Kronospan-Produktionsanlage in Steinheim, Nordrhein-Westfalen.

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Wenn man einen Laminatfußboden betritt oder ein Regal aus dem Möbelmarkt zusammenzimmert, kommt man sehr wahrscheinlich mit den Fabrikaten dieses Unternehmens in Berührung. Seine Niederlassungen finden sich von Spanien bis Österreich, von Belarus bis in die USA. Kronospan – gegründet im Jahr 1897, kontrolliert von der Salzburger Unternehmerdynastie Kaindl – ist ein Weltkonzern, wenn auch einer der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannter: Es handelt sich um einen der größten Hersteller von Spanplatten und Holzverkleidungen der Welt.

Kronospan – Jahresumsatz laut dem Branchenblatt "Holzkurier": rund vier Milliarden Euro; 14.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an mehr als 40 Standorten – ist aber auch umstritten. In Rumänien, wo der Konzern Werke betreibt, äußern Umweltaktivisten gern Vorwürfe, wonach der Konzern Holz aus illegaler Schlägerung beziehen soll. Im Jahr 2021 musste Kronospan überdies – zusammen mit zwei weiteren österreichischen Holzriesen in Rumänien, Egger und HS Timber (vormals Schweighofer) – wegen illegaler Marktabsprachen eine Millionenstrafe an die Wettbewerbsbehörde bezahlen. In Belarus indes kochte 2021 der Protest gegen Kronospan hoch, nachdem Präsident Alexander Lukaschenko eines der Werke besucht hatte.

Kanalinseln, Liechtenstein, Zypern

Doch diese Geschichte handelt nicht von derartigen Vorwürfen, sondern von der Struktur des Unternehmens. Denn das Konstrukt, das unter dem Namen Kronospan zusammengefasst wird, ist extrem intransparent. Seine Ableger reichen bis auf die Kanalinseln, nach Liechtenstein und Zypern. Eben auf Zypern findet sich eine Firma, bei der zahlreiche Kronospan-Unternehmen zusammenlaufen: die Kronospan Technical Holdings Limited mit Sitz in der Hauptstadt Nikosia.

Um diese (mittlerweile umbenannte) Firma in Zypern geht es in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2019, die teilanonymisiert veröffentlicht wurde. Das Dokument zeigt, wie geheimnisumwoben die Eigentümerstruktur bei Kronospan, immerhin einem der wichtigsten österreichischen Unternehmen, tatsächlich ist. Die Intransparenz reicht derart weit, dass man nicht einmal sicher sagen kamm, wer letztlich die wirtschaftlich Berechtigten hinter Kronospan sind – wer alles also das Unternehmen tatsächlich kontrolliert, wie neben dem STANDARD auch das Nachrichtenmagazin "Profil" und der ORF berichten.

Hat Raiffeisen weggeschaut?

Doch nicht nur das. Das Dokument vom Juli 2019 zeigt auch, wie die Hausbank von Kronospan wegschaute, statt die komplexe Struktur des Unternehmens genau zu durchleuchten – so zumindest die Kritik der Behörden. Bei dieser Bank handelt sich um ein Finanzinstitut, das momentan vor allem anderweitig in der Kritik steht, wegen seiner Russland-Geschäfte: die Raiffeisen Bank International (RBI).

Ein Kronospan-Werk in Rumänien.
Foto: Thomas Einberger

Eigentlich sind Banken verpflichtet, stets zu überprüfen, welche natürlichen Personen hinter Unternehmen stecken, mit denen sie Geschäfte machen. Damit sollen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindert werden. Im Fall Kronospan sei die RBI dieser Pflicht nicht ausreichend nachgekommen, kritisiert die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) laut den Informationen, die dem STANDARD vorliegen.

Ein jahrelanger Rechtsstreit

Um die Causa zu verstehen, muss man wissen, dass seit einigen Jahren ein ausufernder Rechtsstreit zwischen der RBI und der FMA läuft. Die Behörde wirft der RBI vor, es in mehreren Fällen bei der Geldwäscheprävention in sogenannten Offshore-Gebieten in den vergangenen Jahren nicht genau genug genommen zu haben. Der Fall landete vor Gericht. Im Jahr 2018 wurde die RBI zur höchsten Geldstrafe verurteilt, die je ein Finanzinstitut in Österreich bezahlen musste – 3.572.400 Euro. Später jedoch wurde das Verfahren wegen Formfehlern und teilweiser Verjährung neu aufgerollt. Nach jahrelangem Rechtsstreit liegt die Causa heute immer noch vor dem Verwaltungsgerichtshof, nicht rechtskräftig.

