Dirigent Nicholas Collon feierte ein überzeugendes Debüt im Wiener Konzerthaus mit dem ORF Radio-Symphonieorchester.

Foto: Nicholas Collon

Als wäre es als Plädoyer für den Erhalt des Klangkörpers von langer Hand geplant gewesen, wirkt das Programm des ORF-Radio-Symphonieorchester (RSO) Wien zuletzt fast wie eine Leistungsschau, bei der stets neue Facetten seiner Fähigkeiten vom klassisch-romantischen Repertoire bis zu aktuellsten Klängen zum Vorschein kommen. Allerdings war es immer schon so, dass das RSO im täglichen Betrieb eine solche Bandbreite pflegt – vielleicht führen die jüngsten Sparideen aber doch dazu, dass manche nun etwas genauer hinsehen und sich ihre Entscheidungen nochmals ganz genau überlegen.

Jüngster Coup war eine Aufführung des Oratoriums The Dream of Gerontius von Edward Elgar im Konzerthaus. Nicholas Collon konnte ein überzeugendes Debüt feiern – mit ruhiger Übersicht, stetigem Fluss und pointierten dramatischen Eruptionen.

Schlank und wendig mit metallischem Schmelz

Auch die homogene Singakademie wurde auf das Schönste integriert. Neben den ansprechenden Solisten Sasha Cooke als The Angel und Roderick Williams als "The Priest" sowie "The Angel of the Agony" war Michael Schade in der Titelpartie eine Idealbesetzung: schlank, fokussiert, wendig und mit wohldosiertem metallischem Schmelz – großartig!

Nicht minder toll das hochkonzentrierte Orchester: in den katastrophischen Episoden voll der brillanten Wucht, mit samtener Weichheit beim bestimmenden Tonfall der Wohltat der Erlösung. Letztere wäre auch dem ORF-RSO als Schlussstrich nach den jüngsten Diskussionen um seine Existenzberechtigung zu wünschen. (Daniel Ender, 4.3.2023)