Im Gastblog zeigt Rechtsanwalt Karl Newole, wer auf Skipisten wann haftet – und wie bei einem Unfall am besten vorgegangen werden sollte.

Nach einer Statistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit verletzen sich in Österreich jährlich bis zu 30.000 Menschen beim Ski- oder Snowboardfahren. Am häufigsten sind dabei Verletzungen des Knies, der Schulter und der Unterschenkel. Die überwiegende Mehrheit der Unfälle ist selbstverschuldet, etwa aufgrund unangepasster Geschwindigkeit, Unvorsichtigkeit oder mangelhafter Ausrüstung. Dies geht Hand in Hand mit dem oft vergessenen Grundsatz des Schadenersatzrechts: Ein Schaden trifft primär denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet (§ 1311 Satz 1 ABGB). Dort bleibt er in der Regel auch.

Bis zu 30.000 Menschen verletzten sich in Österreich jährlich beim Ski- oder Snowboardfahren. Dabei stellt sich oft die Frage der Haftung.
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Ist Fremdverschulden im Spiel, muss zwischen zwei sehr verschiedenen Fallgruppen unterschieden werden, die auch rechtlich nach unterschiedlichen "Drehbüchern" abzuhandeln sind: Die eine Gruppe betrifft Unfälle, die ursächlich auf andere Pistenbenutzer zurückzuführen sind. Für sie ist das "deliktische" Schadenersatzrecht anzuwenden, so wie wir es auch bei Verkehrsunfällen kennen. Ähnlich der Straßenverkehrsordnung ergeben sich Regeln für die Piste durch die "Fis-Verhaltensregeln", die jede Wintersportlerin und jeder Wintersportler kennen sollte.

Räumlich begrenzte Haftung

Die andere Gruppe sind Unfälle, die auf ein Fehlverhalten des Skigebietsbetreibers zurückzuführen sind. Großer rechtlicher Unterschied: Die wechselseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich dabei aus einem Vertrag, der in der Regel durch den Kauf einer Liftkarte oder eines Skipasses zustande kommt. Für den Betreiber besteht dabei die sogenannte Pistensicherungspflicht, wonach der von ihm organisierte Skiraum ordnungsgemäß zu sichern ist (RS0023865). Dabei kann auch die Frage entstehen, wo dieser "organisierte Skiraum", in der Regel also die präparierte Piste, endet und das freie Gelände beginnt.

In der OHG-Entscheidung 1Ob239/20h hatte der Kläger das Nachsehen: Er benutzte eine Abkürzung zum Liftparkplatz über einen Bereich, der lediglich von einigen Skispuren durchzogen war. Sein Argument, es handle sich dabei um ein "pistenähnliches Gelände", für das der Betreiber haften müsse, überzeugte die Gerichte nicht.

Wann Pistenhalter belangbar sind

Haftungsfälle des Skigebietsbetreibers ergeben sich oft aus sogenannten "atypischen Gefahren" auf der Piste, also Hindernissen, die die Skifahrerin oder der Skifahrer nicht ohne Weiteres erkennen oder trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann (RS0023417). Beispiele sind unmarkierte Betonsockel, ungesicherte Liftstützen, größere, überraschend auftretende apere Stellen oder ein aus der Piste ragender Felsbrocken.

Der Pistenhalter haftet für jedes Verschulden, auch leichte Fahrlässigkeit, und ihn trifft die sogenannte Beweislastumkehr, eben aus der erwähnten Vertrags- statt der bloßen Deliktshaftung: Er hat zu beweisen, dass er die Pistensicherungspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

Zu beachten bleibt, dass auch die verletzte Person nicht selten ein Mitverschulden treffen kann, etwa überhöhte Geschwindigkeit, was dann zur Minderung eines Ersatzanspruchs führt.

Richtiges Vorgehen

Kommt es zu einem Unfall auf der Piste, sollten Sie folgende Tipps beachten, die in der Aufregung und im Schmerz naturgemäß oft zu kurz kommen können: Versuchen Sie – auch durch helfende Dritte – Zeugen zu identifizieren und vor allem die Unfallstelle durch Fotos oder Videos zu dokumentieren – ändern sich die Schnee- und Pistenverhältnisse doch oft rasch. Bei einem Gerichtsverfahren, das oft ein oder zwei Wintersaisonen später eine Rekonstruktion des Unfallvorgangs durch Sachverständige am Ort des Geschehens bedingt, hängt vieles vom festgestellten Sachverhalt ab, der im Nachhinein oft nur schwierig zu rekonstruieren ist. Sachgerechte Dokumentationen können daher entscheidend sein. Und vergessen Sie auch nicht, die Liftkarte oder den Skipass aufzubewahren.

Am besten aber, Sie verhalten sich auf der Piste umsichtig und überfordern sich und andere nicht, damit die Freude am Wintersport erst überhaupt nicht vor Gericht landet. (Karl Newole, 9.3.2023)