In der Artikelserie "Musik der Zukunft" widmet sich der STANDARD der Frage, wie technologische Veränderungen das Musizieren und das Aufnehmen sowie das Veröffentlichen und Vermarkten von Musik verändern. Unter anderem wurde bereits beleuchtet, wie künstliche Intelligenz das Komponieren von Musik verändert und wie NFTs helfen können, Musikrechte transparent zu machen. Heute gehen wir einen Schritt zurück und widmen uns der Frage, wie eigentlich Streamingplattformen funktionieren und wie man diese als Band nutzen kann.
Denn Plattformen wie Spotify, Deezer oder Apple Music haben der Branche auch in Österreich zuletzt wieder zu Umsatzwachstum verholfen, wie Daten des Musikwirtschaftsverbands IFPI zeigen: Im Vorjahr wurde im österreichischen Musikmarkt ein Umsatz von 215,2 Millionen Euro lukriert, was einem Plus von 13 Prozent entspricht. Streamingdienste sind bereits für 80 Prozent des Umsatzes mit aufgenommener Musik verantwortlich, bei einem Plus von 22,5 Prozent wurden auf diese Weise im Vorjahr 143,8 Millionen Euro erwirtschaftet, wobei 88 Prozent auf Premiumabos entfielen und nur ein kleiner Anteil auf werbefinanzierte Angebote zurückzuführen ist.
Mit Tools die eigene Musik publizieren
Für Musikerinnen und Musiker bringen diese Plattformen ebenfalls in gewisser Weise eine Demokratisierung des Geschäfts. Denn mussten früher Tonträger teuer bespielt werden und war der Vertrieb entsprechend schwierig, so gibt es heutzutage diverse Tools, mit denen Musik auf Spotify und anderen Plattformen vom eigenen Laptop aus publiziert werden kann.
Einer dieser Anbieter ist die in Tulln an der Donau ansässige Rebeat Digital GmbH. Dessen Geschäftsführer Günter Loibl war im vergangenen Jahr in den Schlagzeilen gestanden, weil seinem Unternehmen fälschlicherweise eine Insolvenz attestiert wurde. Tatsächlich war jedoch nicht Loibls Flaggschiff insolvent, sondern lediglich ein kleines Spin-off, mit dem er das Konzept einer "HD-Vinyl-Schallplatte" umsetzen wollte. Dies ließ sich technisch nicht wie erwartet umsetzen, weshalb Loidl das Unternehmen wieder zusperrte.
"Das Kerngeschäft läuft aber nach wie vor gut genug, dass ich es mir erlauben kann, damit andere Projekte zu finanzieren und auch mal einen sechsstelligen Betrag zu versenken", sagt Loibl. Bei vielen Versuchen wisse man im Vorfeld nun mal nicht, wie sie sich später entwickeln werden.
Spotify und Co verrechnen oft falsch
Ein erfolgreiches Projekt sei hingegen Legitary, das sich einer der größten Herausforderungen im Streaminggeschäft widmet: Der falschen Abrechnung von Songplays und somit nicht vollständigen Auszahlungen an die Musikerinnen und Musiker. Legitary soll dieses Problem lösen, indem über Machine Learning analysiert wird, ob die Auszahlungen korrekt sind. Über 300 Milliarden Streams wurden auf diese Weise schon analysiert, führt Loibl aus.
Dabei betont er auch, dass das Unterschlagen von Zahlungen zwar recht oft vorkomme, es sich aber selten um vorsätzlichen Betrug handle. Vielmehr komme es erstens oft vor, dass Tracks mit den falschen Metadaten hinterlegt sind und somit den falschen Urhebern zugerechnet werden.
Zweitens stellen Fake-Streams, also das Abspielen von Songs durch Bots zum illegalen Generieren von Einnahmen, für die Plattformen ein Problem dar: Denn wenn die Bot-Farmen eigentlich legale Accounts kapern und mit diesen Songs automatisch abspielen, so wird oft der gesamte Account geblockt – wodurch auch die eigentlich abgespielten Songs unter den Tisch verfallen, inklusive der legitimen Einnahmen.
