Als Martin Schirdewan am Montag in Berlin vor die Presse tritt, will er sich SPD, Grüne und FDP vorknöpfen. "Die Ampelkoalition ist zu einer Blockadekoalition geworden", klagt der Linken-Chef und lobt seine eigene Partei als "moderne Fortschrittspartei".

Doch es interessiert sich kaum wer dafür. Schirdewan wird hauptsächlich über Sahra Wagenknecht befragt. Die prominente Abgeordnete hat nun ja angekündigt, bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr für die Linke zu kandidieren.

Schirdewan aber will dazu nicht viel sagen. Nur so viel: "Es handelt sich um eine persönliche Entscheidung, die ich respektiere." Deutlicher ist die linke Vizechefin Katina Schubert: "Reisende soll man nicht aufhalten." Ein freundliches Wort war niemandem zu entlocken.

Doch ein solches hatte auch Wagenknecht für die Linken-Spitze nicht übrig. Im Berliner Tagesspiegel erklärte sie, die Kritik der Führung an der von ihr und Frauenrechtlicherin Alice Schwarzer organisierten Kundgebung für ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine zeuge "vom traurigen Niedergang der einstigen Friedenspartei". Ihr – Wagenknecht – fehle mittlerweile die "Fantasie" dafür, wie sie und der linke Vorstand noch einmal zusammenfinden könnten.

Sahra Wagenknecht will jetzt ihre eigenen Wege gehen.
Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler

Gerüchte um neue Partei

Daran hatte in Berlin auch nach dem jüngsten Zerwürfnis keiner mehr geglaubt. Dass Wagenknecht nebst einem Stopp von Waffenlieferungen auch Verhandlungen mit Russland fordert, tragen viele Linke mit. Aber ihnen fehlt eine deutliche Abgrenzung zu Rechtsextremen.

Die 54-Jährige könnte also bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2025 in Politpension gehen. Doch daran glaubt niemand so recht, zumal Wagenknecht der Zeitung Rheinpfalz auch noch erklärt hat, sie könne als Publizistin oder Buchautorin arbeiten "oder es ergibt sich politisch etwas Neues".

Schon länger wird spekuliert, dass Wagenknecht eine neue Partei gründen möchte. Laut einer Forsa-Umfrage für den Stern könnten sich 19 Prozent der Deutschen grundsätzlich vorstellen, eine solche zu wählen. Wagenknecht würde 55 Prozent der Linken und 74 Prozent der AfD-Sympathisanten ansprechen.

Doch den sicheren Erfolg sieht Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der Freien Universität (FU) Berlin, nicht: "Neue Parteien haben es traditionell schwer in Deutschland und auch Wagenknechts früherer Versuch, eine ‚Aufstehen-Bewegung‘ zu initiieren, ist letztlich gescheitert", sagt er.

Wagenknecht hatte sich 2018 an die Spitze der Bewegung gestellt. Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen wie Linken wollten damals in ihren eigenen Parteien für sozialere Politik sorgen und den Weg für eine linke Koalition auf Bundesebene ebnen. Doch 2019 zog sich Wagenknecht wieder zurück.

"Jahrelanges Mobbing"

Während ihr die Linken-Spitze nun keine Träne nachweint, erklärt der frühere Linken-Chef Klaus Ernst: "Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet."

Auch der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich hält zu Wagenknecht und betont: "Das jahrelange Mobbing der jeweiligen Parteiführung gegen die populärste Politikerin in den eigenen Reihen hat nun Konsequenzen."

In der Linken-Fraktion gelten sieben oder acht der 39 Linken-Abgeordneten als "Wagenknechtianer". Sollten sie vor Ablauf der Legislaturperiode mit Wagenknecht gehen, dann verlöre die Linke ihren Fraktionsstatus. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.3.2023)