Norwegens größte Umweltsünder haben vier Beine und ein Geweih: die Elche.
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Der Mensch ist fraglos jenes Tier, das am allermeisten zur gegenwärtigen Klimakrise beiträgt – nicht zuletzt, weil wir Abermillionen Nutztiere halten, die ihrerseits wieder jede Menge Treibhausgase emittieren. Doch es gibt auch wildlebende Tierarten, die genau genommen ziemliche Klimasünder sind, auch wenn sie nur auf eher indirekte Weise zum Klimawandel beitragen. Einer der – auch physisch – größten Umweltsünder hat laut einer neuen Studie der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU) in Trondheim überraschenderweise vier Beine und ein Geweih: der Elch.

Weniger Bäume, mehr Emissionen

Anders als methan-furzende Kühe steuern Elche allerdings nicht erst bei der Verdauung, sondern schon während der Nahrungsaufnahme zu einer schlechteren Treibhausgasbilanz bei. Auf dem Speiseplan der Huftiere stehen nämlich vor allem Laubbäume wie Birken, Ebereschen oder Weiden: "Ein ausgewachsenes Tier frisst täglich bis zu 50 Kilogramm Biomasse", erklärt NTNU-Forscher Gunnar Austrheim, Mitautor der neuen Untersuchung. Durch das Abfressen der Bäume sind Elche für etwa zehn Prozent der gerodeten Flächen Norwegens verantwortlich. Der Rest ist auf gezielte forstwirtschaftliche Maßnahmen zurückzuführen.

Das Problem dabei: Bäume binden bekanntlich CO2. Wenn aber Elche den Baumbestand durch ihr Fressverhalten reduzieren, können die Wälder weniger Kohlenstoff binden – was wiederum negativ zur CO2-Bilanz beiträgt. Je weniger Bäume, desto mehr CO2-Emissionen.

Radikale Rodung

Das Ausmaß in dem die Tiere für ungünstige Änderungen der CO2-Bilanz verantwortlich sind, war für die Forschungsgruppe aber eine Überraschung: "Wir waren wirklich verwundert, wie sehr Elche die Vegetation, den Kohlenstoffkreislauf und das Klimasystem beeinflussen können", betont Francesco Cherubini, Direktor des NTNU-Programms für industrielle Ökologie.

Die Heißhungerattacken der Wiederkäuer sind vor allem dann problematisch, wenn das Waldgebiet erst kurz zuvor "kahlgeschlagen" wurde. Darunter verstehen forstwirtschaftliche Fachkräfte die Komplettrodung und Wiederbepflanzung einer Nutzfläche, was zur Verjüngung des Waldes führt. Da Bäume erst ab einer gewissen Größe genügend CO2 verwerten, ist das Abfressen von frisch-eingepflanzten Jungpflanzen besonders fatal.

Ziel der Studie, die im Fachblatt "JGR Biogeosciences" erschien, war auch eine Quantifizierung des Problems. "Die Rolle von größeren Tieren für den Kohlenstoffkreislauf in der Vegetation ist für uns eine große Unbekannte", sagt Cherubini. Anders formuliert: Für viele Umweltfaktoren wie die Elche, die zur Erderwärmung beitragen, liegen noch keine Daten vor. Die sind aber nötig, um die Klimaszenarien mithilfe von Computermodellen noch besser zu machen.

Gleichgewicht herstellen

Die Ergebnisse der NTNU-Studie, deren Daten auf elfjähriger Beobachtung zurückgehen, bringen ein wenig Licht ins Dunkel. So kamen die Forschenden zum Schluss, dass in einer Region mit intensiver Forstwirtschaft und hoher Elchdichte die CO2-Emissionen, die durch das Verbissverhalten der Elche auf den abgeholzten Flächen entstehen, etwa 40 Prozent der jährlichen Emissionen fossiler Brennstoffe in dieser Region ausmachen. Allerdings hält sich auf den abgebissenen Flächen mehr Schnee, und die Flächen reflektieren mehr Sonnenlicht: Diese kühlende Wirkung der erhöhten Albedo etwa zwei Drittel dieser Auswirkungen ausgleichen.

Um die elchbedingten CO2-Emissionen zukünftig einzuschränken, muss die Anzahl der Tiere streng beobachtet werden, folgert das Forschungsteam. Elchpopulationen werden aber in Norwegen seit vielen Jahren stark überwacht. Cherubini erläutert: "Wir regulieren nicht nur die Anzahl der Tiere, sondern auch das Verhältnis von Weibchen, Männchen und Kälbern sehr sorgfältig. Um CO2 einzusparen, müssen wir ein Gleichgewicht zwischen Elchen und Bäumen herstellen." Auf diese Weise soll in Zukunft die CO2-Bilanz der Elche verbessert werden. "Das wäre eine Win-win-Lösung – für das Klima und die Tiere." (Anna Tratter, 12.3.2023)