Die Unterlagen zum Fall ermöglichen einen Blick in die diskrete Welt der Offshore-Geschäfte, wie sie die Öffentlichkeit sonst nicht erhält. Unter anderem geht es um die Geschäftsbeziehung zwischen der RBI und ihrem guten Kunden Kronospan – konkret des Zypern-Ablegers des Holzkonzerns.

Besonders hohes Risiko

Das zypriotische Kronospan-Unternehmen ist seit November 2007 Kunde bei der RBI. Es verfügt über acht Konten. Zwischen Anfang 2015 und April 2016 wurden auf diesen Konten rund 266 Millionen Euro bewegt, "wobei sich die höchste Transaktion auf 13.980.000 Euro belief", so die Unterlagen, die dem STANDARD vorliegen. Es geht also um enorme Summen.

Um möglicher Geldwäsche vorzubeugen, hätte die RBI genauer prüfen müssen, wessen Gelder sie da verwaltet, fand die FMA. Die Bank hatte "keine natürliche Person als wirtschaftlichen Eigentümer" der Kronospan Limited erfasst, so die Gerichtsdokumente. Wer letztlich die Kontrolle ausübt, konnte "durch die vorliegenden Unterlagen nicht abschließend geklärt werden". Dies sei umso problematischer, weil es sich bei der Kronospan Limited um "eine juristische Person mit komplexer Eigentums- und Kontrollstruktur" handle. Das Fazit: Das mit der Geschäftsbeziehung verbundene Risiko, für Zwecke der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden, sei als besonders hoch einzustufen gewesen.

Die ominöse Luda-Stiftung

Wie kommt die FMA auf derartige Feststellungen? Es hat mit der äußerst komplexen Struktur ineinander verflochtener Unternehmen zu tun, die hinter dem zypriotischen Kronospan-Ableger steckt. Kurzfassung: Die zypriotische Kronospan gehört – über ein weiteres, zwischengeschaltetes Unternehmen auf der Isle of Man – einer Stiftung in Liechtenstein. Diese trägt den Namen Luda Stiftung und hat ihren Sitz in der Hauptstadt Vaduz. Die Begünstigten der Luda-Stiftung: sämtliche Nachfahren von Peter Kaindl, einem der Oberhäupter der Industriellenfamilie und dem Leiter jener Teile der Kronospan-Gruppe, die von Österreich aus verwaltet werden.

Allerdings: Bei der Luda Stiftung handelt es sich um eine Einrichtung, die in Liechtenstein als "hinterlegte Stiftung" bekannt ist. Bei solchen hinterlegten Stiftungen "ist keine Übermittlung der Stiftungsdokumente an das Handelsregister erforderlich, sodass diese Rechtsform hohe Diskretion genießt", klärt die Liechtensteiner Treuhandkanzlei Juricon auf ihrer Website auf.

Wer sind die Begünstigten?

Heißt, die Verantwortlichen der Stiftungen können weitere Begünstigte – und demnach wirtschaftliche Eigentümer – bestimmen, ohne dass es jemand mitbekommen muss. Die RBI hätte eruieren sollen, wer alles genau hinter der Stiftung steckt oder von ihr profitiert – und damit, wenn man so will, auch zum Kunden der Bank wird. Die RBI habe "keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um zu prüfen, welche natürlichen Personen über 25 Prozent oder mehr der Zuwendungen (der Luda Stiftung, Anm.) ausüben", so die Unterlagen vom Juli 2019. Die Bank konnte deshalb "nicht überzeugt sein, zu wissen, wer die Begünstigten (der Luda Stiftung, Anm.) sind".

Was ist das Fazit aus all dem? Ein renommiertes österreichisches Unternehmen im Weltmaßstab verpasst sich eine derart komplexe Eigentümerstruktur, dass man am Ende nicht mehr richtig weiß, wer dahintersteckt. Und die Bank, die derartige Strukturen prüfen sollte, lässt laut den Behörden derartige Zustände durchgehen, ohne genau hinzusehen.

"Vollinhaltlich bekämpfen"

Die RBI äußert sich wegen des Bankgeheimnisses grundsätzlich nicht zu konkreten Kundenbeziehungen. Auf STANDARD-Anfrage lässt die Sprecherin des Instituts nur wissen: "Wir können mitteilen, dass die RBI sämtliche Vorwürfe der FMA aus diesem Straferkenntnis für nicht zutreffend hält und dieses daher vollinhaltlich bekämpft."

Und Kronospan? DER STANDARD hätte von der Zentrale des Unternehmens in der Salzburger Gemeinde Wals gern gewusst, wer die wirtschaftlich Berechtigten der liechtensteinischen Stiftung tatsächlich sind, warum ein derart komplexes Offshore-Konstrukt gewählt wurde und wie Kronospan überhaupt zu den Recherchen der FMA und des Gerichts steht. Doch das Unternehmen reagierte nicht auf die Anfrage. (Joseph Gepp, 2.3.2023)