European Lithium holt seit Jahren Proben aus dem Berg. Ein industrieller Abbau liegt dennoch in weiter Ferne.
Foto: Jakob Pflügl, European Lithium

Inmitten eines schneebedeckten Hangs führt ein schwarzer Stollen in den Berg. Dietrich Wanke schiebt das Gitter vor dem Eingang zur Seite und blickt in die Dunkelheit. Dort, im Inneren der Kärntner Koralpe, soll sich eines der größten Lithium-Vorkommen Europas befinden – jenes seltene Metall, das die Welt dringend braucht: für Elektroautos, für Smartphones, für Speicherbatterien. Und Wanke, gebürtiger Deutscher, ist nach Österreich gekommen, um den Schatz zu bergen.

Der Manager des australischen Bergbauunternehmens European Lithium kennt "seine" Mine mittlerweile in- und auswendig. Er schlüpft in Gummistiefel, stülpt sich seinen Helm über die Stoppelfrisur und stapft mit einer Taschenlampe in den Stollen. Wasser tropft von der Decke und bildet Lacken auf dem Boden. Wanke weicht ihnen geschickt aus, der Weg ist für ihn Routine. Er kommt regelmäßig – mit Interessierten, mit Lokalpolitikern, mit Investorinnen und mit jenen, die es noch werden wollen.

Keine Zukunft in Sachsen

Wanke studierte Bergbau und arbeitete im Lausitzer Kohlerevier. Dort, in Sachsen, sah er aber schon bald keine Zukunft mehr. "Deutschland hat den Bergbau kaputtgemacht", klagt er. "Und wenn man keine Zukunft mehr sieht, geht man dorthin, wo man gebraucht wird." Gebraucht hat man ihn in Sierra Leone, Papua-Neuguinea und in Australien, wo er nach Eisen, Gold und Lithium suchte. Vor knapp sieben Jahren verschlug es ihn dann nach Kärnten. Derzeit pendelt er mehrmals im Jahr zwischen Wolfsberg und Australien, wo seine Familie lebt.

Wanke bleibt stehen. Der Kegel seiner Taschenlampe flackert über ein dünnes weißes Band, das sich durch den schwarzen Fels zieht. "Erste Mineralisierungen", sagt er und deutet auf flache, glänzende Einschlüsse im sonst groben Gestein. Die weiße Farbe kommt vom Quarz, darin eingeschlossen ist Spodumen, aus dem in einem aufwendigen Verfahren Lithium gewonnen wird. Je tiefer Wanke in den Berg geht, desto größer werden die weißen Bänder, bis sie sich schließlich mehrere Meter breit durch das Gestein ziehen.

Langwierige Verzögerungen

Dass es auf der Kärntner Weinebene Lithium gibt, ist seit Jahrzehnten bekannt. In den 1980er-Jahren sprengte der Staat einen Stollen in die Koralpe und führte erste Studien durch. Anfang der 1990er verkaufte er die Schürfrechte um einen symbolischen Schilling an die private Kärntner Montanindustrie (KMI). Zum Abbau kam es aber nie. Das Metall war damals nicht so gefragt wie heute, die Gewinnung teuer. 2011 gingen die Rechte um zehn Millionen Euro an das australische Unternehmen European Lithium.

Auf große Ankündigungen folgten allerdings Verschiebungen und rechtliche Konflikte. Als die Australier 2011 nach Österreich kamen, war von einem Abbaubeginn im Jahr 2016 die Rede. 2017 verschob man den Start auf 2019, später auf 2020, 2022 und dann auf 2025. Einen formellen Antrag auf Errichtung der Mine gibt es nach wie vor nicht. Vor allem die Pandemie habe das Vorhaben erschwert, sagt Wanke. Der einzige Grund für die Verzögerungen dürfte das aber nicht gewesen sein.

Kärntens Lithiumvorkommen ist seit Jahrzehnten bekannt.
Foto: Jakob Pflügl, European Lithium

Ein Streit mit Glock

European Lithium lag jahrelang im Zwist mit dem Grundeigentümer – dem Waffenproduzenten Gaston Glock. Probleme gab es auch an der Wiener Börse: Im Juni 2021 verhängte die Finanzmarktaufsicht eine Geldbuße in der Höhe von 160.000 Euro gegen das Unternehmen. Wegen der "Verbreitung von Informationen und Nachrichten, die falsche und irreführende Signale" an den Markt ausgesendet haben. Im Jahr 2022 hagelte es eine weitere Strafe, diesmal wegen eines Verstoßes gegen Meldepflichten. Mittlerweile hat sich das Unternehmen von der Wiener Börse zurückgezogen und notiert nur noch in Australien.

