Es ist wieder bergab gegangen: SPÖ-Chefin Rendi-Wagner weiß wohl, dass das enttäuschende Kärntner Ergebnis auch ihr noch zu schaffen machen wird.
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Es kam schlimmer als befürchtet. Um die neun Prozentpunkte hat die regierende SPÖ in Kärnten verloren – weitaus mehr, als die Umfragen prophezeit hatten. Landeshauptmann Peter Kaiser stürzte damit ähnlich dramatisch ab wie seine Amtskollegen in Tirol und Niederösterreich von der mit Korruptionsaffären geschlagenen ÖVP.

Video: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gestand nach den Verlusten bei der Landtagswahl in Kärnten ein, dass das Ergebnis schmerze. "Wir hätten Peter Kaiser ein besseres Ergebnis gewünscht", so Rendi-Wagner.
DER STANDARD

Den Sozialdemokraten dräut damit eine doppelte Führungsdebatte. Der Vertrauensverlust Kaisers, der nur mehr 38,9 Prozent der Wählerstimmen hinter sich weiß, könnte Gelüste von FPÖ, ÖVP und Team Kärnten anfachen, eine Mehrheit gegen die SPÖ zu schmieden. Und natürlich droht auch jene zermürbende Diskussion hochzukochen, die sich schon im Wahlkampf kaum unterdrücken ließ. Denn die innerparteiliche Opposition wird das neuerliche Minus vor einem Wahlergebnis als Bestätigung auffassen: Mit Pamela Rendi-Wagner an der Bundesspitze sei schlicht und einfach nichts zu gewinnen.

Doch spielt die Bundespolitik bei einer Landtagswahl wie dieser tatsächlich eine so große Rolle? Oder hängen die Kritiker Rendi-Wagner am Ende eine Niederlage um, für die sie nichts kann? Zweifellos habe die Performance der Bundespartei einen Einfluss auf die Wahlresultate in den Ländern, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, doch dabei gebe es Grenzen. Aus einer Analyse der Ergebnisse seit 2000 liest der Politologe ein grobes Muster heraus: Jeder Prozentpunkt, den eine Partei österreichweit in Umfragen gewinne oder verliere, so die Faustregel, schlage sich in halbem Ausmaß bei den Landtagswahlen nieder.

Fragwürdige Ausrede

Auf Kärnten umgelegt heißt das Folgendes: Zum Zeitpunkt der Landtagswahl 2018 lag die Bundes-SPÖ in Umfragen um drei bis vier Prozentpunkte besser als heute. Gemäß Ennser-Jedenastiks Theorie sind also höchstens zwei Prozentpunkte von Kaisers nunmehrigen Einbußen mit der österreichweiten Situation der Sozialdemokraten erklärbar. "Es wäre somit fragwürdig, sich allein auf den Bund auszureden", sagt der Wahlforscher.

Dass die Kärntner SPÖ Vertrauen verloren hat, wundert Ennser-Jedenastik nicht. Die 48 Prozent von der Wahl 2018 seien in Zeiten einer immer kleinteiligeren Parteienlandschaft mit vielen Wechselwählern ein unüblich hoher Wert gewesen, von dem es in der Regel bergab gehen müsse: "Hinter diesem Ergebnis stehen so viele unterschiedliche Wählergruppen, dass es schwierig ist, nirgends anzuecken." Es wäre überraschend, würde die allgemeine Unzufriedenheit von Impfpflicht bis Teuerung nicht auch einen Landeshauptmann treffen.

Gegen die Obfrau spricht allerdings, dass matte Ergebnisse in ihrer seit November 2018 währenden Ära die Regel sind. Von einer Siegesserie wie in den Oppositionsjahren 2000 bis 2006 kann sie nur träumen. Als die SPÖ unter dem ebenfalls vielgescholtenen Alfred Gusenbauer bei allen Landtagswahlen dazugewann und in Salzburg und der Steiermark den Landeshauptmannsessel eroberte.

Triumph des Rivalen

Mit Rendi-Wagner verloren die Sozialdemokraten in der Steiermark und Niederösterreich empfindlich, in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg stagnierten sie auf ohnehin schwachem Niveau. In Wien gab es einen Zugewinn von zwei Prozentpunkten, im Burgenland mit plus acht Prozent den einzigen Triumph. Doch den kann sich Rendi-Wagner schwerlich an die Fahnen heften, regiert im östlichsten Bundesland doch ihr Rivale Hans Peter Doskozil.

