Johnson bestritt mehrmals, dass Regeln gebrochen wurden.

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London – Ein vorläufiger Bericht eines Parlamentsausschusses zur "Partygate"-Affäre hat den britischen Ex-Premierminister Boris Johnson belastet. Die Beweise deuteten darauf hin, dass es für Johnson "offensichtlich" gewesen sein müsse, dass bei den illegalen Lockdown-Feiern in der Downing Street Corona-Regeln gebrochen wurden, teilte das Privileges Commitee am Freitag mit.

Das Komitee sprach von vier Fällen, in denen der ehemalige Regierungschef das Parlament belogen haben könnte, und lud ihn für die Woche vom 20. März zu einer Befragung vor. Der genaue Termin soll noch mitgeteilt werden. Johnson hatte wiederholt bestritten, dass in der Downing Street Regeln gebrochen wurden. Wegen seiner Teilnahme an einer Lockdown-Veranstaltung musste er eine Geldstrafe zahlen.

Mandatsentzug droht

Der konservative Politiker betonte seinerseits in einer Stellungnahme, dass der Interimsbericht ihn entlaste. Es werde klar, dass er das Parlament nicht belogen habe. Wenn festgestellt wird, dass ein oder eine Abgeordnete das Unterhaus belogen hat, droht der Entzug des Mandats.

Britische Medien veröffentlichten aber über Monate hinweg zahlreiche Berichte. So sollen Beschäftigte in der Downing Street während der Pandemie mehrere Partys veranstaltet haben, wobei Johnson bei den meisten nicht dabei war. Es gab einen Wein-Kühlschrank, Paare hatten Sex in Büros, bei einer Feier ging eine Schaukel von Johnsons Sohn kaputt. Der Ausschuss veröffentlichte auch einige Bilder von Treffen, bei denen Johnson und seine Mitarbeiter keine Masken trugen. Die Untersuchung sei auch durch den Unwillen von Johnsons Regierung aufgehalten worden, hieß es.

Skandal "fabriziert"

Der Ex-Premier, der auch wegen des Drucks in der Affäre im Juli 2022 zurückgetreten war, griff zudem die interne "Partygate"-Ermittlerin Sue Gray scharf an. Die langjährige Spitzenbeamtin, die zuletzt in leitender Funktion in der zentralen Regierungsbehörde Cabinet Office tätig war, hatte mehrere Regelbrüche angeprangert und den Verantwortlichen in der Downing Street ein verheerendes Führungszeugnis ausgestellt.

Nun wurde bekannt, dass Gray aus dem Öffentlichen Dienst ausgeschieden ist, um als Stabschefin von Oppositionsführer Keir Starmer zur Labour-Partei zu wechseln. Dies zeige, dass sie die "Partygate"-Ermittlungen nicht objektiv geführt habe, kritisierten enge Verbündete Johnsons. Der 58-Jährige nannte den Schritt "surreal" und "besonders besorgniserregend". Er hatte Gray im Dezember 2021 mit den Ermittlungen beauftragt. Auch die Polizei ermittelte und erließ unter anderem gegen Johnson wegen Teilnahme an einer Lockdown-Feier eine Geldstrafe.

Der Zeitung "Times" zufolge behauptete Johnson nun sogar, dass der Skandal "fabriziert" wurde, um ihn zu Fall zu bringen. Aus Johnsons Tory-Partei gab es Forderungen, der amtierende Premierminister Rishi Sunak müsse Grays Wechsel verhindern. Labour wies die Vorwürfe als lächerlich zurück. Die Oppositionspartei liegt in Umfragen mit großem Abstand vor den Tories. Grays Berufung zeige, dass Parteichef Starmer sich ernsthaft auf eine Regierungsübernahme nach der für 2024 geplanten Wahl vorbereite, kommentierten Beobachter in London. (APA, 3.3.2023)