Eine Beschwerdestelle im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) soll künftig ermitteln, wenn Amtshandlungen von Polizistinnen und Polizisten als übergriffig wahrgenommen werden – zum Beispiel bei Demonstrationen.

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Schon lange war die Schaffung einer Beschwerdestelle für vermutete oder behauptete Übergriffe der Polizei angekündigt worden, was auch im Koalitionsübereinkommen fixiert war. Konkret angekündigt hatte die türkis-grüne Koalition sie bereits für die erste Jahreshälfte 2021, am Montag präsentierte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) mit zwei Jahren Verspätung nun die Eckpunkte eines Gesetzesentwurfes, der in der kommenden Woche in Begutachtung gehen soll. Der Koalitionspartner war in Person des ÖVP-Sicherheitssprechers Christian Stocker zugegen, Innenminister Gerhard Karner präsentierte zeitnah die jährliche Kriminalitätsstatistik. Mit Zadić am Podium anwesend waren auch Grünen-Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr und Bundespolizeidirektor Michael Takacs.

Zadić sagte, es sei ein guter Tag für die Polizei und von etwaigem Fehlverhalten Betroffene: "Mit der Schaffung einer neuen, unabhängigen Beschwerdestelle sorgen wir für einen echten Paradigmenwechsel im Umgang mit Gewalt- und Misshandlungsvorwürfen durch die Polizei", zeigte sich die Ministerin überzeugt. Allerdings musste sie im Laufe der Pressekonferenz noch auf mehrmaliges Nachfragen erklären, wie eine solche Stelle im Bereich des Innenministeriums angesiedelt unabhängig sein könne und warum sie ebendort vorgesehen ist und nicht außerhalb.

300 Vorfälle wurden 2022 untersucht

Die Beschwerdestelle soll konkret durch eine Novelle des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) geschaffen werden. Sie gebe laut Zadić Opfern von Polizeigewalt "endlich die Möglichkeit, sich an eine Stelle außerhalb der klassischen Polizeistruktur zu wenden". Das entlaste auch zu Unrecht unter Verdacht geratene Beamtinnen und Beamte, sagte Zadić. Bundespolizeidirektor Michael Takacs führte aus, dass es voriges Jahr rund 23.200 Zwangsmittelanwendungen der Polizei gegeben habe, darunter seien rund 300 Vorfälle gewesen, die "näher untersucht werden mussten".

Konkret soll es täglich und rund um die Uhr die Möglichkeit geben, sich an die Meldestelle zu wenden. Eigens dort angestellte Polizeibeamtinnen und -beamte – insgesamt soll es dort 15 geben – sollen im Notfall sofort Spuren sichern, wenn sie wegen eines vermuteten Fehlverhaltens der Polizei kontaktiert werden. Sie sollen an der Beschwerdestelle mit sechs Expertinnen und Experten anderer Berufsgruppen zusammenarbeiten, als mögliche Beispiele genannt wurden Psychologinnen oder Psychiater, Juristinnen oder Mediziner. Insgesamt laufe es auf eine Mitarbeiterzahl im mittleren zweistelligen Bereich hinaus, wie der grüne Sicherheitssprecher Bürstmayr erläuterte. Budgetiert seien dafür vorerst 4,5 Millionen Euro.

Derzeit lange Ermittlungsdauer

Wie genau sich die Teams zusammensetzen sollen, sei aber nicht in der Novelle festgelegt, führte Bürstmayr später aus. Genauso wenig, wie sich die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Detail gestalten soll. Bürstmayr geht davon aus, dass Ermittlungsverfahren bei Vorwürfen gegen die Polizei dann aber schneller verlaufen werden, als das aktuell der Fall sei. Die lange Dauer sei ein Grund dafür, warum sich auch viele seitens der Exekutive bereits so eine Beschwerdestelle gewünscht hätten.

Die Ansiedelung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle im BAK und damit im Bereich des Innenministeriums sieht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International "äußerst problematisch": Damit stehe die Stelle unter der Weisungsbefugnis des Innenministers. "Die Unabhängigkeit einer solchen Stelle ist zentral", sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, noch am Rande der Pressekonferenz. Daher dürfe diese Stelle nicht im Bereich des Innneministeriums angesiedelt sein. Das müsse aber so sein, wenn man auch wolle, dass die Stelle polizeiliche Befugnisse habe, entgegnete Zadić auf derlei Kritik. Es sei eben keine Ombudsstelle geschaffen worden, sondern eine Stelle, die auch die Möglichkeit für Festnahmen, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen und dergleichen habe.

Schriftliche Weisungen

Außerdem, so argumentierte Zadić weiter, müssten Weisungen an die Beschwerdestelle stets schriftlich erfolgen – und dies auch an den Beirat der Beschwerdestelle. Der Beirat soll dem aktuellen Entwurf nach aus 13 Mitgliedern bestehen sowie einem oder einer Vorsitzenden, der oder die vom Verfassungsgerichtshofpräsidenten bestimmt werden soll, wie Bürstmayr im Anschluss an die Pressekonferenz noch genauer ausführte. Je ein Beiratsmitglied soll weiters von der Ärztekammer, dem Rechtanwaltskammertag und der Universitätenkonferenz ernannt werden. Sie müssten entsprechende fachliche Qualifikationen, zum Beispiel im Strafprozessrecht oder in der Forensik, mitbringen. Je ein weiteres Mitglied soll vom Bundeskanzleramt, dem Außenministerium, dem Justizministerium bestellt werden sowie zwei vom Innenministerium. Und auf fünf weitere Mitglieder aus dem Bereich der NGOs sollen sich Justiz- und Innenressort gemeinsam verständigen.

Auch Option anonymer Hinweise

Dieser Beirat soll für sieben Jahre bestellt sein und unabhängig nach außen kommunizieren. Er werde auch nicht im Innenministerium oder im BAK sitzen, sagte Bürstmayr, "sondern an einem dritten Ort". Außerdem soll die Möglichkeit geschaffen werden, anonym Beschwerden an die Meldestelle heranzutragen, etwa auch über den Beirat. Die Beschwerdestelle soll nach Bürstmayrs Ausführungen von einem Stellvertreter oder einer Stellvertreterin des BAK-Direktors geleitet werden. Die Bestellung des BAK-Direktors, der derzeit für die Dauer von fünf Jahren eingesetzt wird, wird auf die Dauer von zehn Jahren verlängert (bei der Möglichkeit einer Wiederbestellung).

Amnesty International kritisiert die fehlende Transparenz im Bestellprozess für die Leitung der neuen Ermittlungs- und Beschwerdestelle. "Es ist überaus wichtig, wer diese Stelle leiten wird und wer in dieser Stelle ermittelt. Es braucht hier unbedingt einen transparenten und professionellen Auswahlprozess, um zu garantieren, dass die Ermittlungen auch von Personen durchgeführt werden, die ein unabhängiges Verständnis ihrer Tätigkeit haben", gab Amnesty-Geschäftsführerin Schlack zu bedenken.

Der Gesetzesentwurf soll im Laufe des Jahres in Umsetzung gehen und die Behörde 2024 ihre Arbeit aufnehmen. (Gudrun Springer, 6.3.2023)