Wie viel Umsatz behält Spotify?
Auch verrät Loibl, wie viel vom Umsatz die Plattformen für sich behalten. Demnach liegt der Anteil der meisten Anbieter zwischen 30 und 40 Prozent, 30 Prozent seien es etwa bei Spotify und bei Apple Music. Den Rest teilen sich die Urheber und die Labels auf, wobei die letztgenannten sich meist 40 bis 60 Prozent einbehalten. Bleiben somit zehn Prozent für die Musikerinnen und Musiker.
Anders verläuft es, wenn es sich um Indie-Bands handelt, bei denen Musiker und Label in Personalunion handeln. Hier fallen die vollen 70 Prozent an die Band – wobei zu beachten ist, dass in Österreich nur 60 Prozent über Plattformen wie Rebeat Digital ausgespielt werden, die restlichen zehn Prozent müssen sich Musikschaffende über die Verwertungsgesellschaften holen. Denn dabei handelt es sich um die sogenannten "mechanischen Vervielfältigungsrechte", die von den Plattformen an die Verwertungsgesellschaften für etwaige Downloads und ähnliches ausgeschüttet werden – in etwa vergleichbar mit der kontrovers diskutierten Festplattenabgabe.
Tool für Indie-Bands kommt im Sommer
Klingt alles ein wenig kompliziert? Ist es auch. Das gesteht auch Loibl ein, der darauf verweist, dass die Hauptsoftware von Rebeat Digital nicht auf Indie-Bands, sondern auf Profi-Labels zugeschnitten ist und aufgrund seiner zahlreichen einzelnen Funktionen überfordernd wirken kann. Grob gesagt ermöglicht die Software, Musik auf diverse Plattformen wie Spotify, Deezer und Apple Music zu laden und anschließend die Einnahmen zu lukrieren – damit einher geht aber auch ein ausführliches Rechtemanagement.
Im Sommer möchte Loibl daher eine Software veröffentlichen, die deutlich abgespeckter ist und sich somit explizit an "DIY-Künstler" richtet. Die Kosten dafür sollen sich für die Artists in einem Rahmen zwischen zehn und zwanzig Euro bewegen. Pro Jahr, und pro Künstler. Wer die Musik eines weiteren Artists vertreiben möchte, muss ein zusätzliches Abo anschließen.
KI-Flut auf Spotify?
Doch wenn das Veröffentlichen der eigenen Musik künftig noch niederschwelliger wird – besteht dann nicht auch die Gefahr, dass die Plattformen mit der ebenfalls leicht zu produzierenden KI-Musik aus der Retorte überflutet werden? "Es gibt diesbezüglich derzeit keine Regeln, denn es besteht auch keine Möglichkeit, menschliche Songs verlässlich von KI-Songs zu unterscheiden", sagt Loibl.
Schon jetzt verdienen manche Menschen laut Loibl monatlich fünfstellige Beträge mit dem Publizieren KI-generierter Musik auf derartigen Plattformen, führt Loibl aus. Als ein Beispiel für ein gelungenes – aber kommerziell nicht veröffentlichtes – Projekt an: den Versuch des DJs David Guetta, die Stimme des Rappers Eminem zu replizieren.
Allerdings ist diese Herangehensweise auch keine Einbahnstraße. So nennt Loibl das Beispiel von Tencent Music, welche 1.000 KI-generierte Songs auf der eigenen Plattform veröffentlicht haben, die sich wiederum unter die Playlists mischen. Einer dieser Songs hat über 100 Millionen Streams generiert.
Die Intention hinter derartigen Aktionen liegt auf der Hand: Publiziert eine Plattform selbst einen eigenen Song, der mit wenig Aufwand erstellt wird, so behält sich der Betreiber nicht mehr nur 30 Prozent des Umsatzes – sondern 100. (Stefan Mey, 6.3.2023)