diese Option in den Tiefen verwirrender Menüs versteckt. Eine Vorgangsweise, die künftig nicht mehr erlaubt sein wird.

Konkret muss es laut den Gesetzgebern genauso einfach sein, die Nachverfolgung abzulehnen, wie sie anzunehmen. Bedenkt man die Folgen von Apples App Tracking Transparency (ATT), dürfte das für Werbetreibende vor allem eines bedeuten: Immer weniger Nutzerdaten von Menschen, die keinen Vorteil darin sehen, auf "Akzeptieren" zu klicken. Die angesprochene ATT hat Apple im Jahr 2021 eingeführt. Diese gibt Besitzerinnen und Besitzern von iPhones und iPads seither die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob Apps von Drittanbietern sie nachverfolgen dürfen oder nicht. Laut einem "Washington Post"-Bericht kostete das Feature Meta 2022 14,5 Milliarden US-Dollar, was auf reges Interesse innerhalb des Apple-Ökosystems hindeutet.

Verknüpfung verboten

Im Sinne des Kinderschutzes wird Werbetreibenden künftig außerdem verboten, Anzeigen gezielt an Minderjährige auszuspielen. Eine Maßnahme, bei der es sich um einen Kompromiss handelt. Linke Kräfte im EU-Parlament versuchten sogar, ein generelles Verbot personalisierter Werbung durchzusetzen – erfolglos. Laut DSA wird es jedoch eine Einschränkung des Trackings anhand bestimmter sensibler Kategorien geben. Zu diesen zählt zum Beispiel die sexuelle Orientierung von Userinnen und Usern.

Eine entscheidende Maßnahme findet man zudem im Digital Markets Act. Dieser sieht vor, dass es Konzernen wie Meta und Google künftig verboten sein soll, die Daten unterschiedlicher Dienste miteinander zu verknüpfen – solange keine explizite Zustimmung ihrer Kunden vorliegt.

Auf dem Papier wird das zu einem immer kleineren Pool an Tracking-Daten führen, was auch geschaltete Anzeigen weniger präzise machen dürfte. In der Praxis muss sich allerdings noch zeigen, wie "unterschiedliche Dienste" von betroffenen Unternehmen definiert werden. Während die EU zum Beispiel Google Kalender und Google Mail als getrennte Anwendungen betrachten dürfte, könnte der Konzern argumentieren, dass beide zur Business Suite gehören – und somit einen einzelnen Dienst darstellen. Auch Facebook setzt immer stärker darauf, die eigenen Services möglichst stark miteinander zu verzahnen, um eine Trennung zu erschweren.

Nur die Größten betroffen

Einem Teil der aufgezählten Maßnahmen eilen betroffene Unternehmen schon jetzt voraus. Dank der ATT verdient Apple bereits Milliarden mit personalisierter Werbung. Statt auf Third-Party-Cookies setzt der iPhone-Hersteller auf First-Party-Tracking. Der Unterschied: Statt die eigenen Kunden über alle möglichen Webseiten hinweg nachzuverfolgen, wird das Verhalten nur innerhalb des eigenen Ökosystems – also in hauseigenen Apps und Diensten – getrackt. Ein Vorgehen, das Apple als privatsphärefreundlich bezeichnet – und dessen Vorbild auch Google folgt.

Eine der größten Stärken des Digital Markets und des Digital Services Act ist in Bezug auf personalisierte Werbung allerdings auch ihre größte Schwäche: Die meisten Regulierungen betreffen nur die größten Tech-Konzerne, weil die Gesetze vor allem einen fairen Wettbewerb im Netz garantieren und bestehende Quasimonopole aufbrechen sollen. Der DSA definiert hierfür sogenannte "very large online platforms" (VLOP), also "sehr große Onlineplattformen", für die die meisten Regulierungen gelten. Als solche gelten Konzerne, die einen Plattformdienst mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern betreiben. Dabei ist es egal, ob es sich um einen Internetbrowser, soziale Medien, Messenger oder Suchmaschinen handelt.

Der Digital Markets Act kümmert sich unterdessen um sogenannte Gatekeeper. Um zu diesen zu zählen, müssen Unternehmen einerseits einen Plattformdienst mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern im Repertoire haben. Andererseits schreibt die EU einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro vor.

Langer Weg

Die größten Auswirkungen werden der DMA und DSA deshalb auf das Werbegeschäft der größten Marktteilnehmer Google und Meta haben. Das könnte zwar den Markt aufrütteln, potenziell aber kleinere Auswirkungen auf die Datensammelei haben, als ursprünglich geplant war. Obwohl die Gesetze schon in Kraft getreten sind, dauert es noch eine Weile, bis sie angewandt werden müssen. Mitte Februar haben Big-Tech-Konzerne ihre Nutzerzahlen vermeldet, im nächsten Schritt wird die EU festlegen, wer tatsächlich alles als Gatekeeper und VLOP gilt. Ab 2024 soll die neue Verordnung dann greifen. (Mickey Manakas, 7.3.2023)