3.000 Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas sind an diesem Wochenende in Peking eingetroffen, um im Rahmen des "Nationalen Volkskongresses" über Gesetze zu beraten und Regierungsmitglieder zu ernennen. Parallel dazu findet auch die "Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes" (CPPCC) statt, weswegen oft von "zwei Sitzungen" die Rede ist.

Überraschungen werden nicht erwartet, die wichtigsten Entscheidungen stehen bereits fest: Xi Jinping, der fünf Jahre zuvor seine Amtszeitbeschränkung abschaffen ließ, wird sich erneut zum Präsidenten wählen lassen. Li Keqiang, bisher Premierminister und insbesondere für wirtschaftliche Belange zuständig, wird den Stuhl für seinen Nachfolger Li Qiang freimachen. Wie jedes Jahr wird China auch wieder ein höheres Militärbudget verabschieden – die Ausgaben für die Verteidigung steigen seit Jahren in absoluten wie relativen Größen: Im vergangenen Jahr betrug die Steigerung 7,1 Prozent im Vergleich zum Jahr davor.

Pekings Propagandashow funktioniert immer schlechter.
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Propagandashow

All dies wird wie immer begleitet werden von einer gigantischen Propagandashow, die beim Volk den Eindruck von einer starken, wohlwollenden Führung erwecken soll. Nur das funktioniert immer schlechter.

"Den Menschen fehlt zunehmend der Optimismus und der Fortschrittsglaube – etwas, was China bisher immer ausgezeichnet hat", sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking und langjähriger China-Kenner. "Die Zero-Covid-Politik und die abrupte Wende Ende vergangenen Jahres hat die Regierung Glaubwürdigkeit gekostet. Hinzu kommen Probleme im Gesundheits- und Rentensystem. Ein Teil dieser Unzufriedenheit wird mit Propaganda und Nationalismus kompensiert werden können. Aber die Probleme bleiben, und die Top-Leute aus dem IT-Bereich wandern eben ab: nach Singapur oder Dubai."

Kein Wirtschaftsaufschwung in Sicht

Helfen könnte also ein starker Wirtschaftsaufschwung – womöglich durch ein besseres Verhältnis zum Super-Gegner USA. Davon aber ist nichts zu merken – im Gegenteil. Die chinesische Führung verharrt in einer "russophilen Neutralität", die die Skepsis bei den wichtigsten westlichen Handelspartnern nur steigert. Zwar ist an den Vorwürfen einiger republikanischer Abgeordneter, China würde insgeheim Drohnen nach Russland liefern, wohl nichts dran. Tatsache aber ist, dass Peking gerne das vom Westen sanktionierte russische Öl und Gas zum Discount kauft.

Chipmangel

Der Treibstoff des 20. Jahrhunderts ist vorhanden, der des 21. Jahrhunderts aber fehlt: Denn unterdessen vergrößert sich der Abstand zum Technologie-Führer USA weiter. Washington hatte im vergangenen Oktober ein Halbleiter-Embargo gegen China verhängt, dem sich vor kurzem auch die Niederlande und Japan (beides wichtige Standorte bei den Halbleiter-Lieferketten) angeschlossen hatten. Die chinesische Hightech-Industrie trifft dies empfindlich, da sie von den modernsten Chips nun so gut wie abgeschnitten ist. Ein Entgegenkommen scheint derzeit kaum möglich. China setzt jetzt darauf, die heimische Halbleiter-Produktion nach vorne zu bringen. So soll der größte heimische Chip-Produzent Yangtze Memory Technologies Co (YMTC) sieben Milliarden US-Dollar von staatlichen Investoren erhalten, wie vergangene Woche bekanntgegeben wurde. Trotzdem: Die Lieferketten für die Halbleiter-Industrie sind derart komplex, dass ein schnelles Aufholen Chinas als ausgeschlossen gilt.

Wuhanvirus

Sogar der Ursprung des Coronavirus wird als Munition im diplomatischen Kampf derzeit wieder verwertet: Gleich zwei US-Institutionen, die CIA und das Energie-Ministerium, halten es nun für wahrscheinlich, dass das Virus Sars-CoV-2 aus dem Labor in Wuhan stamme. Dort wurde zwar mit amerikanischem Geld an Coronaviren geforscht, die chinesische Staatspresse schäumte aber trotzdem und warf den USA vor, das Virus nach China eingeschleppt zu haben.

Peking drohen Sanktionen

Um die Insel Taiwan ist es aktuell etwas ruhiger geworden. Dabei könnte sich hier der bisher kalte Konflikt entzünden: Peking betrachtet Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern und seiner starken Halbleiter-Industrie als abtrünnige Provinz und will auch Waffengewalt nicht ausschließen, diesen Anspruch umzusetzen.

Das alleine aber wird nicht helfen, sollte China tatsächlich Waffen an Russland liefern. Am Mittwoch meldete die Nachrichtenagentur Reuters, die USA konsultierten derzeit "ausgewählte" EU-Staaten, um sie auf Sanktionen gegen China vorzubereiten. Diese sollten für den Fall in Kraft treten, dass Peking tatsächlich Russland unterstützt. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde das die chinesische Wirtschaft schwer treffen. Die Unzufriedenheit im Volk dürfte dann mit noch mehr nationalistischer Propaganda kompensiert werden. (Philipp Mattheis, 3.3.2023)