Es sei ein "Ergebnis, das schmerzt", hatte die Bundesparteichefin noch am Wahlabend zu Protokoll gegeben. Und in der Tat dürften gerade für SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner die kommenden Tage und Wochen recht unangenehm werden.
Dass die SPÖ in Kärnten verlieren und damit auch die angezählte Bundesparteichefin weiter unter Druck geraten würde, war schon vor dem Wahlsonntag allgemein erwartet worden. Dass es am Ende aber doch ganze neun Prozent waren, die der in Kärnten an sich populäre rote Landeshauptmann Peter Kaiser einbüßte; dass die im südlichen Bundesland traditionell starke SPÖ auf gerade noch 38,9 Prozent absackte und Kaiser auch sein ausgegebenes Wahlziel eines "Vierers vorne" verfehlte: Das alles war dann doch ein bisschen viel. Und auch für Rendi-Wagner selbst noch ein bisschen mehr als erwartet.
Zwar bemühte sich Kaiser – offenbar ganz fairer Verlierer – noch am Wahlabend in einem auffällig resignativ klingenden "ZiB 2"-Interview, die Verantwortung für die deftige Wahlniederlage in Kärnten bei sich selbst zu belassen. Zur Frage der Zukunft Rendi-Wagners als Bundesparteichefin äußerte er sich ausweichend: "Sie ist es derzeit", sagte Kaiser. "Alles andere ist nicht aktuell zu diskutieren."
Entscheidung "nach der Salzburg-Wahl"
Schon die Sendung "Im Zentrum" direkt im Anschluss legte allerdings recht schnell offen, worüber in der SPÖ aktuell tatsächlich am meisten diskutiert wird. Über jenes Thema nämlich, das schon über lange Monate hinweg und sehr zum Missfallen der Parteispitze für die meisten roten Schlagzeilen sorgt: die scheinbar immerwährende rote Führungsdebatte.
"Der Zeitpunkt wird nach der Salzburg-Wahl sein", entfuhr es dem langjährigen burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) auf die Frage, warum sich sein Nachfolger Hans Peter Doskozil, der offenkundige Ambitionen auf den Parteivorsitz hegt, eigentlich nicht offiziell dafür in Stellung bringe. Ebendiese Landtagswahl in Salzburg in knapp zwei Monaten dürfte zu einer Art roten Demarkationslinie werden.
Zurückhaltung im Burgenland
Aus dem Burgenland war am Montag zu hören, dass man bis dahin keine Vorsitzdebatte anzetteln werde. Das entspricht der ursprünglichen Strategie, die man sich in Eisenstadt bereits vor einigen Wochen auferlegt hat: Füße stillhalten bis nach den beiden Landtagswahlen, danach werden die Karten womöglich neu gemischt.
Und auch Doskozil selbst hat sich zuletzt in öffentlichen Statements beim Thema tatsächlich auffällig zurückgehalten – oder gar explizit betont, dass er sich derzeit an keiner öffentlichen Diskussion um den Bundesparteivorsitz beteiligen werde.
Das wird innerhalb der Partei auch durchaus gesehen und anerkannt. Von den Medien fühlen sich deshalb viele in der SPÖ ungerecht behandelt. Natürlich sei auch ein schlechtes Landtagswahlergebnis ein legitimer Auslöser für eine Obfraudebatte, sagt eine prominente Rote zum STANDARD: "Aber dann ist das ein Thema für nach der Wahl – und nicht schon drei Tage davor." Es ärgere sie maßlos, dass das Thema "vor der Wahl gezielt herbeigeschrieben und hochgepusht wurde". Sie glaube natürlich an keine Verschwörung. Aber die Medien hätten da schon etwas hochgekocht, wofür es aktuell keinen Anlass gebe.
An der Kritik von Kommentatorinnen und Kommentatoren, wonach die Sozialdemokratie zu wenige Antworten auf drängende Fragen der Zeit anbiete, sei zwar einiges dran. An der Vorsitzdebatte sei aber trotzdem, auch rund um die Wahl, im Vergleich zu jedem anderen Zeitpunkt nichts neu.
