Wer an Klimaerwärmung denkt, denkt meist an rauchende Schlote und Auspuffrohre. Tatsächlich dreht sich die Frage, wie die Klimaerwärmung begrenzt und eine katastrophale Entwicklung verhindert werden kann, meist um die Themenschwerpunkte Energieproduktion und Mobilität. Doch auch die Lebensmittelproduktion leistet einen großen Beitrag zur Erwärmung des Planeten. Der Agrarsektor ist für etwa die Hälfte des Methanausstoßes und drei Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich, Tendenz steigend. Zwischen 2007 und 2016 gingen laut dem Weltklimarat 23 Prozent des von Menschen verursachten Treibhausgasausstoßes auf das Konto der Landwirtschaft. Die Genauigkeit der Schätzungen verbessert sich laufend, der Einfluss von Düngemitteln aufs Klima wurde erst kürzlich genauer abgeschätzt und stellt sogar jenen von Schifffahrt und Luftfahrt in den Schatten – gemeinsam, wohlgemerkt.

Doch eine genaue Prognose der Treibhausgasbilanz der Lebensmittelproduktion ist schwierig. Die Emissionswerte der Landwirtschaft verändern sich schnell, und das Abwägen langfristig wirksamer Treibhausgase wie CO2 gegenüber vergleichsweise kurz wirksamen wie Methan erschwert die Aufgabe.

Reisfelder wie dieses im vietnamesischen Hanoi sorgen für hohen Methanausstoß. Doch eine Reduktion um 50 Prozent ist möglich.
Foto: APA/AFP/NHAC NGUYEN

Ein Team um die Klimaforscherin Catherine Ivanovic von der Columbia-Universität in New York hat nun, basierend auf der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur, die bisher genaueste Prognose des Treibhausgasausstoßes der Lebensmittelproduktion erstellt und die Ergebnisse im Fachjournal "Nature Climate Change" publiziert.

Klimatreiber Methan

Die schlechte Nachricht lautet: Bis zum Jahr 2100 könnte allein die Lebensmittelproduktion die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten um 0,9 Grad steigen lassen. 60 Prozent davon gehen auf das Konto von Methan, weitere 20 Prozent gehen auf CO2 zurück. Für die restlichen 20 Prozent sorgt das weniger bekannte Treibhausgas Lachgas, das vor allem von Düngemitteln stammt.

Einige wenige Lebensmittel sind dabei für den Großteil der Emissionen verantwortlich. An erster Stelle steht ein Bereich, der schon bisher im Verdacht stand, wenig nachhaltig zu sein: die Fleischproduktion. Fleisch von Wiederkäuern und Nichtwiederkäuern macht laut den neuen Ergebnissen tatsächlich den größten Teil aus, gefolgt von der Milchwirtschaft. Erst an dritter Stelle steht mit Reis ein nicht-tierisches Lebensmittel.

Die schlechte Bilanz von Fleisch ist seit längerem bekannt: Fleisch ist ein großer Verbraucher von Futtermitteln, für die große Agrarflächen benötigt werden, auf denen sonst direkt Lebensmittel für Menschen produziert werden könnten, mit deutlich höherer Effizienz. Das gilt nicht für Weiden, auf denen Futter für Wiederkäuer wie Kühe wächst. Doch gerade Wiederkäuer setzen bei der Verdauung viel Methan frei, das hundertmal klimaschädlicher ist als CO2.

Mit Reis gibt es auch einen großen pflanzlichen Methan-Treiber. In den gefluteten Reisfeldern sind Bakterien aktiv, die Methan produzieren, das allein fast 20 Prozent der prognostizierten Erwärmung ausmacht. Während Fleisch und Milch heute im Prinzip durch andere Lebensmittel ersetzbar sind, scheint die Lage beim weitverbreiteten Grundnahrungsmittel Reis deutlich schwieriger.

Ein Melkstand im US-amerikanischen Maryland. Die Milchproduktion sorgt vor allem für den Ausstoß von Methan.
Foto: imago images/VWPics

Bei der Prognose wurden unterschiedliche Szenarien für den Anstieg der Weltbevölkerung berücksichtigt. Der Unterschied zwischen starkem und schwachem Bevölkerungswachstum beträgt 0,2 Grad Celsius. Auch bei optimistischer Schätzung der Bevölkerungsentwicklung ist mit mindesten 0,7 Grad Erderwärmung zu rechnen.