An ihm sollte ein Führungswechsel nicht scheitern: Hans Peter Doskozil will offenbar SPÖ-Chef werden – aber will die SPÖ auch ihn?
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Persönlich eingefahren hat Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin ein Minus von 5,7 Prozentpunkten bei der Nationalratswahl 2019; die verbliebenen 21,2 Prozent sind das historisch schlechteste Ergebnis der SPÖ. Seither ist es laut den Umfragen bergauf gegangen – aber nicht genug, um die Zweifler in den eigenen Reihen verstummen zu lassen. Im Vorsommer kratzte die Partei an der 30-Prozent-Marke, um dann wieder auf 24 bis 26 Prozent zurückzufallen. Was viele Genossen besonders beunruhigt: Die FPÖ liegt demnach bereits klar voran.

Die Stimmungslage für die Bundes-SPÖ sei damit nicht so eindeutig, um eine Entscheidung pro oder kontra Rendi-Wagner vorzuzeichnen, analysiert Ennser-Jedenastik: In den Umfragen fänden beide Lager Argumente, um die eigene Position zu untermauern.

Rätseln um die mächtigen Wiener

In welche Richtung das Pendel letztlich ausschlagen wird? Eine entscheidende Rolle spielt, ob die einflussreiche, weil große Wiener SPÖ weiterhin Rendi-Wagner stützt. Insider wollten zuletzt Signale wahrgenommen haben, dass Landesparteichef und Bürgermeister Michael Ludwig der Obfrau das Vertrauen entziehe. Er selbst hat das aber öffentlich vehement bestritten.

Auch ein mächtiger Mann wie Ludwig kann die Stimmung in der Partei allerdings nicht ignorieren. Wird der Unmut in den roten Reihen über Rendi-Wagner und ihr Team zu groß, werden sich auch die Wiener Wortführer samt der bislang ebenfalls obfrautreuen Gewerkschaft nicht verschließen können.

Doch dann stellt sich die Frage nach der Alternative. Konkurrent Doskozil hat sein Interesse mehr oder minder deutlich deponiert, sich aber mit seinen Alleingängen auch viele Gegner gemacht. Ob er genug interne Zustimmung hätte, um die SPÖ geeint in einen Wahlkampf ziehen zu lassen, ist keinesfalls garantiert. Andere Varianten, die gerüchteweise gehandelt werden, haben ebenso einen oder gleich mehrere Haken.

Kaiser schließt Rücktritt nicht aus

Ob nun ein Signal zum Sturz erfolgt? Im ersten Statement widerstand Wahlverlierer Kaiser der Versuchung, sich auf die Bundes-SPÖ auszureden: Er sei keiner, der die Verantwortung abschiebe. Mehrfach beteuerte Kaiser auch in der "ZiB 2", dass er als Parteichef die Verantwortung für das Ergebnis übernimmt. Einen Rücktritt schließe er nach der "schlimmen Niederlage" nicht aus. Später relativierte Kaiser und meinte, es gebe eine "hohe Wahrscheinlichkeit", dass er weiter Landesparteichef bleibe.

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Auch aus anderen Landesparteien ertönten vorerst keine Schuldzuweisungen, von etlichen Seiten waren aber auch keine Unterstützungserklärungen für Rendi-Wagner zu vernehmen. Die rebellischen Burgenländer sagten zur Führungsfrage am Sonntagabend nur: "Kein Kommentar."

Scharfe Kritik an Doskozil

Ludwig und die Vorarlberger SP-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger versicherten der Parteichefin hingegen vollen Rückhalt. Letztere kritisierte Doskozil frontal. Es sei ihr "vollkommen unverständlich, wie man so unsolidarisch sein kann und jedes Mal vor einer Wahl eine parteiinterne Diskussion befeuert", sagte sie im APA-Interview. Doskozil verstecke sich im Burgenland: "Er ist nicht Manns genug, eine Diskussion in den Gremien zu führen."

Rendi-Wagner selbst erklärte das "schmerzhafte" Ergebnis mit den vielfachen Krisen, die Regierenden bei Wahlen zusetzten – und gab sich einmal mehr kampfeslustig. Sie habe keinerlei Angst vor demokratischen Abstimmungen, sagte sie auf die Frage, ob sie sich einer Mitgliederbefragung über ihre Zukunft stellen würde. Für ihre Gegner hatte sie einen Seitenhieb parat: Die Personaldiskussion habe der SPÖ sicher nicht genützt – sondern vielmehr der Konkurrenz. (Gerald John, 6.3.2023)