Personelle Alternativen
Was die Genossin allerdings auch sagt: "Man wird sich sicher etwas überlegen müssen." Und sie meint damit sehr wohl die Vorsitzfrage beziehungswiese jene nach der Spitzenkandidatur für die im kommenden Jahr anstehende Nationalratswahl. Rendi-Wagner hätte es mit der lautstarken parteiinternen Kritik von Anfang an nicht leicht gehabt. "Sie kann ja nirgends auftreten, ohne dass sie jeder nach Doskozil fragt." Nun sei es aber keine Frage des Verschuldens, ob verdient oder unverdient – sondern letztlich eine "objektive" und politisch-pragmatische: "So wie die Gesamtsituation jetzt ist, kann Rendi-Wagner einfach nicht mehr das große Zugpferd sein."
Ein anderer Genosse in zentraler Funktion geht noch weiter: "Das Problem scheint zu sein: Rendi-Wagner fehlt zu vielen politischen Themen eine eigene Meinung." Es gebe zu oft eingelernte PR-Stehsätze, die kaum mit Inhalten erfüllt würden. Bei inhaltlichen Positionen herrsche deshalb regelmäßig ein von Unsicherheiten geprägter Schlingerkurs.
Aus Sicht des SPÖ-Manns gibt es allerdings noch ein anderes Problem: Auch die kursierenden Alternativen seien bezüglich der Erfolgsaussichten äußerst fragwürdig. "Doskozil würde die Vorsitzdebatte wohl nicht beenden. Es gäbe dann weiter viele unnötige Diskussionen in der Partei."
"Befreiungsschlag muss von ihr selbst kommen"
Der Genosse sieht aber durchaus andere personelle Alternativen in der Partei. "Es gibt da einmal die A-Liga der drei Landeshauptleute. Aber zum Beispiel auch Personen aus der Gewerkschaft wie Wolfgang Katzian, die das stemmen könnten." Nachteil der Landeshauptleute für den Parteivorsitz sei, dass ihnen die Erfahrung im Nationalrat abgehe, die gerade auch für eine Oppositionspartei zentral sei.
Als weitere Option für die Parteispitze nennt der erfahrene Politiker einen "Generationenschnitt": Die Nationalratsabgeordneten Julia Herr und Eva Maria Holzleitner oder der neue SPÖ-Niederösterreich-Chef Sven Hergovich seien diesbezüglich etwa denkbar. "Damit Rendi-Wagner selbst an der Spitze bleiben kann, wird sie jedenfalls einen größeren Befreiungsschlag brauchen", fügt er an. "Und der muss in jedem Fall von ihr selbst kommen."
Sozialistische Jugend fordert Sonderparteitag
Noch ein gutes Stück weiter aus der Deckung wagte sich am Montag die Sozialistische Jugend. Im Interview mit der Tageszeitung "Heute" fordert deren Vorsitzender Paul Stich einen vorgezogenen SPÖ-Parteitag noch in diesem Jahr – und damit im Jahr vor der 2024 anstehenden Nationalratswahl. Es sei an der Zeit, "dass die Führungsfrage geklärt werden muss". Wer immer sich zutraue, Mehrheiten abseits von Schwarz-Blau zu schaffen, solle sich melden. Über den Vorsitz entscheiden solle letztlich die Basis per Mitgliederbefragung.
Aus Westösterreich wurde Rendi-Wagner dagegen der Rücken gestärkt. Sowohl die Vorarlberger SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger, als auch die stellvertretende Tiroler SPÖ-Vorsitzende und Nationalratsabgeordnete Selma Yildirim stellten sich hinter die Bundesparteivorsitzende und kritisierten Doskozil scharf: Es könne nicht sein, dass dieser zu Sitzungen der roten Gremien immer wieder "nicht kommt und demokratische Entscheidungen nicht akzeptiert", sagte Yildirim zur APA.
Auf die Frage, ob sie mit den Aussagen Sprickler-Falschlungers übereinstimme, die es schon am Sonntag als "vollkommen unverständlich" bezeichnet hatte, wie Doskozil "so unsolidarisch sein kann und jedes Mal vor einer Wahl eine parteiinterne Diskussion befeuert", antwortete Yildirm: "Das kann ich nur unterstreichen". An Doskozil appelierte sie, "konstruktive Kritik" zu üben und diese in den parteiinternen Gremien vorzubringen. (Martin Tschiderer, 6.3.2023)