Das US-amerikanische Urheberrecht kann als Waffe eingesetzt werden, um unliebsame Inhalte im Internet zu entfernen.

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Wer unliebsame Informationen über sich im Internet liest und über genügend Geld verfügt, kann sie offenbar problemlos verschwinden lassen. Der Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) weist nun auf weitere Fälle hin, in denen Journalisten dazu gezwungen worden sind, kritische Berichterstattung offline zu nehmen. Möglich macht dies ein simpler juristischer Trick unter dem Deckmantel des US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Das Gesetz dient zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet.

Dem Bericht zufolge ging es um einen Artikel der angesehenen südafrikanischen Zeitung "Mail & Guardian", zuvor soll die investigative Nachrichtenagentur Diario Rombe davon betroffen gewesen sein. Sie sollen sich kritisch über mächtige Öl-Lobbyisten geäußert und konkret gegen Gabriel Mbaga Obiang Lima, den Sohn des Präsidenten von Äquatorialguinea, sowie gegen seinen engen Mitarbeiter NJ Ayuk gerichtet haben.

Kritik an Öl-Lobbyarbeit

Laut OCCRP ist NJ Ayuk Geschäftsführer der afrikanischen Anwaltskanzlei Centurion Law Group und der Gründer der African Energy Chamber. Er ist ausgesprochener Befürworter der Ölindustrie in Afrika und richtete sich in der Vergangenheit schon mehrmals öffentlich gegen Journalisten, die seine Öl-Lobbyarbeit kritisierten und seine enge Beziehung zu Obiang Lima infrage stellten.

Der gelöschte Artikel von "Mail & Guardian" soll die Beteiligung von Ayuk an einem Ölgeschäft zwischen Südafrika und dem Südsudan im Wert von Hunderten von Millionen Dollar untersucht haben. Darin soll auch enthüllt worden sein, dass Ayuk 2007 in den USA wegen Betrugs verurteilt wurde, nachdem er sich schuldig bekannt hatte, illegal das Briefpapier und den Unterschriftsstempel eines Kongressabgeordneten verwendet zu haben, um Visa für Kameruner zu erhalten.

Nach der Veröffentlichung des Beitrags wurde der Webseitenbetreiber von "Mail & Guardian" von einem Mann namens "Ian Simpson" kontaktiert, der behauptete, er sei der ursprüngliche Autor des Artikels. Als Reaktion auf die Beschwerde schaltete der Betreiber die gesamte Website einen Vormittag lang ab. "Mail & Guardian" kam nach Recherchen zu dem Schluss, dass "Simpson" und sein Artikel gefälscht waren – dennoch musste der Artikel von "Mail & Guardian" gelöscht werden, damit der Webseitenbetreiber den Rest der Webseite wiederherstellte.

Das Geschäft mit dem Löschen

OCCRP behauptete, dass DMCA-Verfahren wie dieses häufig von "unbekannten Parteien" missbraucht werden, die rückdatierte gefälschte Artikel erstellen, um kritische Nachrichtenberichte ins Visier zu nehmen.

Nach dem US-Gesetz kann jeder Online-Autor, der behauptet, dass seine Inhalte gestohlen wurden, versuchen, das seiner Meinung nach verletzende Material "vom Netz zu nehmen", indem er über die Webserver, auf denen das Material gehostet wird, ein formelles Gerichtsverfahren einleitet.

Dieses Vorgehen deckt sich mit der perfiden Strategie der spanischen Reputationsmanagement-Firma Eliminalia, DER STANDARD hatte im Rahmen des Storykillers-Projekts darüber berichtet hatte. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen zur Löschung von Inhalten für Privatkunden an und ist dafür verantwortlich, dass die Arbeit von hunderten Journalisten und Bloggern jahrelang manipuliert oder gelöscht wurde. (bbr, 2.3.2023)