Netflix spricht sich gegen die Pläne der EU aus.

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Der Erhalt und Ausbau von Breitbandnetzen ist teuer – und wird von Telekom-Konzernen über Einnahmen auf Kundenseite und mithilfe staatlicher Subventionen finanziert. Zumindest bisher. Die Europäische Union plant nämlich, einen Teil der Kosten auf Tech-Konzerne wie Netflix, Google und Co abzuwälzen. Der Grund: Diese seien für einen Großteil des Datenverbrauchs verantwortlich, ohne einen fairen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Betriebs zu leisten.

Einst eine Forderung der Telekom-Lobby, hat die EU mittlerweile eine offene Konsultation zur Idee der Datenmaut gestartet. Dabei warnen sowohl Datenschützer als auch die Telekom-Regulierungsbehörde der EU (BEREC) davor, dass vergleichbare Maßnahmen dem Ökosystem Internet sogar schaden könnten.

"Negativer Effekt"

Wenig verwunderlich ist, dass auch betroffene Unternehmen mit wenig Freude auf das Vorhaben reagieren. Nachdem Google öffentlich betonte, dass es erst "Content Provider" seien, die Nachfrage nach mehr Bandbreite und neuen Standards wie 5G generieren, hat sich nun auch Netflix zu Wort gemeldet. Die "Steuer würde einen negativen Effekt haben und die Investitionen in Inhalte reduzieren – was der kreativen Gemeinschaft schadet, die Attraktivität von höherpreisigen Breitbandpaketen beeinträchtigt und letztendlich den Verbrauchern schadet", sagte Co-CEO Greg Peters bei einer Rede beim Mobile World Congress (MWC) in Barcelona.

Laut Peters würden die Internetanbieter "behaupten, dass die Steuern nur für Netflix gelten würden. Dies wird sich jedoch im Laufe der Zeit unweigerlich ändern, da TV-Sender vom linearen Fernsehen zum Streaming übergehen". In Zukunft würden auch diese deutlich mehr Datenverbrauch generieren, laut Peters sogar mehr als derzeit dominante Streamingplattformen: "Die Breitbandkunden, die für diese erhöhte Nutzung verantwortlich sind, zahlen bereits für die Entwicklung des Netzes durch ihre Abonnementgebühren." Sollte die EU eine Datenmaut umsetzen, "würden die Internetanbieter für dieselbe Infrastruktur praktisch doppelt kassieren".

Keine sinkenden Kosten

Das sei auch deshalb fragwürdig, weil die neuen Einnahmen keine positive Auswirkung auf Endkunden haben dürfte. "'Wie die Verbrauchergruppe BEUC feststellte, gibt es "keinen Hinweis darauf, dass diese Abgaben in Form von niedrigeren Preisen oder einer besseren Infrastruktur an die Verbraucher weitergegeben würden‘", sagt Peters.

Wie auch Google betont Netflix außerdem, Milliarden in den Ausbau datensparender Systeme investiert zu haben. Das Content-Delivery-Netzwerk "Open Connect" stelle man Internetanbietern gratis zur Verfügung. Zu diesem würden 18.000 Server mit Netflix-Inhalten gehören, die sich an mehr als 6.000 Standorten und 175 Ländern befinden – was für gesteigerte Effizienz und Datensparsamkeit sorge.

Hoher Verbrauch

Die Behauptung, dass die größten Tech-Konzerne für einen Großteil des Datenverbrauchs verantwortlich sind, ist zwar nicht aus der Luft gegriffen. Laut dem Netzwerkintelligenzunternehmens Sandvine sind Videoplattformen wie Netflix und Youtube für 65 Prozent allen Traffics verantwortlich. Für BEREC rechtfertigt das allerdings keine Datenmaut. Vergangenes Jahr hielt die Behörde fest, dass sie keine Beweise dafür gefunden habe, "dass ein solcher Mechanismus angesichts der derzeitigen Marktlage gerechtfertigt ist". Es sei sogar denkbar, "dass eine solch bedeutende Veränderung dem Ökosystem Internet erheblich schaden könnte".

Gefahr für das freie Internet

Datenschützer warnen darüber hinaus vor Gefahren für die Netzneutralität – und somit für das freie Internet. Laut der österreichischen Grundrechtsorganisation Epicenter Works dürften Telekomfirmen nicht in den Datenverkehr eingreifen, indem sie einzelne Dienste im Internet verlangsamen, blocken, (gegen Geld) beschleunigen oder teurer machen." Sie dürfen also für keinerlei Ungleichberechtigung sorgen. Wie der STANDARD berichtete, könnte eine Internetmaut dieses Prinzip gefährden.

EU-Kommissar Thierry Breton betonte in einer Ansprache beim MWC, dass es nicht um einen Konflikt zwischen Netzbetreibern und Tech-Firmen gehe – sondern dass er das Ziel verfolge, Europa auf den nächsten Vernetzungsschub vorzubereiten. (mick, 4.3.2023)