Verbesserung bei Produktionsmethoden möglich

Die Bereiche mit dem stärksten Einfluss auf das Klima sind auch jene, in denen die größten Verbesserungen möglich sind, berichtet das Team. Veränderte Produktionsmethoden in diesen drei Bereichen könnten die Bilanz um ein Viertelgrad verbessern. Dabei ist der größte Effekt bei Fleisch von Wiederkäuern und bei der Milchwirtschaft zu erreichen. Hier hat das Forschungsteam bereits in der Vergangenheit vorgeschlagene Möglichkeiten zur Reduktion des Methanausstoßes evaluiert und ein Verbesserungspotenzial von mindestens 30 Prozent errechnet. Bei Fleisch von nicht-wiederkäuenden Tieren sind nur etwa zehn Prozent möglich.

Viel Potenzial besteht bei Reis, berichtet das Team. Hier scheint eine Reduktion von 50 Prozent der Treibhauswirkung erreichbar, wobei das Risiko einer gleichzeitigen Erhöhung des Lachgas-Ausstoßes durch Düngung besteht – ein Effekt, den man nicht berücksichtigt hat. Abgesehen von dieser Unklarheit könnte ein sofortiges Umsetzen alternativer Produktionsmethoden für Reis die Erwärmung um 0,2 Grad reduzieren.

Besonders interessant ist eine Analyse des Zusammenhangs zwischen Energiesystem und Lebensmittelproduktion. Immerhin benötigt auch die Landwirtschaft große Mengen Energie. Es zeigt sich, dass eine Umstellung des globalen Energiesystems auf klimaneutrale Technologien bis 2050 – Stichwort Dekarbonisierung – helfen würde, die Erwärmung durch die Lebensmittelproduktion um 17 Prozent zu reduzieren.

Einzelbetrachtung verschiedener Gase nötig

Bisherige Arbeiten seien nicht detailliert genug gewesen, betont das Team in der neuen Studie. Ein zusätzliches Problem stellten vereinfachte Berechnungsmethoden dar, die den Einfluss verschiedener Treibhausgase in CO2-Äquivaltente umrechnen. Das mache die Interpretation der Ergebnisse schwierig. Im Bereich der Lebensmittelproduktion führe kein Weg daran vorbei, jedes der Treibhausgase einzeln zu betrachten. Mithilfe von Literaturrecherche erstellte das Team ein detailliertes Verzeichnis der aktuellen Treibhausgasemissionen für 94 verschiedene Lebensmittel, darunter Getreide, Reis, Obst, Gemüse, Fleisch, Meereslebewesen, Milchprodukte, Eier, Öle und Getränke.

Ein Grillfestival im brasilianischen São Paolo. Gerade Fleisch hat eine besonders schlechte Klimabilanz.
Foto: IMAGO/Fotoarena

Die Produktionsmethoden lassen sich laut der neuen Studie also optimieren. Doch wie sieht es mit einer Umstellung der Ernährung aus? Das Team untersuchte hier die Auswirkungen einer Ernährungsempfehlung, wie sie in der Vergangenheit von der Harvard Medical School vorgeschlagen wurde. Dabei sollen vor allem der Konsum von Fleisch und die Einnahme gesättigter Fettsäuren reduziert werden. Konkret soll etwa Rind- und Schweinefleisch nur einmal in der Woche auf den Tisch kommen. Eine globale Umsetzung dieser Ernährungsempfehlung würde allein etwa 20 Prozent der Erwärmung verhindern.

Kulturelles Ernährungserbe

Das Team um Ivanovic betont allerdings, wie schwierig eine Veränderung kulturell gewachsener Essgewohnheiten ist. Doch eine Reduktion des Verzehrs von Fleisch in reichen Ländern wie den USA soll zu den bereits erwähnten 20 Prozent Einsparung führen. In der Berechnung wurde nicht für alle Regionen eine Reduktion des Fleischkonsums angenommen. In bestimmten Kulturen ist der Fleischkonsum derzeit sehr niedrig und könnte noch steigen. Beispiele sind Indien und Äthiopien. Dennoch ergibt sich in Summe eine Einsparung. Die gute Nachricht lautet also: Genau jene Ernährungsformen, die von Fachleuten schon seit langer Zeit als besonders gesund propagiert werden, sind auch fürs Klima günstiger.

Doch trotz all dieser Maßnahmen wird sich die Erderwärmung um 0,5 Grad laut der neuen Studie nicht vermeiden lassen – zusätzlich zu der jetzt bereits vorhandenen Erwärmung von etwa einem Grad über dem vorindustriellen Niveau. Dieser Effekt muss wohl durch Einsparungen in anderen Branchen kompensiert werden. (Reinhard Kleindl, 6.3.2023)