1,2 Millionen Kunstwerke umfasst die Sammlung der Albertina. Zehn Prozent davon sind Dauerleihgaben.

Florian Wieser

In der Albertina geht eine Epoche zu Ende. Daran ließ Klaus Albrecht Schröder keine Zweifel, als der 67-Jährige jüngst eine weitere Amtsperiode ab 2025 öffentlich ausschloss. Ein wichtiges Signal, vor allem für internationale Bewerberinnen und Bewerber, die jetzt ein Auswahlverfahren erwarten, das nicht nur der Form halber erfolgt.

Noch bevor die Ausschreibungsfrist für die wissenschaftliche Geschäftsführung der Albertina am 13. März endet, kursieren bereits erste Namen potenzieller Nachfolger. Als bestätigt gilt Angela Stief (49), die Schröder 2020 als Chefkuratorin an die Albertina Modern holte, 2021 zur dortigen Direktorin ernannte und jüngst auch noch selbst als Nachfolgerin ins Spiel brachte.

Jasper Sharp (47), Direktor der philanthropischen Organisation Phileas, winkt dagegen auf Anfrage ab: Er bewerbe sich weder für die Albertina noch für die derzeit ebenfalls ausgeschriebene Generaldirektion des Kunsthistorischen Museums. Zu den Kandidaten gehört jedenfalls Hans-Peter Wipplinger (55), Direktor des Leopold-Museums, der bei Schröders letzter Vertragsverlängerung 2019 in der Begutachtungskommission saß. Schon damals stellte Wipplinger seine künftige Bewerbung in Aussicht.

Redimensionierung der Albertina?

Dem Vernehmen nach tritt er mit einem Konzept an, das eine Redimensionierung vorsieht, konkret eine Reduktion von Blockbuster-Ausstellungen. Sie gehörten zum Erfolgskonzept Schröders, insbesondere im Hinblick auf Besucherzahlen: 2019 zählte die Albertina etwas mehr als eine Million Besucher, vergangenes Jahr kam man zusammen mit dem 2020 eröffneten Standort Albertina modern auf 965.000.

Wen auch immer Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer noch vor dem Sommer zur Thronfolgerin oder zum Thronfolger ernennen wird, der oder die übernimmt ein von Schröder mit viel Verve ausgebautes Imperium, das auch unter dem ironischen Beinamen "Albrechtina" geläufig wurde. Kritiker pointierten damit die Verwandlung einer grafischen Sammlung in eine Bundeskunsthalle samt überdimensioniertem Ausstellungsstaccato.

Bei Letzterem spielen sowohl Seilschaften in die Galerieszene eine Rolle als auch Kontakte zu Privatsammlern, die ihre Kunstwerke nicht nur temporär für Ausstellungen zur Verfügung stellen, sondern auch mittel- und langfristig in der Albertina "parken".

Kein anderes Bundesmuseum hat das Modell "Museum auf Pump" derart perfektioniert. In der Ausschreibung blieben solche Dauerleihgaben allerdings unerwähnt, obwohl sich Schröders Nachfolgerin oder Nachfolger damit herumschlagen müssen wird. Von den etwa 1,2 Millionen Kunstwerken vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart macht ihr Anteil laut Albertina aber nur etwa zehn Prozent aus.

Problem Dauerleihgaben

Das klingt überschaubar, sagt allerdings nichts über ihre Relevanz und damit verknüpfte Abhängigkeiten. Am Beispiel der 445 Werke umfassenden Sammlung Batliner erklärt: Seit 2007 wurde sie zum markenprägenden Herzstück des Hauses. Wie der Rechnungshof in seinem Bericht 2019 vermerkte, seien Batliners Leihgaben für 47 Prozent des Albertina-Publikums der Hauptgrund für den Museumsbesuch.

Der Liechtensteiner Rechtsanwalt Herbert Batliner verstarb 2019. Knapp zwei Jahre zuvor war der Leihvertrag um weitere zehn Jahre verlängert worden und läuft theoretisch 2027 aus. Ob und unter welchen Bedingungen Batliners Erben überhaupt Interesse an einer Fortführung der Allianz hegen, ist ungewiss. Praktisch ist dazu nichts in Erfahrung zu bringen.

Zu privatrechtlichen Verträgen könne man keine Auskunft geben, verlautet aus der Albertina. Nur so viel, sie seien nicht an die Person Klaus Albrecht Schröder geknüpft. Die Vereinbarungen mit Dauerleihgebern sind ein gut gehütetes Geheimnis, zudem hat die Geschäftsführung im Einklang mit der Museumsordnung freie Hand.

Nur wenn die geschätzten jährlichen Folgekosten über 100.000 Euro liegen oder "zum Wert des Sammlungszuganges in einem disproportionalen Verhältnis stehen", ist die Zustimmung des Kuratoriums notwendig. Dem BMKÖS liegen solche Verträge nicht vor, sie können jedoch im Einzelfall angefordert werden, wie auf Anfrage zu erfahren ist.

Erste Verträge laufen 2026 ab

Zu den Dauerleihgaben mit potenziellem Ablaufdatum gehört etwa die 455 Werke umfassende Sammlung Jablonka. Der Vertrag läuft bis Sommer 2026, eine Verlängerung ist ungewiss.

Für den deutsch-polnischen Kunstsammler und Ex-Galeristen hängt die Entscheidung auch davon ab, was die neue Direktion damit vorhabe, wie er im Gespräch betont. Denn grundsätzlich habe er "die Werke nicht dorthin verliehen, damit sie in irgendeinem Lager verschwinden", sondern "auch gesehen werden". Nachsatz: Ein Lager habe er ja selbst.

Nur eines möchte er schon jetzt für sich ausschließen: die Präsentation seiner Leihgaben im ehemaligen Essl-Museum. Denn "meine Sammlung ist relativ klein und relativ punktuell. Ich möchte damit nicht in einem Meer versinken", erklärt Jablonka. Was es mit dieser Aussage auf sich hat? Das im Sommer 2016 geschlossene Museum Karlheinz Essls, der Teile seiner Sammlung der Albertina geschenkweise überließ, fungiert seit Jahren auch als eines von elf Albertina-Depots.

Jüngst hat Klaus Albrecht Schröder eine Revitalisierung des "hervorragenden Museumsbaus" angekündigt: Was seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger davon hält, steht derzeit allerdings noch in den Sternen. (Olga Kronsteiner, Ivona Jelcic, 3.3.2023)