Wanke geht voran. 300 Meter im Berginneren teilt sich der Gang. Er biegt links ab und schreckt dabei eine Fledermaus auf, die zwischen den Kegeln der Taschenlampen umherirrt. Zwanzig Schritte weiter öffnet sich der Stollen zu einem hohen, steinernen Saal. "Das ist unser Probeabbau", sagt Wanke. Hier soll das Gestein künftig Schicht für Schicht von unten nach oben abgesprengt werden. Die wertvollen Bestandteile – so der Plan – werden noch im Stollen aussortiert und per Förderband ins Freie gebracht. Das übriggebliebene Geröll füllt die Hohlräume auf und stabilisiert den Berg von innen.

"Es gibt in Europa keinen Lithium-Abbau, der in der Planung so weit fortgeschritten ist wie wir", sagt Wanke. Kritiker wie Günther Vallant, Bürgermeister des nahe gelegenen Frantschach, sehen das anders. "Es geht nicht um den Abbau eines wertvollen Rohstoffs, sondern um Aktienkurse", sagt er. Wanke will sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. Eine Mine brauche eben eine jahrelange Vorlaufzeit. Das Unternehmen habe bisher 30 Millionen Euro investiert, insgesamt seien rund 300 Millionen notwendig. Einen Teil davon will das Unternehmen mit einem weiteren Börsengang aufstellen, diesmal in den USA. "Wir haben einen fixen Liefervertrag mit BMW", erklärt er. "Wenn wir ihn nicht erfüllen, drohen uns Strafzahlungen."

Globale Dominanz

Wanke kehrt um. Beim Weg aus dem Stollen strömt ihm kalte Luft entgegen. Im Berg hat es konstante acht Grad, draußen herrscht an diesem Tag klirrende Kälte. Als er aus dem dunklen Gang in die grelle, schneebedeckte Landschaft tritt, klingelt sein Handy. Eine Meldung des deutschen Spiegel poppt auf dem Bildschirm auf. "Lithium im Kongo – wer hebt den Schatz?", schreibt das Magazin. "Den Artikel muss ich nicht lesen. Ich kann Ihnen sagen, wer den Schatz hebt", scherzt Wanke und schüttelt den Kopf. "Ganz sicher China."

China dominiert das globale Lithiumgeschäft, investiert in Minen auf der ganzen Welt und ist die Heimat von CATL, dem Marktführer für Autobatterien. Die Europäische Union hinkt hinterher und könnte in neue Abhängigkeiten schlittern. Verträge mit südamerikanischen Staaten wie Chile sollen Abhilfe schaffen. Ernsthafte Pläne für eine eigene Lithium-Gewinnung gibt es jedoch kaum. Es ist wie so oft in Europas Geschichte: Werte sollen importiert, die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt aber ausgelagert werden.

European Lithium holt seit Jahren Proben aus dem Berg. Ein industrieller Abbau liegt dennoch in weiter Ferne.
Foto: Jakob Pflügl, European Lithium

"Alles Lippenbekenntnisse"

Dabei wollte es Österreich eigentlich anders machen: Im Jahr 2019 verkündete die damalige Bergbauministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ihren "Masterplan Rohstoffe". Eine fixe Säule des Vorhabens: Lithium aus heimischen Lagerstätten. Verbale Unterstützung bekam Köstinger vom Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf. Gerade bei schweren Mineralien sei es besser, die Transportwege kurz zu halten. Der "Not in my backyard"-Zugang bei Rohstoffen sei "problematisch", erklärte Kopf damals.

"Alles Lippenbekenntnisse", beklagt sich Wanke heute. Abgesehen von einem Stück Papier habe er bisher keine Unterstützung der Bundesregierung gesehen, schon gar nicht finanziell. Das Finanzministerium bestätigt das auf STANDARD-Anfrage. Vonseiten des Bundes seien bis dato "keine Förderungen für die Gewinnung von Lithium im Allgemeinen und im Speziellen für das Vorhaben auf der Weinebene" vergeben worden. Derzeit sei dies "auch nicht geplant."

Ohne staatliche Hilfe werde sich das Vorhaben aber nur schwer stemmen lassen, sagt Wanke, bevor er mit seinem Elektroauto die Serpentinen ins Tal fährt. Das gewonnene Gestein würde diesen Weg künftig per Lkw nehmen. Dann soll es, wenn es die Energiepreise zulassen, von einem lokalen Unternehmen verarbeitet werden. Die Verkehrsanbindung wäre ideal: Von Kärnten aus könnte das Metall per Zug in wenigen Stunden in den Hafen von Triest gebracht werden – und von dort mit dem Schiff in die ganze Welt. (Jakob Pflügl, 4.3.2023)